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Frachtgeschäft: Bestellbetrug – Lieferung an Nichtberechtigten

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

CMR: Art 17

Nach Art 17 Abs 1 CMR haftet der Frachtführer (ua) für gänzlichen oder teilweisen Verlust, des Guts, sofern der Verlust zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Guts und seiner Ablieferung eintritt. Gemäß Art 17 Abs 2 CMR ist der Frachtführer von dieser Haftung befreit, wenn der Verlust durch Umstände verursacht worden ist, die der Frachtführer nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte. Soweit in der E 4 Ob 157/06a (= RdW 2007/304) – obiter – der Verlust nach Art 17 Abs 1 CMR in Fällen des Bestellbetrugs bejaht wurde, wird dieser Rechtsauffassung nicht beigetreten.

Der Obhuts- und damit der Haftungszeitraum des Art 17 Abs 1 CMR endet mit der Ablieferung. Die Ablieferung muss beim rechtmäßigen Empfänger des Guts erfolgen. Das ist derjenige, an den nach dem Willen des Absenders das Gut abgeliefert werden soll. Als berechtigt ist demnach entweder der Empfänger, der vom Absender bei Vertragsabschluss dem Frachtführer genannt und im Frachtbrief bezeichnet wurde, oder der Empfänger, der vom Absender später einvernehmlich mit dem Frachtführer festgelegt oder aufgrund einer ordnungsgemäß erfolgten Weisung bestimmt wurde. Liefert der Frachtführer demnach an einen – in diesem Sinn – berechtigten Empfänger, tritt kein Verlust während seines Obhutszeitraums ein. Dabei ist irrelevant, ob der im obigen Sinn berechtigte Empfänger ein Betrüger ist, der unter falschem Namen vom Absender gekauft hat.

Den Frachtführer trifft keine besondere Pflicht, den Absender vor wirtschaftlichen Risiken zu schützen, die mit der Erfüllung des Geschäfts verbunden sind, das dem Transportauftrag zugrunde liegt. Es gehört demnach nicht zu den Pflichten des Frachtführers, betrügerische Handlungen des Vertragspartners des Absenders aufzudecken. Insoweit trägt der Absender allein das Risiko der Zahlungsunwilligkeit und Zahlungsunfähigkeit des Bestellers. Ein Vergleich mit Diebstahl oder Raub des Frachtguts während des Obhutszeitraums verbietet sich. In diesem Fall wird das Frachtgut direkt der Gewahrsame des Frachtführers entzogen. Bei einem Bestellbetrug veranlasst der Betrüger den Absender, ihn dem Frachtführer gegenüber als berechtigten Empfänger anzugeben und von diesem das Transportgut entsprechend dem zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Willen des Absenders übergeben zu erhalten.

OGH 24. 8. 2022, 7 Ob 126/22p

Entscheidung

Die Ablieferung erfolgte hier in allen Fällen an den (vorgeblichen) Vertragspartner der Kl und demnach an den von ihr bestimmten Empfänger. Die Bekl führte die Ablieferung an den bereits im Auftrag angeführten Adressen durch (Aufträge Nr 518, 519, 532, 546, 592), an Adressen, die die Kl noch vor Beginn der Ablieferung nach Rücksprache mit dem Kunden geändert hatte (Aufträge Nr 482, 530), sowie an Adressen, die im zeitlichen Zusammenhang mit der konkreten Ablieferung nach Rückfrage durch die Bekl geändert wurden (Aufträge Nr 459, 520). Beim Auftrag Nr 569 wurde im Auftrag zwar die Adresse 2 Rue du C* T*, angeführt, an welcher der Frachtführer von der Kontaktperson erwartet und angewiesen wurde, die Entladung doch an der bereits von früheren Anlieferungen bekannten Entladestelle 4 Rue du C* T*, vorzunehmen. Nach Rückfrage durch die Bekl und Nachfrage beim Kunden bestätigte die Kl die Ordnungsmäßigkeit dieses Vorgehens. An den von der Kl genannten Adressen trafen die Frachtführer auch jeweils Repräsentanten der vorgeblichen Vertragspartner und von der Kl bestimmten Empfängern an.

Vor diesem Hintergrund ist den Vorinstanzen zuzustimmen, dass die Ablieferung jeweils an den berechtigten Empfänger erfolgte und daher kein Verlust des Frachtguts während des Obhutszeitraums der Bekl eingetreten ist. Da damit schon die Voraussetzungen des Art 17 Abs 1 CMR nicht vorliegen, erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf die Ausführungen der Kl zur Unvermeidbarkeit nach Art 17 Abs 2 CMR.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33306 vom 22.11.2022