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GmbH – Beschlussfeststellungsklage

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

GmbHG: § 41, § 42

ZPO: § 228

Mangelt es an der Feststellung eines bestimmten Beschlussergebnisses durch einen kraft Gesellschafterbeschlusses eindeutig legitimierten Vorsitzenden oder gingen die Gesellschafter bei Schluss der Generalversammlung nicht übereinstimmend von einem bestimmten Beschlussergebnis aus, so ist die Feststellungsklage ein geeignetes Mittel zur Klärung der Frage, was eigentlich beschlossen wurde. Der Beschluss gilt diesfalls als angenommen oder abgelehnt, wie es der materiellen Rechtslage entspricht. Bei einer solchen Sachlage bedarf es daher keiner Anfechtungsklage gem § 41 GmbHG.

Einer solchen Beschlussfeststellungsklage, die grundsätzlich nach § 228 ZPO erhoben wird und somit nur die Streitparteien binden würde, ist eine Rechtskrafterstreckung analog zu § 42 Abs 6 GmbHG zuzuerkennen, sodass sie nicht nur gegen die beklagte Gesellschaft, sondern auch gegen die Mitgesellschafter wirkt. Die Frist nach § 41 Abs 4 GmbHG (für eine Anfechtungsklage) ist auf diese Beschlussfeststellungsklage nicht (analog) anzuwenden.

OGH 19. 12. 2019, 6 Ob 105/19p

Sachverhalt

Die Kl ist zu 32 % Gesellschafterin der Bekl, die Nebenintervenientin hält die restlichen 68 % der Geschäftsanteile. Die Bekl betreibt allein in Österreich ein Filialnetz von Drogeriemärkten mit rund 400 Filialen.

Die kl P ist eine Konzerngesellschaft des S*****-Konzerns. Die Beteiligung der S*****-Gruppe an der Bekl erfolgte im Jahr 1981. Der S*****-Konzern betreibt Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte, insb Supermärkte, hingegen keine Drogeriefachmärkte. Das Sortiment der Supermärkte umfasst allerdings zum Teil auch Produkte, die in Drogeriefachmärkten angeboten werden.

Nach § 9 des Gesellschaftsvertrags der bekl P werden Beschlüsse, soweit der Gesellschaftsvertrag oder das Gesetz nichts anderes bestimmt, mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst (§ 9 Abs 6). Außer den im Gesetz vorgesehenen Aufgaben hat die Generalversammlung über ein jährliches Budget inklusive Investitionsplan zu beschließen (§ 9 Abs 6 Satz 2). Die Beschlussfassung über den jährlichen Investitionsplan bedarf einer Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen, sofern darin Investitionen enthalten sind, deren gemeinsame Summe 2 % des Bruttoumsatzes des Vorjahres übersteigt (§ 9 Abs 7 lit d).

Am 27. 2. 2018 fand eine außerordentliche Generalversammlung der Bekl statt, bei der der Antrag der Nebenintervenientin zur Abstimmung gelangte, wonach „die Gesellschafter gem § 9 Abs 6 iVm § 9 Abs 7 lit d des Gesellschaftsvertrags das Budget inklusive Investitionsplan für das Geschäftsjahr 2017/2018 so wie von der Geschäftsführung vorgelegt [beschließen]“. Die Schwelle für die qualifizierte Mehrheit war bei der Beschlussfassung am 27. 2. 2018 überschritten. Die Kl stimmte gegen den Antrag, die Nebenintervenientin dafür. Der Vertreter der Nebenintervenientin, der mehrheitlich zum Vorsitzenden der Generalversammlung bestellt worden war und bei dieser Abstimmung ein Stimmverbot und eine treuwidrige Stimmabgabe durch die Kl geltend gemacht hatte, traf keine Feststellung, ob der Antrag nun angenommen oder abgelehnt worden war. Sowohl die Kl als auch die Nebenintervenientin gaben jeweils einen Widerspruch zu Protokoll.

Die Kl begehrt die Feststellung, dass der genannte Beschlussantrag der Nebenintervenientin mangels erforderlicher Mehrheit abgelehnt worden sei, sodass ein Beschluss über das Budget der Bekl für 2017/2018 nicht zustande gekommen sei.

Die Bekl und die Nebenintervenientin wendeten ua ein, die Kl habe trotz eines sie betreffenden Stimmverbots ihre Stimme abgegeben und darüber hinaus treuwidrig abgestimmt. Die Kl gehöre zum S*****-Konzern. Dieser sei als Wettbewerber der Bekl einzustufen, weil sich deren Sortiment zum überwiegenden Teil überschneide. Käme der Kl ein Stimmrecht beim Investitionsplan zu, könnte sie massiv in das Investitionsverhalten der Bekl und somit in einen zentralen Bestandteil des Marktverhaltens eines Wettbewerbers eingreifen und das Investitionsverhalten zugunsten des S*****-Konzerns steuern. Die Teilnahme der Kl an der Abstimmung zu diesem Beschlussantrag stelle eine kartell- und wettbewerbsrechtlich unzulässige abgestimmte Verhaltensweise dar. Darüber hinaus bestehe bei der Kl ein evidenter Interessenskonflikt, liege doch aus deren Sicht ein erhebliches Interesse vor, das Investitionsverhalten der Bekl zu beeinträchtigen, um sich als Gesellschaft innerhalb des S*****-Konzerns einen Vorteil zu verschaffen.

Dem Klagebegehren wurde in allen drei Instanzen stattgegeben.

Entscheidung

Beschlussfeststellungsklage

Der OGH bejahte zunächst die Zulässigkeit und die Rechtzeitigkeit der Beschlussfeststellungsklage (vgl auch oben die Ausführungen oben im Leitsatz). Daher war – anhand der materiellen Rechtslage – zu prüfen, ob der Antrag der Nebenintervenientin in der außerordentlichen Generalversammlung vom 27. 2. 2018 als angenommen oder als abgelehnt zu gelten hat.

Wettbewerbsverhältnis

Hinsichtlich der Frage des Vorliegens eines Wettbewerbsverhältnisses schloss sich der OGH der Ansicht des Bundeskartellamtes an, dass Drogeriefachmärkte untereinander in einem engen Wettbewerbsverhältnis sehen, während die Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen Drogeriemärkten gegenüber entfernte Wettbewerber darstellen.

Keine Anwendung des Konzernprivilegs

Das Kartellverbot erfasst Tatbestandshandlungen zwischen Unternehmen, nicht aber innerhalb eines Unternehmens.

Nach stRsp werden Maßnahmen zwischen herrschender und beherrschter Gesellschaft nicht von Art 101 AEUV erfasst, soweit die beherrschten Gesellschaften ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmen können, sondern Weisungen der beherrschenden Gesellschaft unterliegen. Die beherrschende Gesellschaft und die beherrschte Gesellschaft bilden unabhängig von der gesellschaftsrechtlichen Organisation eine wirtschaftliche Einheit und damit ein einheitliches Unternehmen iSd Art 101 AEUV (EuGH Rs C-170/83, Hydrotherm Gerätebau GmbH Rz 11, EU:C:1984:271). Dieses Konzernprivileg greift nicht vorliegenden Fall:

Im vorliegenden Fall besteht durch das Erfordernis einer Dreiviertelmehrheit für Investitionen, deren gemeinsame Summe 2 % des Bruttoumsatzes des Vorjahres übersteigt, erheblicher Einfluss der kl P auf die strategische Ausrichtung der Bekl. Der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass das Erfordernis einer Dreiviertelmehrheit der kl P eine Sperrminorität vermittelt, entgegen der Diktion der Bekl aber kein „Vetorecht“ im technischen Sinn. Die Kl kann vielmehr schon das Zustandekommen eines Beschlusses verhindern. Für die kartellrechtliche Beurteilung ist dieser Unterschied je doch nicht ausschlaggebend. Aufgrund der relativ geringen Umsatzschwelle ist es weitgehend ausgeschlossen, strategische Entscheidungen im Unternehmen gegen den Willen der kl P zu treffen. Zusätzlich sieht der Gesellschaftsvertrag für beide Gesellschafter Entsendungsrechte in den Aufsichtsrat vor, wobei Entscheidungen über zustimmungspflichtige Geschäfte die Zustimmung der von beiden Gesellschaftern entsandten Mitglieder erfordert.

Wenngleich daher der kl P kein unmittelbarer Einfluss auf die Geschäftsführung und das Tagesgeschäft der Bekl zukommt, kommt ihr doch schon durch das Mehrheitserfordernis für 2 % des Bruttoumsatzes des Vorjahres übersteigende Investitionen in einem entscheidenden Punkt negative Kontrolle zu, was für die Annahme gemeinsamer Kontrolle ausreicht.

Der bekl P verbleibt allerdings ein eigenständiger Handlungsbereich der Geschäftsführung, die im laufenden Geschäftsbetrieb frei von Weisungen der kl P agieren kann. In diesem Fall ist das Konzernprivileg nicht anzuwenden (vgl zur Zusammenarbeit von vier selbstständigen Unternehmen in einem Gemeinschaftsunternehmen die Entscheidung der Kommission im Fall IJC, ABl EG 1991, L 28, 32, 40 Rz 24). Damit greift das Konzernprivileg im vorliegenden Fall nicht, sodass der vorliegende Fall auch unter dem Aspekt des Art 101 AEUV zu prüfen ist.

Keine Verhaltenskontrolle nach Art 101 AEUV

Die rückwirkende Anwendung von EU-Recht auf (wie hier) vor dem EU-Beitritt Österreichs erfolgte Zusammenschlüsse ist ausgeschlossen. Eine solche vom Unionsrecht gerade nicht gewollte nachträgliche Strukturkontrolle iS eines Zusammenschlusskontrollersatzes darf auch nicht über den Umweg der Prüfung einzelner Kontrollausübungsmaßnahmen nach Art 101 AEUV erfolgen. Dies kann entgegen der Rechtsansicht der bekl P auch nicht dadurch umgangen werden, dass zwar nicht die Begründung von Rechten, sondern nur deren „Wahrnehmung“ an Art 101 AEUV zu messen sei. Damit würde der Unterschied zwischen Verhaltens- und Strukturkontrolle verwischt. Diese Auffassung führte nämlich dazu, dass die Rechte aus dem Gesellschaftsvertrag zwar wirksam entstanden sind, aber nie ausgeübt werden dürften. Dies vermag nicht zu überzeugen.

Zusammenfassend unterliegt somit der nach damaliger Rechtslage wirksame Kontrollerwerb – von den angeführten Ausnahmen abgesehen – nicht der Verhaltenskontrolle nach Art 101 AEUV. Damit ist die Ausübung der Einflussrechte der kl P in der bekl P Ergebnis der Erlangung gemeinsamer Kontrolle und unterliegt sohin grundsätzlich nicht Art 101 AEUV. Die gesellschaftlichen Mitwirkungsrechte stellen vielmehr einen Teil der strukturellen Verbindung zwischen den beteiligten Gesellschaften dar.

Diese Kontrollrechte stehen freilich nicht unbeschränkt zu, sondern nur im Rahmen dessen, was zur Ausübung der effektiven Wahrnehmung dieser Rechte notwendig ist. Im Bereich der laufenden Geschäftsführung im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb besteht nach dem Gesagten ein eigenständiger Verhaltensspielraum der Bekl. Dazu gehören – worauf der Vollständigkeit halber hinzuweisen ist – auch Preis- und Angebotsentscheidungen im laufenden Geschäftsbetrieb. Diesbezügliche Informationen sind nicht zwingend erforderlich, um strategische Investitionsentscheidungen zu treffen und den von der Satzung geforderten jährlichen Investitionsplan, sofern darin Investitionen von über 2 % des Bruttoumsatzes des Vorjahres vorgesehen sind, gemeinsam zu beschließen.

Kein Stimmverbot, keine Treuwidrigkeit

Im vorliegenden greift kein Stimmverbot (auch nicht analog). Ebenso verneinte der OGH eine Treuwidrigkeit der Stimmabgabe der Kl.

Keine teilweise Beschlussfeststellung bzw Nichtigerklärung

Im vorliegenden Fall sind das Budget und der Investitionsplan untrennbar miteinander verbunden. Eine isolierte Beschlussfassung über das Budget ohne den Investitionsplan war nicht möglich. Anders als in dem der Entscheidung 6 Ob 213/16s (= Rechtsnews 23116 = RdW 2017/240) zugrunde liegenden Sachverhalt, der die Beschlussfassung über eine Sonderprüfung sowie die Tragung deren Kosten betraf, liegt im vorliegenden Fall ein einheitlicher Beschluss und nicht eine Abstimmung über zwei voneinander unabhängige Themen vor.

Die teilweise Nichtigerklärung eines Gesellschafterbeschlusses ist nicht möglich, wenn durch die Zusammenfassung mehrerer Beschlussgegenstände in einem einheitlichen Abstimmungsvorgang erkennbar ist, dass der Beschluss eine rechtliche und/oder wirtschaftliche Einheit bilden soll (6 Ob 104/17p, Rechtsnews 25188 = RdW 2018/273). Dies gilt in gleicher Weise für die teilweise Annahme bzw Ablehnung eines Beschlusses. Im vorliegenden Fall konnte wegen des untrennbaren Sachzusammenhangs zwischen Investitionsplan und Budget der zugrunde liegende Antrag nur zur Gänze angenommen oder abgelehnt werden. Dies wird noch durch die Formulierung im gegenständlichen Beschlussantrag unterstrichen, der eine Beschlussfassung über das Budget inklusive Investitionsplan vorsah.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 28824 vom 30.03.2020