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Abstract
Im April 2020 publizierte die ESMA insgesamt acht Entscheidungen zu Enforcement-Verfahren aus dem Zeitraum Mai 2018 bis Oktober 2019. Da in den untersuchten Jahres- und Konzernabschlüssen bereits teilweise der neue Standard IFRS 15 (Erlöse aus Verträgen mit Kunden) anzuwenden war, bildete dieser – wenig überraschend – einen Schwerpunkt in den veröffentlichten Entscheidungen
In der Entscheidung EECS/0120-01 setzte sich die Enforcement-Behörde mit der zentralen Frage der Identifizierung von Leistungsverpflichtungen von Kundenverträgen auseinander.
ESMA, Decision ref EECS/0120-01
Sachverhalt
Das bilanzierende Unternehmen ist in der Öl- und Gasindustrie tätig und erbringt geophysikalische Dienstleistungen an seine Kunden, die diese in die Lage versetzen, potentielle Ölreserven in einem Gebiet zu evaluieren. Das Unternehmen bietet seinen Kunden zwei verschiedene Arten von Verträgen an: Exklusivverträge oder Lizenzverträge, die die Nutzung einer Studie durch mehrere Kunden ermöglichen. Letztere werden teilweise vor Beginn der Studien (Primärverkäufe) und teilweise danach (Sekundärverkäufe) abgeschlossen, dh in letzterem Fall erwirbt der Kunde das Nutzungsrecht an einer bereits fertiggestellten Studie. Der zeitliche Ablauf einer Studie stellt sich wie folgt dar: An eine Phase der Datenerhebung (Dauer etwa 6 bis 9 Monate) schließt sich die 12 bis 18 Monate dauernde Phase der Datenauswertung an, danach erfolgt die Erteilung der Lizenz bzw der Lizenzen. Die Kunden können Anregungen für den Verlauf der Studie geben, zB detailliertere Aufnahmen eines bestimmten Gebiets verlangen, das bilanzierende Unternehmen ist aber nicht an Weisungen des Kunden gebunden und bleibt alleiniger Entscheider und Eigentümer der Daten. Die Daten sind vor der Verarbeitung von keinem wesentlichen Nutzen für den Kunden. Die Kunden können den Vertrag theoretisch beenden, jedoch ist in diesem Fall der volle Preis für die Lizenz zu bezahlen, was im bisherigen Geschäftsverlauf des bilanzierenden Unternehmens zu keinen Vertragsbeendigungen geführt hat.
Die Beurteilung durch das Unternehmen
Vor der Einführung des IFRS 15 wurden die Umsätze aus Primärverkäufen zeitraumbezogen realisiert. Hingegen wurden die Umsätze aus Sekundärverkäufen zeitpunktbezogen nach Erteilung der Lizenz an den Kunden realisiert.
Nach den Vorschriften des IFRS 15 wurde die Umsatzrealisierung seitens des bilanzierenden Unternehmens wie folgt festgelegt: Sekundärverkäufe werden unverändert zeitpunktbezogen nach der Erteilung der Lizenz an den Kunden realisiert. Für Primärverkäufe kam das Unternehmen nach Maßgabe der Vorschriften des IFRS 15.27-29 zur Schlussfolgerung, dass die zugrundeliegenden Verträge aus einer einzigen Leistungsverpflichtung bestehen, das ist die Gewährung einer Lizenz am Ende der Studie. Dies wird dadurch begründet, dass der Datenzugang während der Phase der Datengewinnung und -auswertung keinen eigenständigen Nutzen für den Kunden oder einen Nutzen zusammen mit einer anderen jederzeit verfügbaren Ressource stiftet.
Darüber hinaus stellte das bilanzierende Unternehmen fest, dass es gemäß IFRS 15.29a eine signifikante Integrationsleistung erbringt, um die Güter oder Dienstleistungen mit anderen vertraglich zugesagten Gütern oder Dienstleistungen zu einem Bündel derselben zusammenzufassen, damit das mit dem Kunden vertraglich vereinbarte kombinierte Endergebnis erzielt wird.
Schließlich kam das bilanzierende Unternehmen zur Schlussfolgerung, dass die erteilte Lizenz den Charakter eines Nutzungsrechts im Sinne des IFRS 15.B56b hat, da sie die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Zugangsrechts gemäß IFRS 15.B58a mangels einer Weiterentwicklung nach der Erteilung an den Kunden nicht erfüllt.
Basierend auf den obigen Ausführungen kam das bilanzierende Unternehmen letztlich zur Schlussfolgerung, dass sowohl die Umsätze aus Primärverkäufen als auch jene aus Sekundärverkäufen zeitpunktbezogen zum gleichen Zeitpunkt zu realisieren sind. Allfällige Anzahlungen werden als Vertragsverbindlichkeit erfasst.
Die Beurteilung im Rahmen des Enforcement-Verfahrens
Die zuständige Enforcement-Behörde schloss sich in diesem Fall der Argumentation des bilanzierenden Unternehmens an. Dennoch zeigt dieser Fall recht deutlich, dass in den aktuellen Enforcement-Verfahren der noch junge Standard IFRS 15 mit entsprechender Intensität behandelt wird und daher eine vollständige und sachgerechte Dokumentation seitens der bilanzierenden Unternehmen von essentieller Bedeutung ist.