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Gerichtsstand der Streitgenossenschaft – Verbraucher

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

JN: § 93

KSchG: § 14

Der letzte Halbsatz des § 93 Abs 1 JN schließt den Wahlgerichtsstand der Streitgenossenschaft am allgemeinen Gerichtsstand eines anderen Streitgenossen aus, wenn das Gericht auch durch Vereinbarung der Parteien nicht zuständig gemacht werden kann. Nach § 14 Abs 1 KSchG kann für eine Klage gegen einen im Inland wohnhaften, gewöhnlich aufhältigen oder beschäftigten Verbraucher nach den §§ 88, 89, 93 Abs 2 und 104 Abs 1 JN nur die Zuständigkeit des Gerichts begründet werden, in dessen Sprengel der Wohnsitz, der gewöhnliche Aufenthalt oder der Ort der Beschäftigung liegt; dies gilt nicht für Rechtsstreitigkeiten, die bereits entstanden sind.

Der OGH hält auch im Lichte der Kritik in Teilen der Lit an seiner gefestigten Rsp fest, dass der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach § 93 Abs 1 JN gegenüber Verbrauchern nur mit der Beschränkung des § 14 Abs 1 KSchG begründet werden kann.

OGH 20. 2. 2024, 4 Ob 155/23g

Entscheidung

Der OGH teilt nicht die Ansicht, das Prorogationsverbot des § 14 Abs 1 KSchG sei aufgrund seines letzten Halbsatzes zeitlich befristet, sodass kein Prorogationsverbot iSd § 93 Abs 1 JN vorliege. Der Grundsatz des § 14 Abs 1 KSchG ist das Prorogationsverbot. Der Unternehmer kann im Einzelfall die Ausnahme davon beweisen, nämlich dass die von § 14 Abs 1 KSchG abweichende Zuständigkeitsvereinbarung für eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit getroffen wurde. Dies ändert aber nichts daran, dass grds ein Prorogationsverbot besteht, das § 93 Abs 1 JN erfasst.

Die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion des letzten Halbsatzes des § 93 Abs 1 JN sind nicht erfüllt:

Ein (möglicherweise) vom Gesetzeswortlaut abweichender Wille des (historischen) Gesetzgebers reicht für eine teleologische Reduktion nicht aus. Vielmehr ist stets der Nachweis vorausgesetzt, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den „eigentlich gemeinten“ Fallgruppen so weit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (RS0008979). An dieser zweiten Voraussetzung fehlt es jedenfalls beim letzten Halbsatz des § 93 Abs 1 JN: Es ist weder sachlich ungerechtfertigt noch willkürlich, einem Kl die Berufung auf den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft zu verwehren, wenn es gesetzliche Prorogationsverbote gibt – unabhängig davon, ob diese die sachliche oder die örtliche Zuständigkeit betreffen. Das gilt auch im Fall des § 14 Abs 1 KSchG.

Es mag Konstellationen geben, in denen es sinnvoll erscheint, dass der Verbraucher mit einem Streitgenossen an dessen allgemeinem Gerichtsstand geklagt werden kann – etwa aus den im Revisionsrekurs angeführten Gründen der Kostenersparnis, der Schonung der Ressourcen der Justiz oder der Einheitlichkeit der gerichtlichen Entscheidungen. Es mag also (auch) rechtspolitische Gründe dafür geben, im letzten Halbsatz des § 93 Abs 1 JN nach der vom Prorogationsverbot betroffenen Art der Zuständigkeit zu unterscheiden. Das allein macht aber die vom Gesetzgeber im klaren Wortlaut des § 93 Abs 1 JN zum Ausdruck gebrachte Gleichbehandlung aller Prorogationsverbote weder sachlich ungerechtfertigt noch willkürlich.

Die von Teilen der Lit vorgeschlagene teleologische Reduktion des letzten Halbsatzes des § 93 Abs 1 JN auf die unprorogable sachliche Unzuständigkeit ist daher nicht angezeigt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35285 vom 08.04.2024