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GmbH – keine Auflösungsklage aus wichtigem Grund

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

GmbHG: § 77, § 84

UGB: § 133, § 140

Der OGH hat bereits ausgesprochen, dass – entgegen verbreiteter Lehrmeinungen – eine Auflösungsklage der Gesellschafter unzulässig ist, wenn der Gesellschaftsvertrag keine diesbezüglichen Regelungen enthält. Es liegt keine planwidrige Gesetzeslücke vor. Der Gesetzgeber hat die nach deutschem Recht (§ 61 dGmbHG) zulässige Möglichkeit einer Klage auf Auflösung der Gesellschaft bewusst nicht übernommen.

Im vorliegenden Fall ist daher – mangels diesbezüglichen Regelungen im Gesellschaftsvertrag – die Auflösung der GmbH aus wichtigem Grund durch den Mitgesellschafter mittels Klage nicht möglich. Die außerordentliche Revision zeigt keine Argumente auf, die nicht bereits Eingang in die Judikatur gefunden hätten. Es wurde bereits ausgesprochen, dass weder die personalistische Struktur der betroffenen GmbH (vgl 4 Ob 216/01w) noch Judikaturlinien des OGH zu anderen Rechtsfragen (vgl 1 Ob 135/06v, RdW 2007/306) Anlass für eine „rechtsfortbildende Etablierung“ einer entsprechenden Klagsmöglichkeit geben. Auch dem mittlerweile entwickelten Rechtsgrundsatz der Auflösbarkeit von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund wurde im Hinblick auf die GmbH bereits vom (historischen) Gesetzgeber Rechnung getragen, indem er dem Gesellschafter mit § 77 GmbHG die Möglichkeit gab, aus wichtigen Gründen auch ohne Zustimmung der Gesellschaft seinen Geschäftsanteil zu übertragen, ohne dass die Gesellschaft selbst aufgelöst werden müsste.

OGH 4. 6. 2025, 6 Ob 170/24d

Entscheidung

Bisherige Rsp

-Unzulässikeit einer Auflösungsklage der Gesellschafter, wenn der Gesellschaftsvertrag keine diesbezüglichen Regelungen enthält; vgl 3 Ob 57/00d, RdW 2001/374; 4 Ob 216/01w; 1 Ob 600/53;
-keine planwidrige Gesetzeslücke, daher keine analoge Anwendung von § 133 UGB (Auflösung der Gesellschaft durch gerichtliche Entscheidung aus wichtigem Grund) oder § 140 UGB (zwangsweiser Ausschluss eines Gesellschafters) und keine Rechtsanalogie durch Einordnung der GmbH in die jederzeit aus wichtigen Gründen lösbaren Dauerschuldverhältnisse; vgl 6 Ob 80/11z [ErwGr 1.], RdW 2012/92; 1 Ob 135/06v, RdW 2007/306; 4 Ob 216/01w; 3 Ob 57/00d, RdW 2001/374; 6 Ob 657/95, RdW 1996, 264; RS0114677;
-deutsches Recht (§ 61 dGmbHG) bewusst nicht übernommen; vgl 3 Ob 57/00d RdW 2001/37; 1 Ob 600/53;
Ausreichen der Auflösung der Gesellschaft durch einfachen Mehrheitsbeschluss und Abtretung der Anteile unter den Voraussetzungen des § 77 GmbHG; vgl 3 Ob 57/00d, RdW 2001/37; vgl 236 BlgHH 17. Session 91; 272 BlgHH 17. Session 14;
Tendenz des Gesetzes, den Bestand der von den Gesellschaftern unabhängig und selbstständig vorhandenen Gesellschaft zu erhalten; vgl 1 Ob 600/53; 3 Ob 57/00d, RdW 2001/37;
-Kein Anlass für eine „rechtsfortbildende Etablierung“ einer entsprechenden Klagsmöglichkeit im Hinblick auf die personalistische Struktur der betroffenen GmbH (vgl 4 Ob 216/01w) oder Judikaturlinien des OGH zu anderen Rechtsfragen (vgl 1 Ob 135/06v, RdW 2007/306).

Überlegungen des historischen Gesetzgebers

Auch dem mittlerweile entwickelten Rechtsgrundsatz der Auflösbarkeit von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund wurde im Hinblick auf die GmbH bereits vom (historischen) Gesetzgeber Rechnung getragen. Danach steht die „juristische Unfreiheit[,] durch einen unübersehbaren Zeitraum hindurch [an die Gesellschaft gebunden zu sein], […] nicht in Einklange mit dem Geiste des österreichischen bürgerlichen Gesetzbuches (§ 832, § 1208 [aF]) und widerspricht geradezu [...] den Bestimmungen des Handelsgesetzbuches Artikel 123, 124, wonach sogar eine ausdrücklich auf Lebenszeit eingegangene Gesellschaft sechs Monate vor Ablauf des Geschäftsjahres gekündigt werden kann […].“ Daher sei „dem Gesellschafter [...] die Möglichkeit zu geben, aus wichtigen Gründen auch ohne die nach dem Gesellschaftsvertrage notwendige Zustimmung der Gesellschaft seinen Geschäftsanteil zu übertragen und sich und seine Erben aus der dauernden juristischen Gebundenheit zu befreien, so dass für ihn der Zwang, Gesellschafter zu bleiben, aufhört, ohne dass auch für die anderen die Gesellschaft selbst aufgelöst zu werden braucht. Der neue § 77 [GmbHG] gestattet demnach, dass die sonst notwendige Zustimmung der Gesellschaft […] durch den Ausspruch des Richters ersetzt werden kann […].“ (272 BlgHH 17. Session 14).

Eventualbegehren

Das BerufungsG hat iZm dem Eventualbegehren (Zustimmung des bekl Mitgesellschafters zur Auflösung) den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung als nicht gesetzmäßig ausgeführt erachtet. Dies wurde in der Revision nicht als Mangelhaftigkeit bekämpft, weshalb dem OGH die sachrechtliche Überprüfung verwehrt ist (RS0043231). Das gilt auch dann, wenn das BerufungsG – wie hier – zunächst zwar ausführt, dass die Berufung keine dem Gesetz gem ausgeführte Rechtsrüge enthalte, darüber hinaus aber noch ohne nähere Begründung die im Urteil des ErstG enthaltene rechtliche Beurteilung billigt (RS0043231 [T8, vgl auch T2, T5]).

Ob im vorliegenden Fall als Grundlage für das in eventu erhobene Zustimmungsbegehren die Treuepflicht unter den Gesellschaftern einer GmbH (vgl RS0026106) fruchtbar gemacht werden kann (vgl dazu die durchaus beachtlichen Argumente etwa bei Gelter in Gruber/Harrer, GmbHG² § 84 Rz 46a), ist daher nicht zu beantworten.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 37035 vom 14.08.2025