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Kfz-Kaskoversicherung: Fälligkeit – Vorlage einer Rechnung?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

VersVG: § 11, § 15a

§ 11 Abs 1 VersVG legt in seinem ersten Satz fest, dass Geldleistungen des Versicherers grds „mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung des Versicherers nötigen Erhebungen“ fällig sind. Nötig sind jene Erhebungen, die ein sorgfältiger Versicherer braucht, um den Versicherungsfall abschließend festzustellen und zu prüfen, dazu kommt die Prüfung des Umfangs der Leistungspflicht und wem gegenüber diese besteht. Eine gewisse Überlegungsfrist ist dabei zu berücksichtigen.

Ein Abweichen von der Fälligkeitsbestimmung des § 11 Abs 1 VersVG ist unzulässig; es handelt sich dabei um eine einseitig zwingende Fälligkeitsbestimmung zu Gunsten des Versicherungsnehmers (§ 15a Abs 1 VersVG). Bedenklich sind Vereinbarungen, die die Fälligkeit des Anspruchs näher ausgestalten, etwa indem festgelegt wird, welche Erhebungen nötig sind. Sofern diese im Ergebnis nicht dem gesetzlichen Maßstab der nötigen Erhebungen entsprechen, sind derartige Vertragsklauseln aufgrund § 15a Abs 1 VersVG unzulässig.

Eine Versicherungsklausel, die nicht auf nötige Erhebungen des Versicherers abstellt, sondern für den Fall, dass der Versicherungsnehmer das (beschädigte) Fahrzeug nicht veräußert hat, die Vorlage einer Rechnung „über die ordnungsgemäße Wiederherstellung“ verlangt (hier: Art 9.1. Satz 2 PK 2013), wodurch erst die Versicherungsleistung fällig wird, geht jedenfalls in generalisierender Betrachtung über die allein zulässigen nötigen Erhebungen nach § 11 Abs 1 Satz 1 VersVG hinaus. Allein der Umstand, dass ein Versicherungsnehmer nach Erhalt der Versicherungsleistung den Schaden am Kfz doch nicht reparieren lässt, rechtfertigt für den Eintritt der Fälligkeit der Versicherungsleistung nicht die Vorlage einer Rechnung über die „ordnungsgemäß“ durchgeführte Reparatur. Diese Klausel enthält ein unzulässiges Abweichen von der Fälligkeitsbestimmung des § 11 Abs 1 Satz 1 VersVG und ist daher ungültig (§ 15a Abs 1 VersVG), widerspricht sie doch zum Nachteil des Versicherungsnehmers der gesetzlichen Vorgabe des Abschlusses nötiger Erhebungen.

Dass für den Eintritt der Fälligkeit nicht generell die Vorlage der Rechnung gefordert werden kann, zeigt sich auch daraus, dass der Entschädigungsanspruch grds sofort fällig wird (und die Versicherungsleistung mit Leistungsklage geltend gemacht werden kann), wenn der Versicherer – wie hier – die Versicherungsleistung endgültig ablehnt. Die – zu Unrecht erfolgte – Ablehnung der Leistung führt zum Eintritt der Fälligkeit, weil der Versicherer dadurch den Abschluss der Ermittlungen zum Ausdruck bringt.

OGH 24. 1. 2024, 7 Ob 209/23w

Entscheidung

Art 9.1. Satz 2 PK 2013 lautet: „Die Versicherungsleistung wird nach Abschluss der für ihre Feststellung notwendigen Erhebungen fällig. Bei Vorliegen eines Teilschadens ist Voraussetzung für die Beendigung der Erhebungen die Vorlage einer Rechnung über die ordnungsgemäße Wiederherstellung bzw eines Nachweises der Veräußerung in beschädigtem Zustand. [...].“

Am Fahrzeug des Kl wurden Lackbeschädigungen durch mechanische Gewalteinwirkung verursacht. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens lehnte der bekl Kaskoversicherer eine Versicherungsleistung ab, weil kein Vandalismusschaden gemäß Art 1.2. PK 2013 vorliege.

Da Art 9.1. Satz 2 PK 2013 gegen die Fälligkeitsregelung des § 11 Abs 1 Satz 1 VersVG verstößt, kann sich der bekl Versicherer gem § 15a Abs 1 VersVG nicht darauf berufen, dass der Kl eine Rechnung über die Wiederherstellung vorlegen müsste.

Damit kommt es darauf an, ob – was der beweispflichtige Kl behauptet und die Bekl bestreitet – der Versicherungsfall nach Art 1.2. PK 2013 eingetreten ist, wonach Schäden durch mut- oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen zu ersetzen sind. Zu diesem Vorbringen fehlen Feststellungen, die im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen sind.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35084 vom 19.02.2024