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Streitigkeiten aus der Veräußerung eines Unternehmens zwischen den Vertragsteilen gehören gem § 51 Abs 1 Z 4 JN vor die selbstständigen Handelsgerichte (falls der Streitgegenstand an Geld oder Geldeswert den Betrag von 15.000 € übersteigt). Auch wenn es sich – wie hier – (nur) um die Abtretung von Geschäftsänteilen an einer GmbH handelt, die ein Unternehmen betreibt, besteht aus Gründen der Rechtssicherheit für Streitigkeiten zwischen den Vertragsteilen aus einem solchen Abtretungsvertrag – selbst bei Minderheitsbeteiligungen – grundsätzlich die handelsgerichtliche Zuständigkeit nach § 51 Abs 1 Z 4 JN, es sei denn der Haftungsgrund beruht unmittelbar auf dem Gesetz und nicht auf der Verletzung von Pflichten aus einem Handelsgeschäft (unternehmensbezogenem Geschäft).
Die handelsgerichtliche Zuständigkeit nach § 51 Abs 1 Z 4 JN kann – wie hier – sogar dann bestehen, wenn der Kl seine Ansprüche direkt auf das Gesetz stützt (hier: begehrte Irrtumsanpassung nach § 872 ABGB und behauptete culpa in contrahendo) und die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass für die begehrte Vertragsanpassung das „marktorientierte verkehrsübliche Entgelt“, also der Wert des Unternehmens, zu klären sein wird (klassisches Beispiel einer „Streitigkeit aus der Veräußerung eines Unternehmens“).
Entscheidung
Im vorliegenden Fall geht es um den Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung (95 % der Geschäftsanteile an einer GmbH) um einen Kaufpreis von ca 1,4 Mio €. Die Kl begehrt die Kl (primär) kumulativ sowohl die Verurteilung der Bekl zur Zahlung von ca 270.000 € an die Kl (lit b ihres Begehrens) als auch weiterer gesamt ca 190.000 € (lit a und lit c des Klagebegehrens) an die Gesellschaft (objektive Klagenhäufung).
Die Zuständigkeit des LG für Zivilrechtssachen wurde im Ergebnis in allen drei Instanzen verneint.
Der OGH prüft – und verneint – zunächst die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung nach § 55 Abs 1 Z 1 JN. Auch solche Ansprüche des Kl gegen denselben Bekl könnten gem § 227 Abs 1 ZPO in derselben Klage geltend gemacht werden, wenn für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Art des Verfahrens zulässig ist. Auch dies verneint der OGH jedoch nach eingehender Prüfung:
Die Ansprüche, deren Bezahlung an die Gesellschaft begehrt wird (lit a und c), gründen sich nach dem Klagevorbringen auf die Verletzung von vertraglichen Zusagen hinsichtlich des Unternehmens. Für diese Ansprüche ist die handelsgerichtliche Zuständigkeit nach § 51 Abs 1 Z 4 JN gegeben.
Auch für den Anspruch nach lit b ist handelsgerichtliche Zuständigkeit gegeben: Die Kl stützt sich dafür auf Irrtumsanpassung nach § 872 ABGB und behauptet als Anspruchsgrundlage culpa in contrahendo. Solche Ansprüche, die direkt auf das Gesetz und nicht auf die Verletzung von Vertragspflichten aus einem Handelsgeschäft (unternehmensbezogenem Geschäft) gestützt weden, wären zwar grundsätzlich vor dem allgemeinen Gericht einzuklagen.
Hier liegt die Sache anders: Die Kl begehrt Vertragsanpassung mit der Behauptung, beide Parteien hätten ohne den Irrtum der Kl den Abtretungsvertrag um einen niedrigeren Preis abgeschlossen. Es wird somit nicht Vertragsaufhebung, sondern irrtumsrechtliche Vertragsanpassung begehrt. Überdies behauptet die Kl Arglist der Bekl. Die Wahrscheinlichkeit ist hier daher hoch, dass im vorliegenden Verfahren für die begehrte Vertragsanpassung das „marktorientierte verkehrsübliche Entgelt“, also der Wert des Unternehmens, zu klären sein wird. Dafür kommt es maßgeblich auf die (schon in der Klage behaupteten) Eigenschaften des Unternehmens der Gesellschaft an.
Die Klärung dieser Umstände bildet aber geradezu ein klassisches Beispiel einer „Streitigkeit aus der Veräußerung eines Unternehmens“ iSd § 51 Abs 1 Z 4 JN und unterscheidet den vorliegenden Fall von Fällen, in denen es entweder nur um Bestand oder Nichtbestand eines (gesamten) Vertrags oder um Umstände geht, in denen kein spezifisch enger Zusammenhang des geltend gemachten Anspruchs mit den Forderungen und Pflichten besteht, die durch ein Handelsgeschäft (unternehmensbezogenes Geschäft) begründet wurden.