Dieser Inhalt ist frei verfügbar. Mit einem Abonnement der RdW erhalten Sie die Zeitschrift in Print und vollen digitalen Zugriff im Web, am Smartphone und Tablet. Mehr erfahren…
Testen Sie
ALLE 13 Zeitschriftenportale
30 Tage lang kostenlos.
Der Zugriff endet nach 30 Tagen automatisch.
1. Der Quellcode eines Computerprogramms kann grundsätzlich ein Geschäftsgeheimnis iSd § 26b Abs 1 UWG sein.
Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses ist nach § 26b Abs 2 UWG jede natürliche oder juristische Person, welche die rechtmäßige Verfügungsgewalt über ein Geschäftsgeheimnis besitzt. Die Bestimmung setzt Art 2 Abs 2 der RL (EU) 2016/943 um (Geschäftsgeheimnis-RL; GG-RL), der von rechtmäßiger Kontrolle spricht.
Grundsätzlich können auch mehrere Personen Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses sein (arg.: „jede […] Person“). Die Inhaberschaft setzt sich aus zwei Tatbestandsmerkmalen zusammen, nämlich einerseits aus der Verfügungsgewalt und andererseits aus dem Merkmal rechtmäßig. Unter Verfügungsgewalt ist die tatsächliche Möglichkeit zu verstehen, den Zugriff auf das Geschäftsgeheimnis bestimmen, einschränken oder ausschließen zu können. Rechtmäßige Verfügungsgewalt erfordert darüber hinaus aber auch die rechtliche Legitimation der tatsächlich ausgeübten Kontrolle. Weder das UWG noch die Geschäftsgeheimnis-RL geben dafür Kriterien an die Hand. Rechtmäßig ist die Verfügungsgewalt jedenfalls dann, wenn das Geschäftsgeheimnis originär im Unternehmen des Inhabers entwickelt wurde. Rechtmäßig ist sie aber auch dann, wenn die Berechtigung vertraglich vom bisherigen Inhaber abgeleitet wird. Die abgeleitete Befugnis braucht keine ausschließliche zu sein.
2. Wird ein Computerprogramm von einem Dienstnehmer in Erfüllung seiner dienstlichen Obliegenheiten geschaffen, steht dem Dienstgeber hieran gem § 40b UrhG ein unbeschränktes Werknutzungsrecht zu, wenn er mit dem Urheber nichts anderes vereinbart hat. § 40b UrhG ist nur auf Dienstnehmer anzuwenden; Organe juristischer Personen sind keine Dienstnehmer iS dieser Norm, wenn und weil sie keine abhängige und weisungsgebundene Tätigkeit entfalten. Auf den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ist § 40b UrhG daher nicht anzuwenden.
OGH 10. 12. 2020, 4 Ob 182/20y
Entscheidung
Der Bekl hatte ab 2001 die Software S***** entwickelt und sein Know-How 2004 als einer der Gründungsgesellschafter in eine GmbH eingebracht (in der Folge: SoftwareGmbH), deren Geschäftsführer er auch war.
Die Kl erwarb von der SoftwareGmbH alle von dieser entwickelten und hergestellten Produkte und Dienstleistungen der Produktfamilie S*****. Mit dem Kaufvertrag wurden der Kl sämtliche IP-Rechte an dieser Softwareproduktfamilie übertragen. Die Kl kann somit ihre Berechtigung am Geschäftsgeheimnis vertraglich vom bisherigen Inhaber ableiten und besitzt damit die rechtmäßige Verfügungsgewalt daran.
Nach seinem Ausscheiden aus der SoftwareGmbH kündigte der Bekl an, den Quellcode eines Programms der Produktfamilie S***** öffentlich und gratis ins Internet zu stellen und alle Kunden darüber zu informieren, dass sie die Dienstleistungen dazu von ihm sehr günstig bekommen würden.
Hier ist nun zu prüfen, ob die Offenlegung des Quellcodes durch den Bekl rechtswidrig wäre. Nach § 26c Abs 2 Z 2 UWG ist die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses rechtswidrig, wenn sie gegen eine Vertraulichkeitsvereinbarung oder eine vertragliche oder sonstige Verpflichtung verstößt, das Geschäftsgeheimnis nicht offenzulegen oder nur beschränkt zu nutzen.
Der Bekl hat durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass die SoftwareGmbH befugt sei, gegenüber Dritten über die Software und den Quellcode zu verfügen. Mit dieser Einräumung des Werknutzungsrechts ist die Verpflichtung des Bekl verbunden, den Quellcode (als Geschäftsgeheimnis) nicht offenzulegen, würde doch die Offenlegung des Quellcodes den Vertragsgegenstand (Software) drastisch entwerten. Auf diese Verschwiegenheitspflicht kann sich auch die Kl als nunmehrige Inhaberin des Geschäftsgeheimnisses berufen, zumal der Bekl einverstanden war, dass die SoftwareGmbH gegenüber Dritten über die Software inklusive Quellcode frei verfügen kann.
Damit hat die Kl den zu sichernden Anspruch bescheinigt (drohende rechtswidrige Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses durch dessen Offenlegung). Dem steht auch nicht entgegen, dass der Bekl Urheber des Quellcodes ist. Der Dienstnehmer oder Geschäftsführer, der für ein Unternehmen ein Geschäftsgeheimnis entwickelt, ist nicht dessen Inhaber, wenn er dem Unternehmen die Rechte daran abgetreten hat oder sie ihm bereits aufgrund des Gesetzes zukommen (vgl Hofmarcher, Das Geschäftsgeheimnis [2020] Rz 2.76). Einer Gefährdungsbescheinigung bedarf es nicht (§ 26i Abs 1 iVm § 24 UWG).