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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
Abstract
Der VwGH hatte im vorliegenden Revisionsfall darüber zu entscheiden, ob die Herstellerbefreiung des § 30 Abs 2 Z 2 EStG bei einer Grundstücksveräußerung zur Anwendung kommt, wenn bisher keine Einnahmen aus der Vermietung des Grundstücks angefallen sind. Im Ergebnis kam der VwGH zu dem Schluss, dass bereits die Möglichkeit des Ansatzes von vorweggenommenen Werbungskosten für die Befreiung schädlich ist, weil auch negative Einkünfte eine Erzielung von Einkünften iSd § 30 Abs 2 Z 2 EStG darstellen.
VwGH 19. 10. 2022, Ro 2020/15/0017
Sachverhalt
Die Mitbeteiligte und ihr Ehemann erwarben mit Kaufvertrag vom 29. 5. 1998 jeweils das ideelle Hälfteeigentum an einer Liegenschaft. Auf dieser Liegenschaft wurde in den Jahren 2011-2013 ein Gebäude errichtet, wobei unstrittig ein selbsterstelltes Gebäude iSd § 30 Abs 2 Z 2 EStG vorlag. Für die Kosten iZm der Gebäudeerrichtung wurden Vorsteuern geltend gemacht. Nach Fertigstellung des Gebäudes wurde ein Makler mit der Mietersuche beauftragt und Inserate in Zeitungen geschalten. Das FA bestätigte daher die ernsthafte Vermietungsabsicht im Rahmen einer Außenprüfung im Jahr 2013 und bewilligte den Vorsteuerabzug.
Trotz umfangreicher Bemühungen konnte die Liegenschaft jedoch nicht vermietet werden. Aus diesem Grund entschlossen sich die Mitbeteiligte und ihr Ehemann dazu, die Liegenschaft mit Kaufvertrag vom 27. 12. 2013 um 4.650.000 € zu veräußern. Im Hinblick auf den Verkauf wurden die geltend gemachten Vorsteuern gem § 12 Abs 11 UStG berichtigt und zurückgezahlt. Für die Jahre 2011-2014 erklärte die Mitbeteiligte weder positive noch negative Einkünfte aus der Vermietung der Liegenschaft.
Mit Einkommensteuerbescheid 2014 vom 16. 10. 2015 wurde der Mitbeteiligten unter Anwendung des besonderen Steuersatzes von 25 % Immobilienertragsteuer iHv 81.287,50 € vorgeschrieben, weil das Gebäude nach Ansicht des FA „innerhalb der letzten zehn Jahre zur Erzielung von Einkünften gedient hat“ und damit die Voraussetzungen der Herstellerbefreiung gem § 30 Abs 2 Z 2 EStG nicht gegeben waren. Das BFG änderte den Bescheid im Beschwerdeverfahren ab, weil das Gebäude nach seiner Ansicht nicht tatsächlich der Einkünfteerzielung diente, wenn nie Einnahmen erzielt und keine Werbungskosten in den Veranlagungen 2011-2014 geltend gemacht wurden. Daraufhin erhob das FA ordentliche Revision an den VwGH.
Entscheidung des VwGH
In seinem Erkenntnis Ro 2020/15/0017 vom 19. 10. 2022 stellt der VwGH klar, dass auch ein Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung iSd § 2 Abs 3 Z 6 EStG darstellt. Solche negativen Einkünfte können unter Umständen bereits steuerlich berücksichtigt werden, bevor der Steuerpflichtige Einnahmen aus einer Vermietung erzielt. Voraussetzung einer Berücksichtigung von Werbungskosten vor der Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung ist, dass die ernsthafte Absicht zur späteren Einnahmenerzielung auf Grund bindender Vereinbarungen oder sonstiger, über die Absichtserklärung hinausgehender Umstände als klar erwiesen angesehen werden kann. Nicht erforderlich ist es hingegen, dass tatsächlich steuerpflichtige Einnahmen erzielt werden. Im gegenständlichen Fall war die Vermietungsabsicht unstrittigerweise gegeben.
Als solche „vorweggenommenen Werbungskosten“ kommen im vorliegenden Fall die Kosten für die Mietersuche, Rechtsberatung und insbesondere die AfA für das Gebäude in Betracht. Diese Werbungskosten sind tatsächlich angefallen und daher unabhängig von der Erfassung in den Steuererklärungen der Mitbeteiligten von Amts wegen zu berücksichtigen. Da die Werbungskosten bereits berücksichtigt werden mussten und auch ein Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen zu Einkünften iSd § 30 Abs 2 Z 2 EStG führt, hob der VwGH das Erkenntnis des BFG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf.
Conclusio
Im vorliegenden Erkenntnis führt der VwGH seine Rechtsprechungslinie fort, wonach vorweggenommene Werbungskosten im Rahmen der Einkünfteermittlung berücksichtigt werden können, insoweit eine ernsthafte und nach außen tretende Absicht zur Einnahmenerzielung als erwiesen angesehen werden kann. Auch wenn später tatsächlich keine Einnahmen erzielt werden, steht dies der Anerkennung von vorweggenommenen Werbungskosten nicht im Wege (siehe dazu im Detail Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG [Stand 1. 2. 2021] § 16 Rz 28 mwN). Auch die Tatsache, dass die Werbungskosten nicht in den Erklärungen der Mitbeteiligten geltend gemacht wurden, ist nach Ansicht des VwGH irrelevant: Werbungskosten und Betriebsausgaben sind von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl Rz 25 des Erkenntnisses mwN). Mit der Frage, ob die Vermietung aufgrund des Werbungskostenüberschusses Liebhaberei darstellt und aus diesem Grund keine Einkünfte iSd EStG vorliegen, beschäftigte sich der VwGH im vorliegenden Fall nicht. Daher bleibt diese Frage weiterhin offen (siehe dazu auch Wallig, Veräußerung eines Liebhabereigrundstücks durch eine Kapitalgesellschaft, ÖStZ 2022, 671 [674]).