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Bei der Gründung der GmbH war hier eine Treuhandkonstruktion gewählt worden, bei der die Treuhänderin, eine britische Limited, als (Allein-)Gesellschafterin der GmbH auftrat; die Ltd leistete die Stammeinlage nur zur erforderlichen Hälfte. Nach Löschung der Ltd aus dem englischen Register begehrt nun die Masseverwalterin im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH die Leistung der restlichen Stammeinlage von den Treugebern.
Nach stRsp sind nach dem Trennungsprinzip Gesellschaftsbeteiligung und Treuhandverhältnis voneinander zu trennen und ist aus dem bloßen Umstand des Vorliegens eines Treuhandverhältnisses noch keine Haftung des Treugebers für die Leistung der Stammeinlage durch den Treuhänder abzuleiten. Die abstrakte Gefahr, dass die Gläubiger der GmbH bei einem finanzschwachen Treuhänder auf dessen mögliche Befreiungsansprüche gegen den Treugeber verwiesen wären, reicht dafür alleine nicht aus.
Im Hinblick auf den Zweck des § 63 Abs 1 GmbHG, der va die Kapitalaufbringung sicherstellen soll, ist auch nicht ausschlaggebend, ob der Treugeber gesellschaftsintern mit Leitungs- oder Herrschaftsrechten ausgestattet ist – wie hier als faktischer Geschäftsführer der GmbG –, dem Treugeber also eine mitbeherrschende Rechtsposition zukommt.
Ausnahmsweise haftet aber auch der Treugeber für die Einlagepflicht, wenn die Zwischenschaltung eines Treuhänders offenkundig Umgehungs- bzw Missbrauchszwecken dient. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn der Treuhänder nur deshalb eingeschaltet wurde, um eine diesbezügliche Haftung des Treugebers zu vermeiden und der Treuhänder von vornherein nicht über die erforderlichen wirtschaftlichen Mittel verfügt, seiner Verpflichtung zur Leistung der Stammeinlage nachzukommen („Strohmann“). In diesen Fällen ist ein erweiterter Haftungsfonds in Form der solidarischen Haftung des Treuhänders und des Treugebers für die Aufbringung der Stammeinlage auch im Hinblick auf den Schutz der Gesellschaftsgläubiger sachgerecht, der dann höher zu bewerten ist als die Treugeberinteressen. Die Gläubiger bleiben dadurch nicht auf den mit Unsicherheiten behafteten und aufwändigeren Weg über eine Pfändung und Überweisung eines im Regelfall bestehenden Befreiungsanspruchs des Treuhänders gegen den Treugeber verwiesen.
Sachverhalt
Im Jahr 2010 gründeten K* und P*, beide mit Wohnsitz in Österreich, die M* Ltd („M Ltd“) mit dem Registersitz in Großbritannien; ihr tatsächliche Hauptverwaltungssitz befand sich in Österreich.
Nachdem die Eintragung der M Ltd in das österreichische Firmenbuch abgelehnt worden war, gründete die M Ltd im Jahr 2012 als einzige Gesellschafterin eine GmbH mit Sitz in Österreich. Die notwendige Hälfte des Stammkapitals iHv 17.500 € wurde vom Geschäftskonto der M Ltd bei einer inländischen Bank gezahlt und zwischen K* und P* besprochen, dass es sich dabei jeweils zur Hälfte um 50 % ihrer jeweiligen Stammeinlage handeln solle. Die M Ltd konnte und sollte ihre Gesellschafterrechte betreffend den Hälfteanteilvon K* nur in dessen Sinne ausüben. Zweck dieser Treuhandhaltung war die Verschleierung der wirtschaftlichen Verhältnisse an der M GmbH. Alleiniger eingetragener Geschäftsführer der M GmbH war P*. Faktischer Geschäftsführer hingegen war K*, der betriebsintern und nach außen als Geschäftsführer auftrat und an der Spitze der Entscheidungshierarchie stand.
Die M Ltd wurde am 18. 12. 2018 aus dem englischen Register gelöscht. Im August 2019 wurde über das Vermögen der M GmbH das Konkursverfahren eröffnet und die Kl zur Masseverwalterin bestellt. Die restliche Stammeinlage haftete zu diesem Zeitpunkt mit 17.500 € aus, wobei mittlerweile ein Hälfteanteil von 8.750 € von P* bezahlt wurde. K* verstarb im August 2020 und die Kl begehrt nun von dessen Verlassenschaft die Zahlung von 8.750 € sA.
Die Vorinstanzen gaben dem Klagebehren statt.
Die ordentliche Revision der Bekl wurde vom OGH wegen des Fehlens höchstgerichtlicher Rsp betr einen unmittelbaren Anspruch auf Einzahlung der aushaftenden Stammeinlage gegen den Treugeber bei einer Treuhandkonstruktion wie hier für zulässig erachtet.
Entscheidung
Nach Ansicht des OGH kann ein Anspruch auf Zahlung der restlichen Stammeinlage hier nicht auf die Treugeberstellung des K* gestützt werden:
Die bei der Gründung der M GmbH gewählte Treuhandkonstruktion unter Beteiligung der M Ltd, die dazu diente, dass die wirtschaftlichen Eigentümer nach außen hin nicht in Erscheinung traten, führte per se nicht zu einer Haftung des K* für die Stammeinlage. Dass die wirtschaftliche Zuordnung der Gesellschaftsanteile zum Treugeber nicht offengelegt werden soll, entspricht dem Wesen der Treuhand und führt nicht von vornherein zu deren Missbilligung. Anders als bei der Kapitalerhaltung geht es hier auch nicht um Fragen der Rückzahlung verbotener Leistungen der Gesellschaft, bei der, va zur Missbrauchsverhinderung, eine wirtschaftliche Betrachtungsweise im Vordergrund steht.
Ebensowenig konnte die bloße (erlaubte) Inanspruchnahme der von der englischen Rechtsordnung bereitgestellten Gesellschaftsform der Limited rechtsmissbräuchlich sein, auch wenn dadurch im Inland gegebenenfalls bestehende höhere Anforderungen für die Kapitalaufbringung umgangen werden sollten (vgl 9 ObA 125/08k mwN, ARD 6030/5/2010). Dass der M Ltd, von deren Geschäftskonto überdies die Hälfte der Stammeinlage stammte, als Treuhänderin die Mittel zur Aufbringung der insgesamt übernommenen Stammeinlage von vornherein fehlten, wurde weder behauptet noch festgestellt.
Auf die Ausführungen der Revision, wonach eine Haftung des Treugebers für die Stammeinlage eine höchstpersönliche Verpflichtung und daher unvererblich sei, musste nicht mehr eingegangen werden.
Auch aus den Bestimmungen des UGB über die Haftung der Gesellschafter einer Offenen Gesellschaft ist für die Kl nichts zu gewinnen: Nach Löschung der M Ltd aus dem englischen Register besteht keine Restgesellschaft in Form einer OG (vgl dazu 6 Ob 178/14s = RdW 2015/551 betr eine vor dem Brexit gelöschten Ltd). Zu einer Gesamtrechtsnachfolge auf die Gesellschafter, die dann eine GesbR bilden, (oder den Alleingesellschafter) käme es lediglich bei einer im Zeitpunkt des Brexit existenten englischen Limited mit Verwaltungssitz im Inland (vgl 9 Ob 74/21d = RdW 2022/311; 10 Ob 41/21h; RS0134015). Das ist hier aber nicht der Fall.
Ob nach den weiteren geltend gemachten Anspruchsgrundlagen eine Haftung der Bekl besteht, konnte noch nicht beurteilt werden.
Hinweis:
Siehe zu dieser E auch das Editorial RdW 2023/113.