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Festsetzung von Ordnungsstrafen durch das BFG aufgrund beleidigender Schreibweise

Bearbeiter: Michael Gleiss

BAO: § 112 Abs 3

Abstract

Das BFG hatte über zwei Beschwerden gegen die ESt-Bescheide für die Jahre 2021 und 2022 zu entscheiden. Jedoch hatte sich der Bf im Beschwerdeverfahren abfällig gegenüber dem Finanzamt geäußert, weshalb sich die Frage stellte, ob deshalb eine Ordnungsstrafe gem § 112 Abs 3 BAO (beleidigende Schreibweise) zu verhängen ist. Das BFG erachtete die Voraussetzungen als erfüllt und verhängte sowohl für die erstmalige Äußerung als auch für deren Wiederholung im Rahmen eines weiteren Anbringens je eine Ordnungsstrafe.

BFG 6.6.2024, AO/3100015/2024

Sachverhalt

Das BFG hatte infolge von Vorlageanträgen über Bescheidbeschwerden gegen die ESt-Bescheide 2021 und 2022 zu entscheiden. Im Vorlageantrag betreffend ESt 2021 tätigte der Bf ua folgende Aussagen: „"Der Öffentliche Dienst […] maßt sich oftmals Privilegien an, welche in der Privatwirtschaft keinen Bestand haben könnten. Wenn man in der Privatwirtschaft einen Zusatzverdienst haben möchte, dann ist dafür eine geforderte Leistung zu erbringen, alleine ,anwesend zu sein' im Sinne von der ,Beamte arbeitet nicht, er ist nur im Dienst' reicht dafür nicht aus. Erwartungen und Wertvorstellungen aus einem (glücklicherweise immer noch kleinen) Teil des Öffentlichen Dienstes auf die Privatwirtschaft zu übertragen führt zu derartigen Fehlwertungen, wie sie das Finanzamt […] mit der vorliegenden Entscheidung - aufzeigt. Die vorliegende Beschwerde und das daran angrenzende Verfahren stellen eine einzige Verschwendung von Steuergeldern dar. […]

Natürlich ist es einfacher und gemütlicher (und ist dienlich das Büro rechtzeitig zur Kaffeepause oder zum Dienstende zu verlassen), wie dies auch hier geschehen ist, dem Steuerpflichtigen einfach zu unterstellen, dass er Kosten fälschlich geltend gemacht hat. Aus meiner Sicht handelt es sich bei solchen Handlungen aber um eine Form von Amtsmissbrauch, welcher den Staat und den Steuerpflichtigen schädigt. […]. Wenn das Finanzamt […] ferner meint, dass im Arbeitsvertrag als gewöhnlicher Arbeitsort […] festgelegt sei, scheint es die Fähigkeit vermissen zu lassen einen einfachen und strukturierten Text richtig zu interpretieren […]. Die Ausführungen des Finanzamts lassen damit an einer objektiven Führung des Verfahrens gröblich zweifeln und lassen folgerichtig wahlweise Voreingenommenheit oder Inkompetenz vermuten.

In der Beschwerde betreffend ESt 2022 verwies der Bf auf die dargestellten Ausführungen.

Entscheidung des BFG

Das BFG verhängte aufgrund beleidigender Schreibweise iSd § 112 Abs 3 BAO Ordnungsstrafen in Höhe von EUR 200 (Vorlageantrag ESt 2021) sowie EUR 400 (Vorlageantrag ESt 2022):

Nach § 112 Abs 3 BAO kann die Abgabenbehörde eine Ordnungsstrafe bis zu EUR 700 verhängen, wenn sich eine Person in einer schriftlichen Eingabe einer beleidigenden Schreibeweise bedient. Diese Befugnis kommt nach § 269 Abs 1 BAO auch dem BFG als Verwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren zu.

Die Androhung einer Ordnungsstrafe nach § 112 Abs 3 BAO ist nicht erforderlich, dies ist nur bei Ordnungsstrafe nach § 112 Abs 2 BAO der Fall. Darüber steht die Verjährungsfrist (hier 31.12.2024) der Festsetzung einer Ordnungsstrafe nicht im Wege.

Eine beleidigende Schreibweise iSd § 112 Abs 3 BAO liegt insbesondere dann vor, wenn sich die Kritik an der Behörde oder dem Behördenorgan nicht auf die Sache beschränkt, sie nicht in einer den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form vorgebracht wird oder sie Behauptungen enthält, die einer Beweisführung nicht zugänglich sind (siehe zB VwGH 30.5.1994, 92/10/0469). Darüber hinaus liegt eine beleidigende Schreibweise vor, wenn eine niedrige Gesinnung und eine nach der Sittenordnung verpönte Vorgangsweise unterstellt wird (VwGH 30.11.1993, 89/14/0144), wie etwa der allgemein gehaltene Vorwurf der Manipulation, die Unterstellung einer Schädigungsabsicht, das Betrinken während der Dienstzeit oder Korruption (VwGH 20.11.1998, 98/02/0320).

Nicht erforderlich ist eine Beleidigungsabsicht (VwGH 4.10.1995, 95/15/0125), weshalb keine dahingehenden Feststellungen zu treffen waren. Nicht ausschlaggebend für die Verhängung von Ordnungsstrafen nach § 112 Abs 3 BAO ist, ob die Kritik berechtigt ist. Vielmehr pönalisiert die Bestimmung die Art und Weise, wie Kritik vorgebracht wird (vgl VwGH 25.3.1988, 87/11/0271).

Zur ersten Eingabe (ESt 2021) ist anzumerken, dass der Bf zunächst impliziert, Bedienstete des FA würden – im Gegensatz zu Angestellten in der Privatwirtschaft – nicht arbeiten müssen, da ihre bloße Anwesenheit genüge. Der Bf unterstellt ferner, die Behörde habe aus bloßer Bequemlichkeit (etwa um "das Büro rechtzeitig zur Kaffeepause oder zum Dienstende" verlassen zu können) Ermittlungen und eine nähere Auseinandersetzung mit seinem Vorbringen unterlassen. Nach Ansicht des BFG ist darin eine nach der Sittenordnung verpönte Vorgangsweise iSd zitierten Judikatur zu sehen.

Weiters unterstellt der Bf durch die Verwendung des Begriffes "Amtsmissbrauch" pauschal einen vorsätzlichen Befugnismissbrauch zum Nachteil des Bf iSd § 302 StGB, ohne dies weiter zu belegen. Da der Bf Jurist ist, muss er sich der Bedeutung dieses Begriffes zumindest in den Grundzügen bewusst sein. Diese Unterstellung erfüllt nach der zitierten Judikatur ebenso den Tatbestand einer beleidigenden Schreibweise iSd § 112 Abs 3 BAO. Darüber hinaus tragen auch die Formulierung „[w]enn das Finanzamt […] ferner meint, […] scheint es die Fähigkeit vermissen zu lassen einen einfachen und strukturierten Text richtig zu interpretieren“ sowie „[d]ie Ausführungen des Finanzamts lassen […] folgerichtig wahlweise Voreingenommenheit oder Inkompetenz vermuten" nichts zur Sache bei und sind verletzend. Vielmehr verlässt der Bf den Boden der sachlichen Kritik und verletzt den im Verkehr mit der Behörde gebotenen Anstand.

Auch im Rahmen der Ermessensübung scheint die Verhängung der Ordnungsstrafe dem Grunde nach geboten, damit der Bf angehalten ist, künftig im Verkehr mit Behörde und Gericht ein Mindestmaß an Anstand zu wahren. Somit liegen die Voraussetzungen für die Verhängung einer Ordnungsstrafe hinsichtlich der Ausführungen im Vorlageantrag betreffend ESt 2021 vor. Da die beleidigende Schreibweise „keine allzu hohe Intensität erreicht“ und dem BFG keine vergleichbaren früheren Ordnungsstrafen des Bf bekannt sind, kann mit einer Ordnungsstrafe iHv EUR 200 – und somit im unteren Drittel des Strafrahmens – das Auslangen gefunden werden.

Zur zweiten Eingabe ist anzumerken, dass eine Person, die sich in mehreren Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedient, in Bezug auf jede einzelne Eingabe mit einer Ordnungsstrafe belegt werden kann (VwGH 30.11.1993, 89/14/0144). Die Beschwerde betreffend ESt 2022 ist unzweifelhaft eine andere Eingabe als der Vorlageantrag betreffend ESt 2021, auf den sich das Beschwerdevorbringen ESt 2022 bezieht. Durch den Verweis auf diesen Vorlageantrag sowie dessen Beifügung erhebt der Bf den Inhalt des Vorlageantrags (ESt 2021) auch zum Inhalt seiner Beschwerde (ESt 2022). Somit liegt eine erneute Eingabe vor, die die Voraussetzungen für die Verhängung einer weiteren Ordnungsstrafe erfüllt. Zur Frage der Höhe der zweiten Ordnungsstrafe erscheint es dem BFG geboten, dass diese aufgrund der wiederholten Erfüllung des Tatbestandes mit einem höheren Betrag festgesetzt wird. Daher wird die Ordnungsstrafe mit einem Betrag von 400 € festgesetzt.

Die Revision ließ das BFG nicht zu. Begründend wurde ausgeführt, dass der vorliegende Beschluss mit der angeführten Rechtsprechung des VwGH übereinstimmt und somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Conclusio

Das Instrument der Ordnungsstrafe im Zusammenhang mit beleidigender Schreibweise besteht auch in anderen Verfahrensordnungen (siehe zB § 34 Abs 3 AVG, § 86 ZPO oder § 235 f StGB). Ordnungsstrafen sollen eine sachliche und unpersönliche Ausdrucksweise wahren und so das Verfahren „entschärfen“, jedoch soll dadurch keine sachlich berechtigte Kritik verhindert werden (siehe dazu zB OGH 30.6.1998, 1 Ob 181/98v zu § 86 ZPO). Den sachlichen Rahmen der Kritik haben die vorliegenden Eingaben wohl unstrittig verlassen. Da auch die Kriterien der Rsp des VwGH erfüllt zu sein scheinen, erfolgte die Verhängung der Ordnungsstrafe zu Recht.

Während wegen einer einzigen Eingabe nur eine Ordnungsstrafe verhängt werden kann (siehe zB Ritz/Koran BAO7 [2021] § 112 Rz 4), können für verschiedene Eingaben auch mehrere Ordnungsstrafen festgesetzt werden. Dabei kann jede Eingabe das Höchstausmaß in Höhe von EUR 700 erreichen (vgl Ellinger/Iro/KramerSutter/Urtz, BAO3 § 112 E 54). Dies gilt auch dann, wenn die beleidigenden Aussagen bloß gleichartig wiederholt werden (Stoll BAO [1994] 1218; VwGH 11.12.1985, 84/3/155). Somit dürfte auch die für das zweite Vorbringen verhängte Zwangsstrafe, in dem auf das erste (und beleidigende) Vorbringen wiederholend verwiesen wurde, der Rechtsprechung des VwGH entsprechen.

Stichworte: Ordnungsstrafe, beleidigende Schreibweise

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35681 vom 22.07.2024