News

Kaskoversicherung für Katamaran: Versicherungsnehmer – Zurechnung des Skippers

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 1017

VersVG: § 6, § 61

Nach stRsp kann das Verhalten eines Dritten grds nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen; dem Versicherungsnehmer ist aber in Bezug auf Obliegenheiten das Verhalten jener Personen zuzurechnen, die er zur Abwicklung des Versicherungsverhältnisses bevollmächtigt hat. Aus der Rsp folgt, dass dem Versicherungsnehmer (hier: einer Kaskoversicherung für einen Katamaran) das Verhalten eines Dritten (hier: Skipper des Katamarans) nur dann zuzurechnen ist, wenn dieser ausschließlich als Vertreter des Versicherungsnehmers zur Abwicklung des Versicherungsverhältnisses dem Versicherer gegenüber bestellt worden ist. Eine Zurechnung kommt demnach nur dann in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer die Verantwortung darüber, wie im Rahmen des Versicherungsverhältnisses gegenüber der Versicherung vorzugehen ist, gänzlich aus der Hand gegeben hat und die dritte Person insofern an seine Stelle tritt. Hingegen ist es nicht ausreichend, wenn die dritte Person nur die Obhut über die Sache hat. Von dieser Rsp abzugehen, bietet die Revision keinen Anlass.

Nach der Rsp umfasst die Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers auch Angaben zu allfälligen Regressansprüchen des Versicherers, deren Verletzung allenfalls Schadenersatzansprüche gegenüber dem Versicherungsnehmer hervorrufen können. Der Kausalitätsgegenbeweis betrifft hingegen den Nachweis, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers einen Einfluss gehabt hat. Dies folgt aus § 6 Abs 3 VersVG. Das bedeutet: Der Versicherer bleibt leistungspflichtig, soweit die Obliegenheitsverletzung keinen Einfluss auf die von ihm zu erbringende Versicherungsleistung gehabt hat. Hat die Obliegenheitsverletzung daher nur Einfluss auf allfällige Regressansprüche des Versicherers, bewirkt dies keine Leistungsfreiheit des Versicherers, sondern könnte allenfalls Schadenersatzansprüche begründen.

OGH 21. 5. 2025, 7 Ob 24/25t

Entscheidung

Dem Versicherungsverhältnis zwischen der Kl (100 %ige Tochtergesellschaft einer österreichischen Privatstiftung) und den Bekl (Konsortium von Versicherungen) liegen die P*–Yacht–Kasko–Bedingungen (PYKB) zugrunde. Der Versicherungsvertrag wurde von der (damaligen) Geschäftsführerin der Kl unterfertigt. Im Versicherungsvertrag ist ua festgehalten: „authorised person in the event of loss: K* U* [= Skipper]“.

Die Bekl wenden Leistungsfreiheit gegründet auf § 6b PYKB (vorsätzliche/grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls), § 10 Z 2 PYKB (Verletzung der Schadensminderungspflicht) und § 10 Z 3 PYKB (Verletzung der Aufklärungsobliegenheit) ein. Die wesentliche Frage ist, ob das Verhalten des Skippers der Kl zuzurechnen ist.

Keine Zurechnung des Skippers betr Schaden(sminderungspflicht)

Leistungsfreiheit der Bekl gestützt auf § 6b und § 10 Z 2 PYKB scheidet aus:

Gem § 6b PYKB leistet der Versicherer keinen Ersatz für Schäden, die „der Versicherungsnehmer vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat“.

Als Obliegenheit im Versicherungsfall sieht § 10 Z 2 PYKB vor, dass der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, „aus eigener Initiative alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, die zur Abwendung und Minderung des Schadens als geeignet in Betracht kommen. Wenn der Versicherer hiezu Weisungen gibt, hat der Versicherungsnehmer diese Weisungen zu befolgen.“

§ 6b PYKB entspricht § 61 VersVG – einem sekundären Risikoausschluss (7 Ob 30/13g, Rechtsnews 15386). § 10 Z 2 PYKB beinhaltet die Obliegenheit zur Schadensminderung iSd § 62 VersVG.

Die insb aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine verbandsrechtliche Zurechnung des Machthabers (§ 337 ABGB) zu einer juristischen Person als Versicherungsnehmerin auch bei Obliegenheitsverletzungen zu erfolgen habe, stellt sich hier nicht: Machthaber sind Personen, die in der Organisation der juristischen Personen eine leitende Stellung innehaben und dabei mit eigenverantwortlicher Entscheidungsbefugnis ausgestattet sind (RS0009113 [T40]). Der Skipper hatte nach den Feststellungen allerdings nicht nur keine leitende, sondern gar keine verbandsrechtliche Stellung für die Kl inne. So ist selbst ein Pilot kein Machthaber des Luftfahrzeughalters (1 Ob 53/95).

Er war auch nicht zur Abwicklung des Versicherungsverhältnisses bevollmächtigt, sondern lediglich zur Nutzung der Yacht berechtigt.

Abgesehen davon, dass die Bekl im erstgerichtlichen Verfahren gar nicht vorbrachten, dass der Kapitän eines Schiffes die zivil- und strafrechtliche Verantwortung für die Sicherheit von Schiffen und Besatzung auf der ganzen Welt trage, weshalb er als Machthaber des Versicherungsnehmers anzusehen sei, bleibt auch völlig offen, inwiefern die von ihr in diesem Zusammenhang bemühten Bestimmungen des (österreichischen) SchFG (Schifffahrtsgesetzes) im vorliegenden Fall überhaupt Geltung haben sollten (vgl § 1 SchFG).

Davon ausgehend erweist sich die Beurteilung des BerufungsG als zutreffend, die allfällige vorsätzliche/grob schuldhafte Herbeiführung der Schäden oder eine allfällige Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Skipper sei der Kl nicht zuzurechnen.

Aufklärungsobliegenheit

Gem § 10 Z 3 PYKB ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, „dem Versicherer ausführliche und wahrheitsgemäße Schadenberichte zu erstatten und dem Versicherer auf dessen Verlangen jede Auskunft zu erteilen, die aus Sicht des Versicherers zur Feststellung des Versicherungsfalls und der Leistungspflicht erforderlich ist. Belege hat der Versicherungsnehmer auf Anfordern des Versicherers beizubringen, soweit die Beschaffung zumutbar ist.“

§ 10 Z 3 PYKB regelt die Aufklärungsobliegenheit. Die Zurechnung des Verhaltens Dritter bei derartigen Informationsobliegenheiten wird in der Lehre als weitgehend unproblematisch betrachtet, weil diese durch die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des bürgerlichen Rechts gelöst werden kann (vgl Fenyves/Perner/Riedler, VersVG [12. Lfg 2023] zu § 6 VersVG Rz 42, 64 f; Hafner, Drittzurechnung bei Obliegenheitsverletzung und Herbeiführung des Versicherungsfalls? 226 ff; vgl 7 Ob 6/97a, 7 Ob 70/15t, RdW 2016/82, 7 Ob 140/16p, Rechtsnews 22432). Der Versicherungsnehmer haftet für eine falsche, unvollständige, verspätete oder unterlassene Information des Versicherers durch den damit beauftragten Dritten gleich wie für eigenes Verschulden (RS0105784 [T1]).

Aus den Feststellungen, insb aus der Formulierung „authorised person in the event of loss: K* U*“ im Versicherungsvertrag folgt jedenfalls dessen Bevollmächtigung zur Erstattung von Schadensmeldungen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die Parteien bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrags davon ausgingen, dass K* U* Skipper der Yacht sein werde, weshalb er auch am besten Auskunft zu allfälligen Schadensfällen geben konnte.

Mit dem Vorbringen der Kl zu dem Verhalten der Bekl Jahre nach Abschluss des Versicherungsvertrags lässt sich keine vom Wortlaut des Versicherungsvertrags abweichende Absicht der Parteien bei Vertragsabschluss begründen. Die Auslegung des Vertrags ist daher aufgrund des Wortlauts vorzunehmen. Aus diesem ergibt sich – wie schon erwähnt – eindeutig, dass der Skipper jedenfalls mit der Abwicklung von Schadensfällen gegenüber den Bekl bevollmächtigt war.

Dass der Skipper die Schadensmeldung nicht mit ausdrücklichem Hinweis auf die Vertretung der Kl verfasste, schadet nicht. Aus den erkennbaren Gesamtumständen – Bevollmächtigung des Skippers zur Schadensabwicklung im Versicherungsvertrag, Verfassung der Schadensmeldung konkret durch diesen – konnte objektiv nur darauf geschlossen werden, dass der Skipper im Rahmen der ihm erteilten Bevollmächtigung für die Kl tätig wurde.

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen ist somit zutreffend, die allfällig unrichtige Schadensmeldung durch den Skipper ist der Versicherungsnehmerin zuzurechnen.

Allerdings gibt es bisher keine gesicherte Sachverhaltsgrundlage, die die Beurteilung erlaubt, ob durch unrichtige Angaben im Schadensbericht die Aufklärungsobliegenheit verletzt wurde.

Dass die von der Bekl als notwendig erachteten Angaben zu den konkreten Umständen iZm dem Unfallablauf und der Verantwortlichkeit der Beteiligten – letzteres insb vor dem Hintergrund der erst im vorliegenden Verfahren geklärten (Nicht-)Zurechnung des Verhaltens des Skippers – jedenfalls aus ex-ante-Sicht abstrakt auf die Feststellung des Versicherungsfalles und der Leistungspflicht der Bekl Einfluss haben könnten, wird zu Recht nicht angezweifelt.

Erst, wenn die Obliegenheitsverletzung bejaht würde, stellte sich dann die Frage nach dem Grad des Verschuldens, dem Kausalitätsgegenbeweis und dem Vorliegen von dolus coloratus.

Der Revision war daher Folge zu geben. Die Entscheidung des BerufungsG war aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an dieses zurückzuverweisen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 37040 vom 18.08.2025