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Initiativantrag „COVID-19-Steuermaßnahmengesetz (COVID-19-StMG)“: Umsatzsteuerliche Änderungen

Bearbeiter: Stefan Melhardt

Am 20. 11. 2020 wurde der Initiativantrag „COVID-19-Steuermaßnahmengesetz (COVID-19-StMG)“ im Parlament eingebracht (1109/A 27. GP).1 Am 24. 11. 2020 erfolgte bereits die Behandlung im Finanzausschuss. Im Bereich der Umsatzsteuer ist eine Verlängerung des 5%igen Umsatzsteuersatzes für Gastronomie, Hotellerie, kulturelle Leistungen und Bücher vorgesehen. Weiters sollen COVID-19-Tests und COVID-19-Impfungen von der Umsatzsteuer befreit werden. Ebenso COVID-19-bedingt kommt es zu einer Verschiebung des sogenannten EU-E-Commerce-Paketes vom 1. 1. 2021 auf den 1. 7. 2021. Auch enthalten sind Bestimmungen iZm dem Brexit sowie die Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für bestimmte Reparaturdienstleistungen. Die Gesetzwerdung bleibt abzuwarten.

Dieser Beitrag von Dr. Stefan Melhardt (BMF) erscheint auch in der Ausgabe 24/2020 der Zeitschrift ÖStZ.

1. Reparaturdienstleistungen

Reparaturdienstleistungen (einschließlich Ausbesserung und Änderung) betreffend Fahrräder, Schuhe, Lederwaren, Kleidung oder Haushaltswäsche sollen ab 1. 1. 2021 dem ermäßigten Steuersatz iHv 10 % unterliegen. Die unionsrechtliche Grundlage dafür ist Art 98 Abs 2 iVm Anhang III Z 19 der RL 2006/112/EG.

Durch diesen neuen ermäßigten Umsatzsteuersatz ergeben sich im Wesentlichen zwei Abgrenzungsnotwendigkeiten, nämlich einerseits, welche Gegenstände darunter fallen, und andererseits, wie sich eine Reparaturdienstleistung von einer Lieferung abgrenzt.

Zur ersten Abgrenzung: Unter Fahrräder fallen auch Elektrofahrräder, nicht jedoch andere Krafträder, bei denen die Fortbewegung nicht ausschließlich durch mechanische Umsetzung der Muskelkraft, sondern ganz oder teilweise durch Motoreneinsatz bewirkt wird. Die Abgrenzung der Lederwaren richtet sich nach Kapitel 42 der Kombinierten Nomenklatur. Haushaltswäsche umfasst Textilien, wie zB Bettwäsche, Tischdecken, Polsterbezüge oder Vorhänge.

Zur zweiten Abgrenzung: Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich insb dort, wo die Reparaturdienstleistung sowohl Dienstleistungskomponenten als auch Lieferkomponenten enthält (zB Reparatur einer Fahrradgangschaltung mit Austausch von Ersatzteilen). Um eine praktikable Abgrenzung in diesem Bereich zu gewährleisten (und nicht zwischen der Beistellung von Hauptstoffen für das Vorliegen einer nicht begünstigten Werklieferung und dem Beistellen von Nebenstoffen für das Vorliegen einer begünstigten Werkleistung differenzieren zu müssen), sehen die Erläuternden Bemerkungen eine pragmatische und systemkonforme Abgrenzung vor: Eine begünstigte Werkleistung soll jedenfalls dann angenommen werden können, wenn der Entgeltsanteil, welcher auf das bei der Reparatur verwendete Material entfällt, weniger als 50 % des für die Reparatur geleisteten Gesamtentgelts beträgt. Beträgt umgekehrt der Entgeltsanteil, welcher auf das bei der Reparatur verwendete Material entfällt, mehr als 50 % des für die Reparatur geleisteten Gesamtentgelts, so liegt eine nicht begünstigte Werklieferung vor.

2. Verschiebung des E-Commerce-Pakets

Bedingt durch die COVID-19-Pandemie wurde auf EU-Ebene bereits im Sommer eine Verschiebung des E-Commerce Pakets beschlossen.2 Diese Verschiebung soll nunmehr innerstaatlich durch eine Änderung des § 28 Abs 47 Z 24 UStG umgesetzt werden. Dadurch treten die entsprechenden Regelungen des Abgabenänderungsgesetzes 2020 BGBl I 2019/91 statt mit 1. 1. 2021 erst mit 1. 7. 2021 in Kraft. Zudem wird die Vorregistrierungsphase für den One-Stop-Shop auf 1. 4. 2021 verschoben.

Betroffen von dieser Verschiebung sind sehr weitgehende Bereiche, wie zB die Erweiterung des One-Stop-Shops, die Abschaffung der Lieferschwelle im innergemeinschaftlichen Versandhandel, die Regelungen zum Einfuhr-Versandhandel (inklusive des Wegfalls der Einfuhrumsatzsteuerbefreiung für Kleinsendungen) sowie die Neuregelungen zur Einführung einer Fiktion, wonach elektronische Plattformen in bestimmten Fällen als Steuerschuldner gelten.

3. Verlängerung des 5%igen Umsatzsteuersatzes

Mit dem Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (BGBl I 2020/60) wurde für bestimmte Umsätze vom 1. 7. 2020 bis zum 31. 12. 2020 ein ermäßigter Umsatzsteuersatz von 5 % eingeführt. Betroffen davon waren im Wesentlichen (§ 28 Abs 52 UStG)

-die Verabreichung von Speisen und der Ausschank von Getränken iSd § 111 Abs 1 GewO 1994;
-§ 10 Abs 2 Z 1 lit a iVm Anlage 1 Z 33 und Z 9 (Publikationen);
-§ 10 Abs 2 Z 3 lit c und lit d (Beherbergung und Camping);
-§ 10 Abs 3 Z 1 lit b (ausgenommen die in Anlage 2 Z 11–13 aufgezählten Gegenstände) und lit c (Einfuhren von Kunstgegenständen);
-§ 10 Abs 3 Z 4 (Künstler);
-§ 10 Abs 3 Z 6–8 (Theater, Kino, Zirkus etc) sowie
-bestimmte vom Künstler aufgenommene Fotografien (§ 28 Abs 52 Z 1 lit c UStG).

Für dieses gesamte „Paket“ soll nunmehr der 5%ige Umsatzsteuersatz befristet bis zum 31. 12. 2021 verlängert werden. Mit einer Ausnahme: Nicht verlängert werden soll der ermäßigte Steuersatz iHv 5 % für Zeitungen und andere periodische Druckschriften (Position 4902 der Kombinierten Nomenklatur). Dies ergibt sich dadurch, dass in § 28 Abs 52 Z 1 UStG die von § 10 Abs 2 Z 1 lit a iVm Anlage 1 Z 33 lit b und Z 9 iVm Anlage 1 Z 33 lit b erfassten Umsätze (dabei handelt es sich um Zeitungen und andere periodische Druckschriften, auch wenn diese elektronisch erbracht werden) nicht verlängert werden.

Ebenso verlängert werden soll bis 31. 12. 2021 der Wegfall der Zusatzsteuer im Rahmen der land- und forstwirtschaftlichen Pauschalierung für die von § 28 Abs 52 Z 1 lit a UStG 1994 erfassten Getränke (Almausschank, Buschenschank).

4. COVID-19-In-vitro-Diagnostika und COVID 19-Impfstoffe

Für COVID-19-In-vitro-Diagnostika und COVID-19-Impfstoffe soll – befristet bis 31. 12. 2022 – eine echte Umsatzsteuerbefreiung vorgesehen werden. Da sich die diesbezüglich notwendige unionsrechtliche Grundlage3 noch im europäischen Gesetzwerdungsprozess befindet, soll die vorgesehene innerstaatliche Regelung erst am Tag nach Kundmachung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten.

Begünstigte COVID-19-In-vitro-Diagnostika sind solche, die den in der VO (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. 4. 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates festgelegten geltenden Anforderungen sowie sonstigen anwendbaren Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union entsprechen.

Begünstigte COVID-19-Impfstoffe sind solche, die von der Kommission oder von den Mitgliedstaaten zugelassen werden.

Ebenso begünstigt sind eng mit diesen Diagnostika oder Impfstoffen zusammenhängende sonstige Leistungen.

Bei den betroffenen Umsätzen kann es oftmals zum gleichzeitigen Vorliegen der Voraussetzungen für die dargestellte echte Steuerbefreiung und zum Vorliegen der Voraussetzungen einer unechten Steuerbefreiung kommen (zB bei Krankenanstalten, bei denen allenfalls ohnedies eine GSBG-Beihilfe4 zusteht). Diese Unternehmer sollen gem § 28 Abs 53 Z 4 UStG ein Wahlrecht haben und somit auf die echte Befreiung verzichten können. Die Erläuternden Bemerkungen sehen für diesen Verzicht keine besondere Form oder Frist vor, maßgeblich soll allein die Behandlung gegenüber dem Finanzamt sein.

5. Brexit

Ab 1. 1. 2021 gilt das Vereinigte Königreich entsprechend dem Austrittsabkommen5 und somit nach dem Unionsrecht grundsätzlich nicht mehr als Gemeinschaftsgebiet und Mitgliedstaat, sondern als Drittland. In Umsetzung von Art 8 des Protokolls zu Irland und Nordirland soll Nordirland allerdings gem § 1 Abs 3 letzter Satz UStG 1994 in Bezug auf die Bestimmungen zu Waren auch nach dem 1. 1. 2021 weiterhin als Gemeinschaftsgebiet und Mitgliedstaat gelten. Lieferungen von Österreich nach Nordirland sind daher auch nach dem 31. 12. 2020 – bei Vorliegen der Voraussetzungen – als innergemeinschaftliche Lieferungen zu behandeln.

Weiters gilt das Vereinigte Königreich als Gemeinschaftsgebiet und Mitgliedstaat hinsichtlich der Waren, die aus dem Gebiet des Vereinigten Königreichs in das Gebiet eines Mitgliedstaats oder umgekehrt befördert oder versandt werden, sofern die Beförderung oder Versendung vor dem 1. 1. 2021 beginnt und nach dem 31. 12. 2020 endet (§ 28 Abs 53 Z 2 lit a UStG). Die Erläuternden Bemerkungen führen folgendes Beispiel an:

Ein österreichischer Unternehmer veräußert eine Ware an einen anderen Unternehmer im Vereinigten Königreich. Die Ware wird am 20. 12. 2020 von Österreich versendet und kommt am 20. 1. 2021 im Vereinigten Königreich an. Es liegt keine Ausfuhr in ein Drittland vor, da im Zeitpunkt des Beginns der Lieferung das gesamte Vereinigte Königreich noch als Gemeinschaftsgebiet gilt. Die Lieferung kann in Österreich als innergemeinschaftliche Lieferung befreit werden, wenn die allgemeinen Voraussetzungen (zB Abgabe der Zusammenfassenden Meldung und Mitteilung einer gültigen UID-Nummer) vorliegen.

Noch zwei Besonderheiten sind zu beachten: Zum einen sind Vorsteuererstattungsanträge für im Gebiet des Vereinigten Königreichs ansässige Unternehmer betreffend Umsatzsteuer, die vor dem 1. 1. 2021 gezahlt wurde, bis spätestens 31. 3. 2021 zu stellen. Zum anderen sind Korrekturen von One-Stop-Shop-Erklärungen gem § 25a UStG 1994 und Art 25a UStG 1994 für Umsätze vor dem 1. 1. 2021 spätestens am 31. 12. 2021 vorzunehmen (§ 28 Abs 53 Z 2 lit b UStG).

1

Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Alkoholsteuergesetz, das Internationale Steuervergütungsgesetz, das COVID 19-Förderungsprüfungsgesetz und das Kommunalsteuergesetz 1993 geändert werden (COVID-19-Steuermaßnahmengesetz – COVID 19-StMG) (1109/A 27. GP).


2

Beschluss (EU) 2020/1109 des Rates vom 20. Juli 2020; Durchführungsverordnung (EU) 2020/1112 des Rates vom 20. Juli 2020; Verordnung (EU) 2020/1108 des Rates vom 20. Juli 2020 zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2454 in Bezug auf den Geltungsbeginn als Reaktion auf die COVID 19-Pandemie.


3

Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates in Bezug auf zeitlich befristete Maßnahmen im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer für COVID 19-Impfstoffe und In-vitro-Diagnostika als Reaktion auf die COVID 19-Pandemie.


4

Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz – GSBG BGBl 1996/746 idgF.


5

Art 51 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (Austrittsabkommen).


Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30069 vom 09.12.2020