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Geografische Herkunftsbezeichnung als bekannte Marke

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

MarkSchG § 10

1. Übernehmen Dritte die geografischen Angaben einer Marke (hier: Schärdinger), kommt es sowohl bei der Prüfung unmittelbarer Verwechslungsgefahr als auch im erweiterten Schutzbereich der bekannten Marke auf eine im Wesentlichen denselben Kriterien folgende Unlauterkeitsprüfung an.

2. Der Anwendungsbereich des § 10 Abs 3 Z 2 MarkSchG (zulässige geografische Herkunftsangabe durch Dritte) ist auch bei einer herkunftskennzeichnenden oder sonst kennzeichenmäßigen Verwendung der beschreibenden („markenmäßigen“) Angabe nicht generell verschlossen. Anders als bei einem Hinweis auf die Bestimmung der Waren sieht die Schutzschranke des § 10 Abs 3 Z 2 MarkSchG bzw Art 12 lit b UMV keine Einschränkung auf „notwendige“ Benutzungshandlungen oder eine „Alternativlosigkeit“ vor (vgl EuGH C-228/03, Gillette, RdW 2005/315: „praktisch das einzige Mittel ..., der Öffentlichkeit eine verständliche und vollständige Information über diese Bestimmung zu liefern“).

OGH 24. 1. 2017, 4 Ob 222/16z

Entscheidung

Die Parteien und die Vorinstanzen waren von einem erweiterten Schutz der klägerischen Marke nach § 10 Abs 2 MarkSchG bzw Art 9 Abs 2 lit c UMV ausgegangen. Außerdem hat das BerufungsG - unter Verweis auf EuGH C-108/97 und C-109/97, Chiemsee - angenommen, dass § 10 Abs 3 Z 2 MarkSchG nicht das Recht verleihe, eine als Marke eingetragene geografische Bezeichnung ebenfalls markenmäßig zu verwenden, sondern den Dritten auf die beschreibende Verwendung beschränke. Dies widerspricht jedoch nach Ansicht des OGH der klarstellenden jüngeren E EuGH C-100/02, Gerolsteiner Brunnen (siehe dazu auch Pkt 2 des Leitsatzes).

Weiters stellt der OGH klar, dass die Unlauterkeitskriterien einer Rufausbeutung, Rufschädigung, Aufmerksamkeitsausbeutung und Verwässerung sowohl bei einer Beurteilung nach § 10 Abs 3 Z 2 MarkSchG in Betracht kommen (geografische Herkunftsangabe) als auch bei einer Beurteilung nach § 10 Abs 2 MarkSchG (Ausnutzen der Wertschätzung der bekannten Marke/Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft).

Dazu verweist der OGH ua auf seine Rsp, wonach unlauter va eine über die Wiedergabe der beschreibenden Angabe hinausgehende zusätzliche Annäherung durch Übernahme besonderer Gestaltungselemente aus Bild-Marken, Logos, typischen Schriftzügen oder der farblichen oder figürlichen Ausgestaltung sein kann. Die blickfangmäßige Ausgestaltung als solche ist noch nicht unlauter, weil sie vielfach auch bei beschreibenden Angaben den lauteren Gepflogenheiten entspricht (4 Ob 215/04b, De Luca, RdW 2005/192; 4 Ob 243/04w, Wiener Werkstätten; RIS-Justiz RS0119401).

Bei Getränken gehört zu dieser globalen Prüfung auch die Form und die Etikettierung der Flaschen (EuGH C-100/02, Gerolsteiner Brunnen, Rn 26).

Ferner ist in die Beurteilung auch der Grad der Kennzeichnungskraft der beeinträchtigten Marke miteinzubeziehen (4 Ob 126/13b, Ski-in & Ski-out, LN Rechtsnews 16866 vom 7. 3. 2014); bei geografischen Angaben auch der Bezug des Verwenders zur Region (Knaak, Schutzschranken im harmonisierten Markenrecht bei Verwendung von Handelsnamen und geografischen Herkunftsangaben, FS Mühlendahl, 83, 90).

Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall verneint der OGH hier die unlautere Ausnützung der Marken der Kl:

Die Bekanntheit der klägerischen Marken bezieht sich unstrittig nur auf Molkereiprodukte. Die Bekl produziert und vertreibt unter den angegriffenen Kennzeichen demgegenüber ein kohlensäurehaltiges Limonadengetränk. Die Gestaltung ihrer Wort-Bild-Marke (unter Hinzufügung einer ins Auge springenden Comic-Figur, die keinerlei Bezug zu den Marken der Kl oder den von ihr vertriebenen Produkten aufweist) weicht - wohl ebenso wie Gestaltung und Etikettierung der Flaschen - deutlich von der Ausgestaltung der Marken und der Produkte der Kl ab. Die Bekl ist überdies in Schärding ansässig und produziert auch dort, weshalb in diesem Fall weder eine besondere Anlehnung an die klägerischen Marken noch eine schmarotzerische Rufausbeutung oder ein sonstiges Unlauterkeitskriterium zu erkennen ist.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 23426 vom 13.04.2017