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Hotelbewertungsplattform – Datenschutz

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

DSGVO: Art 6

Bei der Abwägung nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO – Abwägung des „berechtigten Interessesdes Verantwortlichen (hier: Betreiber einer Reiseplattform) oder eines Dritten an der Datenverarbeitung mit den Grundrechten und Grundfreiheiten der betroffenen Person (hier: natürliche Personen, die ein Hotel betreiben) – kann auch die Wahrnehmung des Rechts auf Meinungs- und Informationsfreiheit ein entsprechendes „berechtigtes Interesse“ darstellen. Die Meinungsäußerungsfreiheit erfasst dabei sowohl das Recht von Empfängern von Dienstleistungen, ihre Meinung zur Qualität von Dienstleistungen und zum Verhalten der für die Leistungserbringung verantwortlichen natürlichen Personen zu äußern, als auch das Recht von potenziellen zukünftigen Empfängern derartiger Dienstleistungen, von diesen Meinungsäußerungen Kenntnis zu nehmen. Diese Rechte können nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass der Verantworliche kommerzielle Interessen verfolgt. Der VwGH sieht auch keine sachliche Rechtfertigung dafür, das Recht auf Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit (hier: Hotelbewertungen) auf solche Plattformen zu beschränken, über die die zu bewertenden Leistungen gebucht worden sind (und damit eine Meinungsäußerung auf reinen Bewertungsplattformen nicht als berechtigtes Interesse anzuerkennen).

Dass die Daten (nur) für einen kleinen Teil der Öffentlichkeit von Interesse sind, kann zwar im Rahmen der Interessenabwägung bei der Frage des Überwiegens zu beachten sein, aber nicht dazu führen, dass ein Informationsinteresse deshalb schon dem Grunde nach nicht als berechtigtes Interesses anzusehenwäre.

Im Zuge der Interessenabwägung nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO ist danach zu differenzieren, ob die verarbeiteten Daten den (so genannten) Kernbereich der geschützten Privatsphäre betreffen (zB Daten zum Sexualleben der betroffenen Person) oder die (so genannte) Sozialsphäre, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die betroffene Person mit Außenstehenden interagiert bzw in der Öffentlichkeit in Erscheinung tritt, wie dies etwa bei der Erbringung von Dienstleistungen gegenüber Dritten der Fall ist (vgl bereits OGH 6 Ob 129/21w, Rn 70, Rechtsnews 32115). Dass sich die Eingriffsintensität einer Datenverarbeitung durch eine Änderung maßgeblicher Umstände in Zukunft ändern kann (hier: etwa durch Veräußerung des Hotelbetriebs), führt für sich genommen nicht dazu, dass die Datenverarbeitung von vornherein nicht der Sozial- bzw Berufssphäre zuzurechnen wäre.

An der Richtigkeit der veröffentlichten Daten besteht jedoch auch dann ein großes Interesse, wenn das Interesse am Schutz der personenbezogenen Daten, die das Auftreten am Markt zum Inhalt haben, durch die Teilnahme am Markt herabgesetzt sein kann. An der Verarbeitung unrichtiger Daten kann nämlich kein berechtigtes Interesse bestehen. Zwar kann eine Meinung als solche nicht am Maßstab der (Un)Richtigkeit gemessen werden, allerdings ist ein Schutz vor „fiktiven Bewertungen“ durch „fiktive Gäste“ anzuerkennen.

Bei der Interessenabwägung nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO ist auch in Anschlag zu bringen, welche Maßnahmen der Verantwortliche selbst setzt bzw der (von der Datenverarbeitung) betroffenen Person zur Verfügung stellt, um einen möglichen Missbrauch zu verhindern bzw wie intensiv derartige Maßnahmen ihrerseits in die einzubeziehenden Interessen bzw Grundrechte eingreifen.

VwGH 17. 5. 2024, Ro 2022/04/0026 bis 0027

Entscheidung

Bei der Interessenabwägung ist im vorliegenden Fall jedenfalls auch der Umstand zu berücksichtigen, dass die Mitbeteiligte (Betreiberin der Reiseplattform) die Identität der Nutzer vor Abgabe einer Bewertung nicht überprüft (und es somit für den bewerteten Hotelbetreiber unsicher ist, ob er - etwa im Fall rufschädigender Äußerungen - die Identität des betreffenden Nutzers eruieren kann). Dass sich Nutzer vor Abgabe einer Bewertung unter Angabe einer E-Mail-Adresse registrieren müssen, ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung, weil sich aus dieser Registrierung mangels Überprüfung nicht zwingend Rückschlüsse auf eine bestimmte Person ziehen lassen.

Allerdings wäre im Hinblick auf den ebenfalls anzuerkennenden Wert der Möglichkeit, im Internet anonym seine Meinung zu äußern, ein genereller Ausschluss anonymer Bewertungen (und damit eine Klarnamenpflicht) unzulässig. Daran vermag für sich allein auch nichts zu ändern, dass zwischen dem Hotelbetreiber und den Gästen kein Abhängigkeitsverhältnis besteht, das im Fall einer Pflicht zur Identitätsangabe die Bereitschaft zur Vornahme von Bewertungen beeinträchtigen könnte (vgl dazu auch EGMR 7. 12. 2021, 39378/15, Standard Verlagsgesellschaft mbH gg Österreich, Rechtsnews 31945, und EGMR 10. 10. 2013, 64569/09, Delfi AS gg Estland; auch in jenen Fällen lag kein Abhängigkeitsverhältnis vor).

Ausgehend davon kann aber auch das Fehlen einer Prüfung der Bewertung vor ihrer Veröffentlichung (daraufhin, ob der Nutzer die bewertete Dienstleistung auch tatsächlich in Anspruch genommen hat) - und damit der Umstand, dass eine betroffene Person möglicherweise für eine gewisse Zeit auch die Bereithaltung missbräuchlicher Bewertungen hinnehmen muss (vgl etwa BGH 15. 2. 2022, VI ZR 692/20, Rz 41, wo von einem hinzunehmenden, systemimmanenten Umstand die Rede ist) - für sich allein nicht die Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung nach sich ziehen.

Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn bei der Interessenabwägung in einer Konstellation wie hier miteinbezogen wird, dass nur der Sozialsphäre zuzuordnende Daten verarbeitet worden sind, dass die Zugänglichkeit der Daten eine konkrete Suche nach dem Betrieb voraussetzt und dass Internetbewertungen in der allgemeinen Wahrnehmung keine uneingeschränkte Glaubwürdigkeit vermitteln.

Auf Seiten der Interessen der Hotelbetreiber wäre demgegenüber zu berücksichtigen, dass es vorliegend auch um „Freitextbewertungen“ geht, bei denen die mögliche Beeinträchtigung des Schutzes personenbezogener Daten größer ist als bei einer bloßen Vergabe von Punkten.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35669 vom 17.07.2024