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Gemeinschaftsmarke - prioritätsältere nationale Marke

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

VO (EG) 207/2009: Art 99, Art 112

Der in Österreich erhobenen Klage wegen Verletzung einer Gemeinschaftsmarke kann im Wege des Einwands nach Art 99 Abs 3 GMV [VO (EG) 207/2009] ein älteres nationales Markenrecht entgegengehalten werden, das nicht in Österreich, sondern in einem anderen Mitgliedstaat besteht. Dies folgt aus der Einheitlichkeit der Gemeinschaftsmarke und daraus, dass der Einwand des älteren Rechts sich nicht gegen die möglicherweise geografisch beschränkten Ansprüche als solche wendet, sondern darauf abzielt, dass die Gemeinschaftsmarke wegen eines älteren Rechts für nichtig erklärt werden könnte.

OGH 27. 1. 2016, 4 Ob 183/15p

Sachverhalt

Die Kl produziert seit 1989 die TV-Serie „Die Simpsons“, in der Bier mit der fiktiven Bezeichnung „Duff“ konsumiert wird. Die Kl ist Inhaberin der am 9. 6. 2009 angemeldeten und am 26. 3. 2014 ua für Bier registrierten Gemeinschaftsmarke „Duff“.

Die beklagte deutsche Gesellschaft ist ua Inhaberin der deutschen Marke „Duff Beer“, die am 12. 1. 1999 angemeldet und am 8. 6. 1999 für Bier registriert wurde. Die gegen diese Marke gerichtete Löschungsklage der Kl wurde mit Urteil des (dt) BGH vom 5. 12. 2012, I ZR 135/11, rechtskräftig abgewiesen.

Die Bekl stand mit einem österreichischen Brauereiunternehmen in Geschäftsbeziehung. Dieses braute in Österreich Bier, das es in Dosen mit der Aufschrift „Duff“ füllte und der Bekl nach Deutschland lieferte. Die österreichische Brauerei bewarb dieses Bier im Internet und verkaufte es in der Schweiz. Die von der Kl gegen die österreichische Brauerei erhobenen Ansprüche sind inzwischen verglichen.

Gegen die Verletzungsklage der Kl gegen die Bekl vom 19. 11. 2014 brachte die Bekl am 26. 3. 2015 Widerklage mit dem Urteilsbegehren ein, die Gemeinschaftsmarkenregistrierung für nichtig zu erklären.

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens beantragte die Kl, der Bekl mit einstweiliger Verfügung insb zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr in Österreich unter Verwendung des Zeichens „Duff“ oder „Duff BEER“ oder eines anderen verwechslungsfähigen Zeichens Bier herzustellen und zu bewerben oder herstellen und bewerben zu lassen.

Anders als die Vorinstanzen wies der OGH den Antrag auf Erlassung der eV ab.

Entscheidung

In seinen Entscheidungsgründen weist der OGH darauf hin, dass das Einheitlichkeitsprinzip der GMV verlangt, dass die Gemeinschaftsmarke ein in allen Mitgliedstaaten geltendes Recht ist, dem als relatives Eintragungshindernis alle älteren nationalen Marken und sonstigen Kennzeichenrechte von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung entgegengehalten werden können. Diesem allgemeinen Grundsatz müsse auch in einem Verletzungsverfahren vor einem nach Art 93 Abs 5 GMV international zuständigen Gericht Rechnung getragen werden. Ein Gemeinschaftsmarkengericht mit nach Art 94 Abs 2 GMV territorial beschränkter Kompetenz müsse deswegen auf entsprechenden Nichtigkeitseinwand auch die Wirkungen älterer Rechte anderer Mitgliedstaaten auf die Gemeinschaftsmarke prüfen.

Da die klägerische Gemeinschaftsmarke aufgrund der prioritätsälteren deutschen Marke der Bekl mit Wirkung ex tunc für nichtig erklärt werden könnte, vermag sie die erhobenen Unterlassungsansprüche nicht zu tragen, so der OGH.

Die Ansprüche können aber auch nicht auf die allenfalls an ihre Stelle tretende, aber erst auf Antrag der Kl in der Zukunft einzutragende und daher noch nicht wirksame österreichische Marke gestützt werden:

Hinsichtlich der Möglichkeit der Umwandlung der Gemeinschaftsmarke in eine nationale Marke iSd Art 112 Abs 1 GMV (für den Fall ihrer Nichtigerklärung wegen der bestehenden älteren deutschen Marke) führt der OGH aus, dass die ältere deutsche Marke zwar der neuen österreichischen nicht entgegen stünde (e contrario Art 112 Abs 2 lit b GMV); die österreichische Marke entstünde aber nicht rückwirkend mit dem Zeitpunkt der damaligen Eintragung der Gemeinschaftsmarke, sondern gem § 2 Abs 1 MarkSchG erst mit ihrer Registrierung - und zwar selbst wenn die Gemeinschaftsmarke und die im Wege der Umwandlung entstandene nationale Marke als dasselbe materielle Schutzrecht anzusehen sein sollten (vgl für eine deutsche Marke: BGH, I ZR 15/14 - amplidect mwN).

Auf gegenüber der deutschen Marke der Bekl prioritätsältere Kennzeichen- oder Urheberrechte hatte sich die Kl im erstinstanzlichen Verfahren nicht gestützt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21173 vom 24.02.2016