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Geschäftsgeheimnisse im Verlassenschaftsverfahren

Bearbeiter: Barbara Tuma

UWG: § 26h

§ 26h UWG regelt die Wahrung der Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen im Verlauf von Gerichtsverfahren und sieht ua vor, dass das Gericht (auf Antrag oder von Amts wegen) Maßnahmen zu treffen hat, dass der Verfahrensgegner und Dritte keine Informationen über das Geschäftsgeheimnis erhalten, die über ihren bisherigen diesbezüglichen Wissensstand hinausgehen; diese Maßnahmen können auch umfassen, dass die Offenlegung des behaupteten Geschäftsgeheimnisses nur gegenüber einem gerichtlich bestellten Sachverständigen erfolgt (§ 26h Abs 2 UWG).

Im vorliegenden Verlassenschaftsverfahren stellt der OGH dazu klar, dass der verfahrensrechtliche Geheimnisschutz des § 26h UWG auf Verfahren beschränkt ist, die den rechtswidrigen Erwerb, die rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung eines Geheimnisses gem §§ 26c ff UWG zum Gegenstand haben. Die Bestimmung stellt daher keine sondergesetzlich geregelte Grundlage zur Einschränkung des Rechts auf Akteneinsicht dar, das einer Partei gem § 22 AußStrG iVm § 219 Abs 1 ZPO im Verlassenschaftsverfahren zusteht.

OGH 30. 5. 2022, 2 Ob 68/22x

Sachverhalt

Im vorliegenden Verlassenschaftsverfahren beantragte die erbantrittserklärte Witwe, ihr in Planbilanzen bzw Prognoserechnungen Einsicht zu gewähren, die andere Miterben einem Sachverständigen zur Bewertung der Geschäftsanteile vorgelegt hatten, die sie als Legat erhalten hatten. Die Miterben und der Verlassenschaftskurator beriefen sich darauf, dass es sich dabei um Geschäftsgeheimnisse handle.

Die Vorinstanzen verweigerten der Witwe unter Berufung auf § 26h Abs 2 UWG die Einsicht. Der Revisionsrekurs dagegen war wegen des Fehlens von Rsp zur Anwendbarkeit des § 26h Abs 2 UWG im Verlassenschaftsverfahren zulässig und auch berechtigt.

Entscheidung

Keine Ausdehnung auf andere Verfahren

§ 26h Abs 2 UWG wurde zur Umsetzung des Art 9 RL (EU) 2016/943 (GeschäftsgeheimnisRL; GG-RL) durch BGBl I 2018/109 eingefügt und soll spezielle verfahrensrechtliche Bestimmungen betr den Schutz von Geschäftsgeheimnissen sowohl des Kl als auch des Bekl regeln (ErläutRV 375 BlgNR 26. GP 7). Bei der Auslegung der nationalen Vorschrift haben sich die Gerichte so weit wie möglich an Wortlaut und Zweck der RL zu orientieren. Nach der RL ist der verfahrensrechtliche Geschäftsgeheimnisschutz nur dann zu gewähren, wenn es sich um ein Verfahren handelt, das den rechtswidrigen Erwerb, die rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung eines Geheimnisses zum Gegenstand hat. Die Norm ist daher nicht anwendbar, wenn das Geschäftsgeheimnis nur beiläufig zu Tage tritt.

Es werden somit nur Verfahren nach § 26c UWG erfasst, bei denen die rechtswidrige Erlangung oder Verwendung des Geschäftsgeheimnisses den Verfahrensgegenstand an sich bildet (Thiele in Wiebe/Kodek, UWG2 § 26h Rz 10; Rassi in ipCompetence 2019/21, 28). Gerade in jenen Verfahren, die die RL vor Augen hat, ist es erforderlich, die Art der Information zu bewerten, die Gegenstand des Rechtsstreits ist. Inhaber von Geschäftsgeheimnissen sollen aber aufgrund der Notwendigkeit der Prüfung im Gerichtsverfahren nicht von der gerichtlichen Durchsetzung abgeschreckt werden (GG-RL ErwGr 24 f).

Eine Ausdehnung auf Verfahren, die nicht der Wahrung und Durchsetzung von Geschäftsgeheimnissen dienen, lässt sich aus diesem Normzweck nicht ableiten. In solchen Verfahren kommen die allgemeinen Regeln zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen zur Anwendung (§§ 298 Abs 2, 305 Z 4, 321 Abs 1 Z 5, 380 Abs 1 ZPO).

Aber auch systematisch-logische Erwägungen sprechen für dieses Ergebnis. Hätte der Gesetzgeber eine generelle Anwendung auch in anderen Verfahren über den Regelungsbereich der GG-RL hinaus intendiert, wäre eine Regelung in den allgemeinen Verfahrensgesetzen zu erwarten gewesen, und nicht im Rahmen wettbewerbsrechtlicher Sondervorschriften zur Durchsetzung von Geschäftsgeheimnissen.

Akteneinsicht

Auch sonst ergibt sich keine gesetzliche Grundlage, die Unterlagen von der Akteneinsicht auszunehmen:

Soweit sich die Kuratoren und der Miterbe darauf berufen, durch die Zugänglichmachung der Unterlagen gegen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse zu verstoßen, wäre es ihnen offen gestanden, die Urkundenvorlage allenfalls gem § 35 AußStrG iVm § 305 Z 4 ZPO zu verweigern. Wurden die Unterlagen aber ins Verfahren eingebracht, besteht keine Grundlage dafür, dass der maßgebende Prozessstoff nur einem Sachverständigen zugänglich gemacht wird (vgl RS0119631).

Dass die Witwe auf allfällige Pflichtteilsergänzungsansprüche iZm den Gesellschaftsanteilen verzichtet hat, ändert nichts an ihrer Rechtsstellung als Partei des Verlassenschaftsverfahrens und dem daraus resultierenden (grds uneingeschränkten) Akteneinsichtsrecht. Eine Abwägung allfälliger Geheimhaltungsinteressen gegen das Einsichtsinteresse ist gem § 22 AußStrG iVm § 219 Abs 2 ZPO im Verhältnis zu Dritten vorgesehen, nicht aber bei einer Verfahrenspartei.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32912 vom 11.08.2022