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Mit dem EU-Finanz-Anpassungsgesetz 2019, BGBl I 2019/62, (in Kraft seit 23. 7. 2019) wurde die Qualifikationsnorm des § 38 FinStrG ersatzlos aufgehoben; sie hatte unter dem Titel „Strafe bei gewerbsmäßiger Tatbegehung“ ua für Abgabenhinterziehung eine Geldstrafe bis zum Dreifachen des strafbestimmenden Wertbetrags angedroht sowie „daneben ... nach Maßgabe des § 15“ FinStrG bei einem strafbestimmenden Wertbetrag bis zu € 500.000 eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren (Abs 1 zweiter Satz erster Fall). Gleichzeitig wurde in § 33 FinStrG (Abgabenhinterziehung) die Freiheitsstrafe, die § 33 Abs 5 FinStrG neben einer Geldstrafe (bis zum Zweifachen des Verkürzungsbetrags) androht, von bis zu zwei Jahren auf bis zu vier Jahre angehoben. Die (Grund-)Tatbestände des § 33 (Abs 1, Abs 2 lit a und lit b) FinStrG blieben jeweils unverändert. Gewerbsmäßige Begehungsweise wurde (ausdrücklich) als Strafzumessungsgrund normiert (§ 23 Abs 2 FinStrG idgF).
Bei einer gesetzlichen Änderung zwischen Tatzeitpunkt und Urteil verlangt § 4 Abs 2 FinStrG einen Günstigkeitsvergleich, der im vorliegenden Fall zu folgendem Ergebnis führt:
Erfüllt eine Tat die Tatbestandselemente des § 33 FinStrG und des § 38 FinStrG in der zur Tatzeit geltenden Fassung und übersteigt der strafbestimmende Wertbetrag € 500.000 nicht (vgl § 38 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall FinStrG in den Fassungen ab BGBl I 2004/57) ist das Urteilszeitrecht (§ 33 FinStrG idgF) dem Angeklagten nicht günstiger als die Normenlage zur Tatzeit, obwohl die angedrohte Geldstrafe in § 33 Abs 5 FinStrG niedriger ist und eine Freiheitsstrafe nur „nach Maßgabe“ des § 15 FinStrG zu verhängen ist (also nur, „wenn dies spezial- oder generalpräventive Gründe verlangen“).
In solchen Fällen ist die Tat daher nicht § 33 FinStrG idgF zu subsumieren, sondern §§ 33, 38 FinStrG in der zur Tatzeit geltenden Fassung.
OGH 11. 12. 2019, 13 Os 88/19v
Entscheidung
§ 4 Abs 2 FinStrG ordnet (anders als § 61 StGB) grundsätzlich die Anwendung des Tatzeitrechts an, es sei denn, die im Urteilszeitpunkt geltende Rechtslage wäre für den Täter günstiger. Zwischengesetze, also Normen , die zum Zeitpunkt der Tat noch nicht und bei Urteilsfällung erster Instanz nicht mehr dem Rechtsbestand angehörten, haben bei diesem Vergleich außer Betracht zu bleiben (RIS-Justiz RS0114587).
Bei dem Günstigkeitsvergleich ist die jeweilige Rechtslage in ihrer Gesamtauswirkung zu betrachten (RIS-Justiz RS0118096 und RS0119085). Er hat nicht abstrakt, sondern streng fallbezogen zu erfolgen (RIS-Justiz RS0119085 [T1]), weil nach dem Gesetz das für den Täter günstigere Recht anzuwenden ist. Fragen der Strafbemessung im konkreten Fall innerhalb des Bereichs der gesetzlichen Strafdrohung haben dabei jedoch außer Betracht zu bleiben (RIS-Justiz RS0091928 und RS0091850 [T2]).
Im vorliegenden Fall erfüllen nach den Feststellungen sämtliche vom Schuldspruch A erfasste Taten die Tatbestandselemente des im Zeitpunkt der Taten geltenden § 38 FinStrG idF BGBl I 2012/112 (zu A/1 und A/3) und idF BGBl I 2015/163 (zu A/2 und A/4). Die Grundtatbestände (§ 33 Abs 1 und § 33 Abs 2 lit a FinStrG) blieben während des gesamten Zeitraums unverändert.
§ 33 Abs 5 erster Satz FinStrG in der zu sämtlichen Tatzeitpunkten geltenden Fassung BGBl I 2013/14 bedrohte die Abgabenhinterziehung mit einer Geldstrafe (§ 16 FinStrG) bis zum Zweifachen des strafbestimmenden Wertbetrags (§ 53 Abs 1 FinStrG). Daneben sah Abs 5 letzter Satz des § 33 FinStrG idF BGBl I 2013/14 die Verhängung einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren nach Maßgabe des § 15 FinStrG vor. § 15 Abs 2 FinStrG sieht vor (unverändert seit 1. 1. 2011), dass in den Fällen, in denen nicht zwingend eine Freiheitsstrafe auszusprechen ist, nur dann auf eine Freiheitsstrafe erkannt werden darf, wenn dies spezial- oder generalpräventive Gründe verlangen.
Bei gewerbsmäßiger Begehung erweiterte § 38 FinStrG in den Tatzeitfassungen (BGBl I 2012/112 und BGBl I 2015/163) – soweit hier von Bedeutung – für Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung die Geldstrafdrohung auf das Dreifache des strafbestimmenden Wertbetrags (§ 38 Abs 1 erster Satz FinStrG) und die angedrohte Freiheitsstrafe (§ 15 FinStrG) auf maximal drei Jahre (§ 38 Abs 1 zweiter Satz erster Fall FinStrG).
Mit Inkrafttreten des Art 4 EU-FinAnpG 2019 BGBl I 2019/62 am 23. 7. 2019 wurde § 38 FinStrG ersatzlos aufgehoben und die Freiheitsstrafe in § 33 Abs 5 FinStrG auf bis zu vier Jahre erhöht. Die Absicht, sich (oder einem Verband, als dessen Entscheidungsträger der Täter handelte) durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine nicht nur geringfügige fortlaufende Einnahme zu verschaffen, wurde als Erschwerungsgrund in § 23 Abs 2 FinStrG aufgenommen (vgl 644 BlgNR 26. GP 41).
Ausgehend von der Strafdrohung des § 33 Abs 5 FinStrG idgF, der neben der unverändert gebliebenen Geldstrafdrohung bis zum Zweifachen des strafbestimmenden Wertbetrags nunmehr die Verhängung einer Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren vorsieht, ist daher die Normenlage zum Urteilszeitpunkt – in ihrer fallkonkreten Gesamtauswirkung – nicht günstiger als die Normenlage zur Tatzeit. Denn § 38 FinStrG idF BGBl I 2012/112 und idF BGBl I 2015/163 erweiterte zwar die Geldstrafdrohung für Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung auf das Dreifache des strafbestimmenden Wertbetrags, erhöhte aber die diesbezüglich angedrohte Freiheitsstrafe (nur) auf maximal drei Jahre (eine Freiheitsstrafe stellt gegenüber der Geldstrafe das schwerer wiegende Übel dar; RIS-Justiz RS0115529).
Dass neben der zu verhängenden Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe lediglich dann erkannt werden darf, wenn dies spezial- oder generalpräventive Gründe verlangen (§ 15 Abs 2 FinStrG), und dass nunmehr gewerbsmäßige Begehung einen Erschwerungsgrund darstellt, sind Aspekte der Strafbemessung und solcherart – wie dargelegt – für den Günstigkeitsvergleich nach nach § 4 Abs 2 FinStrG nicht von Bedeutung.