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IO: Besondere Zustellung neben öffentlicher Bekanntmachung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

IO: § 257

§ 257 Abs 2 IO sieht ausdrücklich vor, dass die Folgen der Zustellung „schon“ durch die öffentliche Bekanntmachung eintreten, wenn neben der öffentlichen Bekanntmachung eine besondere Zustellung vorgeschrieben ist. Zweck dieser Regelung ist es, die Wirkung der Beschlüsse im Hinblick auf die Natur des Insolvenzverfahrens als Mehrparteienverfahren einheitlich in einem für jeden Beteiligten erkennbaren Zeitpunkt eintreten zu lassen. Dabei hat der Gesetzgeber auch in Kauf genommen, dass die individuelle Zustellung meist erst nach der öffentlichen Bekanntmachung erfolgt und sich damit faktisch die Zeit zur Ausführung des Rechtsmittels etwas verkürzt. Das wird aber wegen des unleugbaren Vorteils eines einheitlichen Beginns der Rechtsmittelfrist in Kauf genommen.

Diese Wertung des Gesetzes gilt aber ebenso für die Fälle, in denen einzelne individuelle Zustellungen ausnahmsweise vor der öffentlichen Bekanntmachung erfolgt sind. Dem Zweck des § 257 Abs 2 IO würde es diametral entgegenlaufen, würde man in diesen Fällen für den Beginn der Rechtsmittelfrist bei jedem Beteiligten darauf abzustellen, welche Zustellung zuerst wirksam geworden ist. Auch wenn daher allein ausgehend vom Wortlaut („schon“) die Auslegung vertretbar wäre, dass § 257 Abs 2 IO nur für jene Fälle gilt, in denen die öffentliche Bekanntmachung vor der individuellen Zustellung erfolgt, ergibt sich aus dem Zweck der Regelung, dass sie auch auf Konstellationen anzuwenden ist, in denen die öffentliche Bekanntmachung erst nach einer individuellen Zustellung erfolgt.

Beginnen aber die Rechtsmittelfristen nach § 257 Abs 2 IO unabhängig von der individuellen Zustellung schon/erst mit der öffentlichen Bekanntmachung, stellt sich die Frage einer Heilung von Zustellmängeln durch Zukommen des Beschlusses letztlich nicht. Insoweit liegt auch kein Widerspruch zur E 8 Ob 83/19t (= RdW 2020/166) vor, weil dort die Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels nicht zu beurteilen war, da ein Rechtsmittel zulässigerweise auch vor Beginn des Laufs der Rechtsmittelfrist erhoben werden kann (vgl RS0041748).

OGH 14. 9. 2021, 8 Ob 100/20v

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31589 vom 19.10.2021