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Gewinnerzielungsabsicht bei Forschungstätigkeiten

Bearbeiter: Jürgen Romstorfer

LVO: § 2 Abs 1 Z 1 bis 6

Abstract

Der VwGH hatte sich im vorliegenden Fall mit einer (atypisch) stillen Gesellschaft zu beschäftigen, die im Bereich der Forschung tätig war. Sie erzielte von 2009 bis 2018 aufgrund der Forschung nur Verluste und stellte im Jahr 2018 ihre Tätigkeit ohne Entwicklung eines marktfähigen Produkts ein. Da das BFG das Unterbleiben der Entwicklung eines marktfähigen Produktes wesentlich seiner Würdigung zugrunde legte und es verabsäumte zu würdigen, dass die Rw an mehreren Ausschreibungen teilnahm, was auf den Willen zur Entwicklung eines marktfähigen Produktes schließen lassen könnte, hob der VwGH das Erkenntnis des BFG auf.

VwGH 20. 2. 2024, Ra 2022/15/0026

Sachverhalt

Die Revisionswerberin (Rw) ist eine aus der I GmbH und mehreren natürlichen Personen bestehende (atypische) stille Gesellschaft. Das Unternehmen war in der Forschung tätig und verfügte für das Forschungsprojekt EC über Ausrüstung zur Konstruktion mit einem modernen 3D-CAD-System, einen Prüfstand und ein Forschungslabor. In den Jahren 2009 bis 2016 erzielte die Rw Verluste iHv € 1.960.558,83. Von 2009 bis 2016 erhielt die Rw keinen einzigen Auftrag zu ihrem Forschungsprojekt und bis zum Ende der Forschungstätigkeit im Jahr 2018 gab es kein fertiges Produkt. Es wurden jedoch immer wieder potenzielle Interessenten kontaktiert.

In seinem Erkenntnis, das die Jahre 2012 bis 2014 betraf, prüfte das BFG die Kriterien des § 2 Abs 1 Z 1 bis 5 LVO. Diese sprächen nach Ansicht des BFG für das Vorliegen von Liebhaberei. Strukturverbessernde Maßnahmen gem § 2 Abs 1 Z 6 LVO wurden nach Ansicht des BFG nicht getätigt. Dem Vorbringen der Rw, wonach drei Prototypen entwickelt wurden, was als strukturverbessernde Maßnahme anzusehen sei, folgte das BFG nicht, weil die Entwicklung von Prototypen Grundvoraussetzung für die Entwicklung eines Produkts sei. Entscheidend war nach Ansicht des BFG, dass – unabhängig von längeren Anlaufverlusten – ein planvolles Hinarbeiten auf eine Erfindung sowie ein seriöses Bemühen um eine wirtschaftliche Verwertung stattfindet, was hier nicht der Fall gewesen sei. Gegen das Erkenntnis des BFG erhob die Rw ao Revision. Darin brachte sie vor, dass sie in den Jahren 2010 bis 2018 Marktrecherchen durchführte und versuchte, weitere Mittel zu akquirieren. Dafür hat sie gemeinsam mit einer Reederei an einer EU-Projekteinreichung teilgenommen, wobei die Anträge mit 12 von 15 Punkten sehr gut bewertet wurden. Daneben nahm die Rw auch an mehreren Ausschreibungen von Reedereien und einem Biokraftwerk teil. Des Weiteren unterzog sich die Rw einem Innovationscheck der FFG, in dem die technologischen Aussichten positiv bewertet wurden.

Entscheidung des VwGH

Fallen bei Betätigungen iSd § 1 Abs 1 LVO Verluste an, ist das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht anhand der in § 2 Abs 1 Z 1 bis 6 LVO genannten Kriterien zu beurteilen. Dabei kommt dem Kriterium „Bemühung zur Verbesserung der Ertragslage durch strukturverbessernde Maßnahmen“ gem § 2 Abs 1 Z 6 LVO besondere Bedeutung zu (VwGH 20. 11. 2012, 2008/13/0065). Diese Kriterien wurden vom BFG geprüft. Nach Ansicht des VwGH berücksichtigte es dabei aber nicht die Besonderheiten von Forschungstätigkeiten und würdigte den Umstand, dass noch kein marktfähiges Produkt entwickelt wurde, ausschließlich zu Lasten der Rw.

Das BFG hat darüber hinaus verabsäumt, Feststellungen zu den EU-Ausschreibungen zu treffen, an denen die Rw teilnahm, obwohl sich die dafür benötigten Unterlagen sowie die gute Bewertung im Akt des BFG befinden. Gerade aus diesen Unterlagen ergibt sich aber möglicherweise, dass die Rw bemüht war, weitere Mittel für die Entwicklung des Produkts zu akquirieren und damit die Ertragslage zu verbessern. Darüber hinaus belegen diese Unterlagen auch, dass sich das Produkt in Zukunft wirtschaftlich nutzen lässt. Der Umstand, dass die Anträge nicht erfolgreich waren, ist nicht entscheidend. Da das BFG die für den Standpunkt der Rw sprechenden Umstände zu wenig beachtete, belastete es sein Erkenntnis mit einer prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der VwGH hob das Erkenntnis hinsichtlich der Jahre 2012 bis 2014 somit auf.

Conclusio

Die Ausführungen des VwGH überzeugen. In seinem Erkenntnis setzte sich das BFG zwar ausführlich mit der Entwicklung des Produktes und auch den prognostizierten Gewinnen auseinander, es unterließ aber die Würdigung der Teilnahme an den Ausschreibungen, die jedoch darauf schließen lassen könnte, dass sehr wohl ein marktfähiges Produkt entwickelt werden sollte. Ob das BFG im fortgesetzten Verfahren die Gewinnerzielungsabsicht aber allein auf Grund der Teilnahme an einigen Ausschreibungen bejahen wird, obwohl schon mehrere Jahre Anlaufverluste erzielt und die Umsatzprognosen bei weitem verfehlt wurden, bleibt mit Spannung abzuwarten.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35729 vom 02.08.2024