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Forderungsentstehung infolge eines „Anbots“ während einer Außenprüfung?

Bearbeiter: Eric Coenen

BAO: § 23 Abs 1

Abstract

Das Vorliegen eines Scheingeschäfts iSd § 23 Abs 1 BAO führt dazu, dass das durch das Scheingeschäft verdeckte Rechtsgeschäft maßgeblich für die Abgabenerhebung ist. Dafür muss allerdings der Inhalt des vom Scheingeschäft verdeckten Rechtsgeschäfts ermittelt werden, um überhaupt die Entstehung einer Forderung daraus begründen zu können. Im vorliegenden Fall ging das BFG vom Bestand einer Forderung aus, weil der Alleingesellschafter der Revisionswerberin (Rw) – der auch Alleingesellschafter der Vertragsparteien war – das „Anbot“ während einer Außenprüfung stellte, eine Forderung einzustellen, um verdeckte Ausschüttungen zu vermeiden. Aus einem bloßen „Anbot“ kann jedoch keine Forderung entstehen, vielmehr bedarf es eines rechtsgeschäftlichen oder deliktischen Verhaltens. Daher war nach Ansicht des VwGH von einem Verstoß gegen die Begründungspflicht des BFG auszugehen.

VwGH 6. 9. 2023 Ra 2021/15/0027

Sachverhalt

Bei der Revisionswerberin (Rw) fand im Jahr 1999 eine Außenprüfung für die Jahre 1987 – 1997 statt, in der Geschäftsbeziehungen zur in der Schweiz ansässigen X AG und Y AG festgestellt wurden. Sowohl die Rw als auch die X AG und Y AG standen im wirtschaftlichen Alleineigentum des JW und verfügten über kein Personal mit Ausnahme eines Geschäftsführers und Verwaltungsrats. Die Schweizer Gesellschaften wurden als Domizilgesellschaften und die getätigten Geschäfte zwischen der Rw und der X AG und Y AG als Scheingeschäfte qualifiziert. Damit wurden die Gewinne aus diesen Geschäften der X AG und Y AG der Rw zugerechnet. Um allfällige daraus entstehenden verdeckten Gewinnausschüttungen zu vermeiden, stellte die Rw während der Außenprüfung das „Anbot“, außerbilanzielle Forderungen gegenüber der X AG und Y AG anzusetzen. Diese Forderungen sind dann mit Darlehensverbindlichkeiten der Rw gegenüber der X AG und Y AG verrechnet worden, woraus sich in Folge noch ein Forderungsüberhang ergeben hat. In der vorliegenden außerordentlichen Revision machte die Rw im Wesentlichen geltend, dass das BFG (BFG 17. 12. 2020, RV/6100288/2006, nicht veröffentlicht gem § 23 Abs 3 BFGG) zu Unrecht vom Bestand einer Forderung ausgegangen sei. Die Tatsache, dass JW als Alleingesellschafter der Rw das „Anbot“ stellte und gleichzeitig auch Alleingesellschafter der Schweizer Gesellschaften war, sei nicht ausreichend für die Entstehung einer Forderung.

Entscheidung des VwGH

Zunächst führt der VwGH die Grundzüge des § 23 Abs 1 BAO aus. Demnach sind Scheingeschäfte für die Erhebung von Abgaben ohne Bedeutung. Es ist für die Abgabenerhebung vielmehr das von dem Scheingeschäft verdeckte Rechtsgeschäft maßgeblich. Ein Scheingeschäft iSd § 23 Abs 1 BAO liegt dann vor, wenn eine Einigung der Parteien dahingehend vorliegt, dass das abgeschlossene Geschäft nicht oder nicht so gelten soll, wie die Erklärungen lauten. Es dient somit bloß dem äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts, ohne die damit verbundenen Rechtsfolgen eintreten lassen zu wollen (siehe Ritz/Koran, BAO7 § 23 Rz 1).

Das BFG qualifizierte die Geschäfte zwischen der Rw und der in der Schweiz ansässigen X AG und Y AG aufgrund der Feststellungen der Außenprüfung im Jahr 1999 als Scheingeschäfte. Es hat aber unterlassen, den Inhalt der durch die Scheingeschäfte verdeckten Rechtsgeschäfte zu ermitteln. Nach Ansicht des VwGH ist es aber entscheidend, den Inhalt dieser Rechtsgeschäfte festzustellen. Sonst kann nicht beurteilt werden, ob daraus Forderungen der Rw gegenüber den Schweizer Gesellschaften entstanden sind, die für das BFG der Anerkennung von Betriebsausgaben aus den Darlehensverbindlichkeiten entgegenstehen.

Das bloße „Anbot“ der Rw im Rahmen der Außenprüfung gegenüber dem Prüfungsorgan, die Geschäfte „als Verrechnungsforderungen zu behandeln“, kann nicht zum Entstehen von Forderungen führen, so der VwGH. Vielmehr entstehen Forderungen entweder aus rechtsgeschäftlichem oder deliktischem Verhalten. Das bloße „Anbot“ der Rw führt jedoch – entgegen der Ansicht des BFG – nicht dazu, dass auch JW diese Vorgangsweise als vertretungsbefugtes Organ der X AG und Y AG akzeptiere, um das Entstehen einer Forderung herbeizuführen. Aufgrund der fehlenden Ermittlung des Inhalts der durch die Scheingeschäfte verdeckten Rechtsgeschäfte ist nach Ansicht des VwGH von einem Verstoß gegen die Begründungspflicht des BFG auszugehen. Es konnten keine ausreichenden Gründe für das Entstehen einer Forderung der Rw gegenüber den Schweizer Gesellschaften aufgezeigt werden. Abschließend führt der VwGH noch aus, dass verdeckte Ausschüttungen nach Ablauf des betroffenen Wirtschaftsjahres nicht mehr rückgängig gemacht werden können, etwa wie im vorliegenden Fall durch die Einstellung einer Forderung (siehe dazu auch VwGH 5. 2. 2021, Ro 2019/13/0027).

Conclusio

Ein Scheingeschäft ist aus zivilrechtlicher Sicht gem § 916 Abs 1 ABGB als nichtig anzusehen, was auch für das Abgabenrecht gilt (Ritz/Koran, BAO7 § 23 Rz 5). Da nun das vorliegende Geschäft zwischen der Rw und der Schweizer X AG und Y AG vom BFG als Scheingeschäft eingeordnet wurde, führte dies zu dessen Nichtigkeit. Dann ist es allerdings – wie der VwGH auch ausführt – notwendig, das von diesem Scheingeschäft verdeckte Geschäft zu ermitteln. Ansonsten ist eine Feststellung des Bestands einer Forderung nicht möglich. Dass der VwGH hier nicht von der Entstehung einer Forderung ausgegangen ist, weil ein bloßes „Anbot“ während einer Außenprüfung nicht ausreichend ist, erscheint stimmig.

Der abschließende Punkt des VwGH zu den verdeckten Ausschüttungen bezieht sich darauf, dass die Prüferin während der Außenprüfung den Ansatz von Forderungen vorgenommen hat, um verdeckte Ausschüttungen zu vermeiden. Dadurch konnten jedoch mögliche verdeckte Ausschüttungen überhaupt nicht mehr verhindert werden, weil die Außenprüfung logischerweise erst nach Ende des betreffenden Wirtschaftsjahres stattfand. Im Falle eines ausreichend hohen Einlagenstands wäre die Ausübung des Wahlrechts gem § 4 Abs 12 EStG eine Möglichkeit zur Verhinderung der verdeckten Ausschüttung gewesen, wodurch eine solche Ausschüttung unter bestimmten Voraussetzungen als Einlagenrückzahlung qualifiziert werden kann (näher dazu siehe V. Bendlinger, Verdeckte Ausschüttung als Einlagenrückzahlung, taxlex 2019, 140 [142 f]). Der späteste Zeitpunkt für eine solche „Umdeutung“ ist allerdings – einen ausreichend hohen Einlagenstand vorausgesetzt – ebenfalls das Ende des Wirtschaftsjahres (VwGH 5. 2. 2021, Ro 2019/13/0027; siehe dazu auch Misic, „Umdeutung“ einer verdeckten Ausschüttung in eine steuerneutrale Einlagenrückzahlung nur bis zum Ende des Veranlagungsjahres möglich, ecolex 2021, 957 [957 f]). Daher bestünde im vorliegenden Fall jedenfalls keine Möglichkeit, eine Vermeidung von allfälligen verdeckten Ausschüttungen herbeizuführen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34768 vom 22.11.2023