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FAGG: Maklervertrag – Verlangen nach sofortiger Vertragserfüllung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

FAGG: § 10, § 18

Bei Fernabsatzverträgen oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen hat der Verbraucher nach § 18 Abs 1 Z 1 FAGG kein Rücktrittsrecht, wenn der Unternehmer – auf Grundlage eines ausdrücklichen Verlangens des Verbrauchers nach § 10 FAGG und dessen Bestätigung über seine Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung – noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach § 11 FAGG mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen und die Dienstleistung sodann vollständig erbracht hat. Die Willenserklärung des Verbrauchers ist an keine bestimmte Form gebunden; sein Verlangen muss lediglich auch auf einem dauerhaften Datenträger erklärt werden (vgl § 3 Z 5 FAGG; Art 2 Nr 10 RL 2011/83/EU).

Die Namhaftmachung der Kaufgelegenheit ist bei Immobilieninseraten erst die Voraussetzung dafür, dass ein potentieller Käufer Interesse an einem ersten Kontakt mit dem Makler und einem allfälligen Vertragsabschluss entwickeln kann. Das nach § 10 FAGG maßgebliche Verlangen auf vorzeitige Vertragserfüllung ist nicht auf die Erteilung der jedermann zugänglichen Information gerichtet, sondern auf die Erbringung der weiteren Dienstleistungen eines Maklers, die letztlich zum Abschluss des vermittelten Vertrags führen sollen. Die unverbindliche Besichtigung eines vom Makler öffentlich angebotenen Objekts findet noch in einem entgeltfreien Stadium statt. Erst mit einem verbindlichen Kaufanbot nimmt der Käufer die Abschlussgelegenheit und damit die provisionspflichtige Leistung des Maklers in Anspruch.

Es kann für den Anlassfall dahingestellt bleiben, ob das Verlangen des Verbrauchers iSd § 10 FAGG ausschließlich vor dem Beginn der Erbringung der Dienstleistung wirksam erklärt werden kann. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist hier jedenfalls von einem rechtzeitigen Verlangen auszugehen. Der Bekl hat die Kl per E-Mail, also bereits auf einem dauerhaften Datenträger iSd § 3 Z 5 FAGG aufgefordert, ihm umgehend Informationen über die Liegenschaft zukommen zu lassen und eine Besichtigung zu ermöglichen, die er schon am übernächsten Tag in Anspruch genommen hat. Selbst wenn man im E-Mail des Bekl noch kein formgerecht bestätigtes Verlangen iSd § 10 FAGG erblicken wollte, war die unterschriftliche Bekräftigung des Wunsches und der Bestätigung der Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts bei der ersten Besichtigung nicht verspätet.

OGH 18. 12. 2020, 8 Ob 45/20f

Entscheidung

Dieses Ergebnis wird auch den Zwecken des Formgebots gerecht. Hätte der Bekl sich nämlich bei der Besichtigung geweigert, seinen zunächst per E-Mail und mit der Terminvereinbarung artikulierten Wunsch nach sofortigem Tätigwerden der Kl zu bestätigen, hätte diese noch ihre weiteren Leistungen einstellen können, um zu verhindern, für eine verdienstliche Vermittlung grundlos kein Entgelt zu erhalten. In diesem Fall hätte sich die Frage eines Rücktritts für den Bekl gar nicht gestellt.

Ein Rechtsschutzdefizit für den Bekl bestand zu keinem Zeitpunkt. Seine Unterschriftsleistung nach § 10 FAGG erfolgte erst nach schriftlicher Information (§ 30b KSchG, § 4 FAGG) und sie entsprach seinem in diesem Zeitpunkt bestehenden Interesse am unverzüglichen Erwerb der Liegenschaft, ohne in seiner Willensbildung in irgendeiner Weise (potentielle Ansprüche der Kl etc) beeinträchtigt zu sein.

Zusammenfassend liegt im vorliegenden Fall ein Vertrag über eine Dienstleistung samt ausdrücklichem Verlangen des bekl Verbrauchers nach § 10 FAGG sowie dessen Bestätigung über die Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung vor. Auf Grundlage des Verlangens auf vorzeitige Vertragserfüllung hat die Kl vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach § 11 FAGG mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen und die Dienstleistung sodann unstrittig vollständig erbracht. Damit sind alle Voraussetzungen des § 18 Abs 1 Z 1 FAGG für den Verlust des Rücktrittsrechts erfüllt (8 Ob 122/17z, Rechtsnews 24837 = Zak 2018/52).

Die Frage, ob die Kl ihre weiteren gesetzlichen Informations- und Aufklärungspflichten über das Rücktrittsrecht vollständig erbracht hat – insb im Hinblick auf die Nennung der Kontaktdaten –, kann bei diesem Ergebnis dahingestellt bleiben. Sowohl Art 16 lit a Verbraucherrechte-RL als auch § 18 Abs 1 Z 1 FAGG enthalten kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal dahingehend, dass der Ausschluss des Widerrufsrechts bzw Rücktrittsrechts die Einhaltung von Informationspflichten voraussetze, die in Art 16 lit a der RL oder § 18 Abs 1 Z 1 FAGG nicht genannt sind (RS0131793 = 8 Ob 122/17z).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30562 vom 08.03.2021