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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
Bei der Lebensversicherung kann der Versicherer nach § 163 VersVG wegen einer Verletzung der dem Versicherungsnehmer bei Abschluss des Vertrags obliegenden Anzeigepflicht vom Vertrag nicht mehr zurücktreten, wenn seither drei Jahre verstrichen sind. Das Rücktrittsrecht bleibt bestehen, wenn die Anzeigepflicht arglistig verletzt worden ist.
Bei Vorliegen einer schuldhaften Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten besteht – mangels Arglist – daher Leistungspflicht des Versicherers, wenn der Versicherungsfall nach Ablauf der in § 163 VersVG genannten Ausschlussfrist eintritt, und zwar selbst dann, wenn der Versicherer erst mit dem außerhalb der Frist liegenden Eintritt des Versicherungsfalls Kenntnis von der Anzeigepflichtverletzung erlangt.
OGH 18. 10. 2017, 7 Ob 119/17a
Entscheidung
Ausschlussfrist für Rücktritt
§ 163 VersVG enthält für die Lebensversicherung eine Einschränkung der Regeln, die für die vorvertragliche Anzeigepflicht gelten (dem entspricht § 178k VersVG für die Krankenversicherung).
Die Rücktrittsfrist in § 163 VersVG ist eine Ausschlussfrist (Schauer in Fenyves/Schauer, VersVG § 178k Rz 4, Schwintowski in Honsell, Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz § 163 Rn 4, Kollhosser in Prölss/Martin Versicherungsvertragsgesetz27 § 163 Rn 3). § 163 VersVG ist zugunsten des Versicherungsnehmers zwingendes Recht (Schauer in Fenyves/Kronsteiner/Schauer Komm zu den VersVG-Novellen §§ 163 bis 164 Rz 4, Kollhosser aaO Rn 5, Schwintowski aaO Rn 9).
§§ 163 ff VersVG gehen im Wesentlichen auf die ursprüngliche Fassung des Versicherungsvertragsgesetzes zurück. Die Mat zur VersVG-Novelle 1994, die die Frist auf drei Jahre verkürzt hat, gehen davon aus, dass durch eine außerhalb der Frist geltend gemachte Obliegenheitsverletzung – mangels Arglist – keine Leistungsfreiheit eintreten soll, wenn auch der Versicherungsfall außerhalb der Frist eingetreten ist (ErlRV 1553 Beil 18. GP 27). Der Sinn der Bestimmungen liegt darin, dem Lebensversicherungsvertrag, der für den Versicherungsnehmer oder seine Angehörigen essentielle Bedeutung haben kann, eine besondere Bestandfestigkeit zu verleihen. Dies geschieht dadurch, dass Rechtsfolgen, die an die – wenngleich schuldhafte – Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht oder eine Gefahrenerhöhung geknüpft sind und grundsätzlich unbefristet geltend gemacht werden können, entfallen, wenn ein bestimmter Zeitraum verstrichen ist. Mit den Interessen des Versicherers ist dies verträglich, weil eine besondere Gefahr, die sich während eines langen Zeitraums nicht ausgewirkt hat, für das übernommene Risiko nicht wesentlich erscheint (Schauer in Fenyves/Kronsteiner/Schauer, Komm zu den VersVG-Novellen § 163 bis 164 Rz 1, derselbe in Fenyves/Schauer, VersVG § 178k Rz 1).
Die in §§ 16 ff VersVG enthaltenen Rechte der Vertragsauflösung, insb die Rücktrittsrechte, werden ausgeschlossen. Die Leistungsfreiheit ergibt sich aus der Rückwirkung des Rücktritts. Ist aber aufgrund des Verstreichens der genannten Ausschlussfrist der Rücktritt – mangels Arglist – gerade nicht mehr möglich, dann kann nach dem Zweck des § 163 VersVG auch Leistungsfreiheit nicht mehr geltend gemacht werden. So auch Schauer in Fenyves/Schauer, VersVG, § 178k Rz 13, der davon ausgeht, dass sich die Leistungspflicht des Versicherers nicht in Zweifel ziehen lässt, wenn – wie hier – der Versicherungsfall nach Fristablauf eintritt.
Die Frist beginnt mit Vertragsabschluss (Schauer aaO § 178k Rz 4, Kollhosser aaO § 163 Rn 2, Schwintowksi aaO Rn 4). Sie läuft unabhängig von einer Kenntnisnahme des Versicherers von der Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers (Heiss/Lorenz in Fenyves/Schauer VersVG § 20 Rz 7; Kollhosser aaO § 163 Rn 3, Hohlfeld in Honsell, Berliner Kommentar, § 178k VVG Rn 5).
Arglist – Beweislast
§ 163 VersVG greift nicht ein, wenn der Versicherungsnehmer die Auskunftspflicht arglistig verletzt hat.
Für die arglistige Täuschung reicht bedingter Vorsatz (RIS-Justiz RS0130762). Eine arglistige Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht ist gegeben, wenn der Versicherungsnehmer nicht nur die verschwiegene oder unrichtig angezeigte Tatsache kannte, sondern um die Erheblichkeit dieser Tatsache für den Versicherer wusste. Arglist liegt demnach vor, wenn der Getäuschte absichtlich oder doch bewusst durch unrichtige Vorstellungen zur Einwilligung in einen Vertragsabschluss gebracht wurde (7 Ob 136/08p, Rechtsnews 5778).
Ob die Voraussetzungen für die Annahme von Arglist vorliegen, ist eine Tatfrage. Nach stRsp obliegt auch bei der Anfechtung eines Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung dem Versicherer die volle Beweislast dafür, dass der Versicherungsnehmer ihn in unlauterer Weise durch seine unrichtigen Angaben zur Annahme des Versicherungsvertrags bestimmen wollte. Es besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass ein Versicherungsnehmer, der Antragsfragen bewusst unrichtig beantwortet, regelmäßig auch mit Arglist in Bezug auf die Willensbildung des Versicherers gehandelt hat (7 Ob 136/08p; RIS-Justiz RS0103030).
Die Feststellung einer unrichtigen Angabe ersetzt damit nicht die Feststellung des Täuschungs- und Beeinflussungsvorsatzes. Im vorliegenden Fall fehlen ausdrückliche und klare Feststellungen, aus welchen Gründen die geforderte nähere Erläuterung der Augenoperation unterblieb, die Frage nach einer Krebserkrankung verneint und verschwiegen wurde, dass das rechte Auge entfernt wurde. Das ErstG wird daher im fortgesetzten Verfahren diesbezüglich unmissverständliche Feststellungen zu treffen haben, die die Beurteilung des (Nicht-)Vorliegens von Arglist erlauben.