Dieser Inhalt ist frei verfügbar. Mit einem Abonnement der RdW erhalten Sie die Zeitschrift in Print und vollen digitalen Zugriff im Web, am Smartphone und Tablet. Mehr erfahren…
Testen Sie
ALLE 13 Zeitschriftenportale
30 Tage lang kostenlos.
Der Zugriff endet nach 30 Tagen automatisch.
Alle LexisNexis-Fachzeitschriften sind im Volltext auch in Lexis 360® verfügbar.
Lexis 360 ist Österreichs innovativste* Recherchelösung und bietet Zugriff auf
alle relevanten Quellen von Rechtsnews, Gesetzen, Urteilen und Richtlinien bis
zu Fachzeitschriften und Kommentaren.
Testen Sie jetzt Lexis 360® kostenlos.
*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
ABGB: § 328, § 367, § 371, § 1393
Für Schuldverschreibungen auf den Inhaber (Inhaberpapiere) ist gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten nach § 371 ABGB („auf den Überbringer lautende Schuldbriefe“) möglich. Nach § 371 zweiter Fall ABGB erwirbt der redliche Empfänger von Geld oder eines Inhaberpapiers daran Eigentum, sofern nur die allgemeinen Voraussetzungen der Übereignung, also Rechtsgrund und Übergabe, erfüllt sind. Das Vorliegen einer der drei Alternativen des § 367 ABGB - Erwerb vom Unternehmer, Vertrauensmann oder in einer Versteigerung - ist dafür nicht erforderlich.
Eine Anleiheschuldnerin hat einem redlichen Erwerber von Teilschuldverschreibungen (Inhaberschuldverschreibungen), die von ihr bereits einmal eingelöst, dann aber nicht entwertet wurden und die wieder auf den Markt gelangten, den Tilgungsbetrag zu zahlen.
OGH 22. 10. 2014, 1 Ob 173/14v
Sachverhalt:
Die hier strittigen Teilschuldverschreibungen („Prämienanleihen 1985-93/1“) waren bereits im Jahr 1993 von der A*****-Bank eingereicht und von der Bekl eingelöst worden. Sie wurden jedoch aus unbekannten Gründen nicht entwertet und gelangten wieder auf den Markt.
Der Kl erwarb eine der Schuldverschreibungen 2004 bei einem Freihandverkauf in einem Auktionshaus, wobei ihm von einem Mitarbeiter mitgeteilt wurde, dass die zum Verkauf gelangenden Wertpapiere vorwiegend aus Verlassenschaften oder von Notaren stammten. 18 weitere Stück kaufte der Kl 2012 von W***** oder dessen Vater, die beide Handel mit historischen Wertpapieren betrieben. Der genaue Ablauf dieses Erwerbsvorgangs ist nicht mehr festzustellen. Die Scheine hatte W***** zuvor als Teil eines Konvoluts verschiedener alter Wertpapiere auf einem Flohmarkt um einen relativ geringen Preis gekauft. Der Kl hielt die Schuldverschreibungen bereits bei ihrem Ankauf mangels Entwertungsvermerks für werthaltig und beabsichtigte, sie zur Einlösung vorzulegen.
Ende 2012 legte der Kl fünf dieser „Prämienanleihen“ zur Zahlung vor und erhielt in Unkenntnis der bereits erfolgten Einlösung € 6.415,45 ausbezahlt. Mit der vorliegenden Klage begehrt er den Nominalwert von 14 Teilschuldverschreibungen, deren Auszahlung ihm später von der Bekl verweigert worden war.
Entscheidung:
Der OGH bestätigte die klagsstattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen.
Welcher Maßstab der Redlichkeit § 371 zweiter Fall ABGB zugrunde liegt, brauchte im vorliegenden Fall vom OGH nicht geklärt zu werden, weil nach Ansicht des OGH dem Kl selbst leichte Fahrlässigkeit nicht anzulasten ist.
Redlicher Erwerber
Nach den erstgerichtlichen Feststellungen kaufte der Kl im Jahr 2012 von Personen, die Handel mit historischen Wertpapieren betrieben, 18 Teilschuldverschreibungen. Der genaue Ablauf des Erwerbsvorgangs ist nicht mehr festzustellen. Eine weitere Teilschuldverschreibung hatte er bereits 2004 in einem Auktionshaus gekauft. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Erwerb solcher Anleihen lange nach deren Fälligkeit nicht per se verdächtig ist, wurde vom OGH nicht beanstandet.
Dass der offenbar fachkundige Kl die Schuldverschreibungen bereits bei ihrem Ankauf mangels Entwertungsvermerks für werthaltig hielt, macht - so der OGH - den Erwerb nicht verdächtig. Der Kl erwarb die Teilschuldverschreibungen zu einem Bruchteil des Nominales, was nicht ungewöhnlich ist - so der OGH weiters -, entspreche es doch der Lebenserfahrung, für historische Anleihen nicht den Nominalwert zu zahlen. Aus dem günstigen Kaufpreis der Teilschuldverschreibungen habe der Kl eventuell darauf schließen können, dass die Verkäufer über deren wahren Wert im Unklaren waren, nicht aber darauf, dass sie nicht deren berechtigte Inhaber waren.
Dass der Stempel der A***** Bank mit entsprechender Aufschrift und Zahlenkombination nicht auf die Einlösung im Jahr 1993 hinweist, sondern nur darauf schließen lässt, dass die Papiere zu irgendeinem Zeitpunkt im Besitz dieser Bank waren, habe bereits das BerufungsG zutreffend dargelegt. Aus den Teilschuldverschreibungen ergebe sich nicht, dass die Bekl diese bereits einmal eingelöst hat. Nach der Einlösung wurden sie weder durch einen Vermerk noch durch sonstige Merkmale für den Verkehr unbrauchbar gemacht.
Dass die Fälligkeit für die Rückzahlung des Nominalbetrags bereits 1993 eintrat, habe der Kl nicht dahin verstehen müssen, dass die in den Teilschuldverschreibungen verbrieften Verbindlichkeiten bereits zurückgezahlt wurden. Vielmehr sei es der Sphäre der Bekl zuzurechnen, dass die aus ungeklärten Gründen neuerlich in den Verkehr gelangten Teilschuldverschreibungen nicht bereits entwertet wurden.
Da der Kl beim Erwerb der Wertpapiere nach Ansicht des OGH redlich war, habe er gem § 371 ABGB gutgläubig Eigentum an den Inhaberschuldverschreibungen erworben, und zwar unabhängig von der Frage, ob nicht schon W*****, der die Teilschuldverschreibungen als Teil eines Konvoluts verschiedener alter Wertpapiere auf einem Flohmarkt um einen relativ geringen Preis gekauft hatte, gem § 371 zweiter Fall ABGB gutgläubig Eigentum erworben hatte.
Erfolgloser Einwand
Von der Frage des gutgläubigen Erwerbs der Rechte aus Inhaberpapieren gem § 371 ABGB ist die Frage zu unterscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen die Bekl als Schuldnerin dem durch das Papier Legitimierten rechtswirksam begründete Einwendungen entgegensetzen kann, so der OGH. Er stellt dazu verschiedene Lehrmeinungen dar, kommt aber zu dem Ergebnis, dass - unabhängig davon, welcher der in der Lehre vertretenen Rechtsansichten gefolgt wird - die Bekl mit dem Einwand nicht durchdringen kann, dass die in den Inhaberschuldverschreibungen verbriefte Forderung bereits erfüllt wurde. Weder wurde behauptet, noch steht fest, dass der Kl beim Erwerb davon Kenntnis gehabt hätte, dass die A***** Bank die Teilschuldverschreibungen bereits eingelöst erhielt, noch ist diesen in irgendeiner Form ein Hinweis auf die erfolgte Einlösung zu entnehmen. Damit komme der Einwendung der Bekl gegen die Gültigkeit der Inhaberschuldverschreibungen keine Berechtigung zu.