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ABGB: §§ 922 ff, § 933a, § 1298
EO: § 189, § 210, § 231, § 270
Auf die außergerichtliche Verwertung einer Sondermasse nach § 120 IO ist das Leistungsstörungsrecht des ABGB uneingeschränkt anzuwenden. Für die analoge Anwendung der Gewährleistungsausschlüsse nach § 189 Abs 2 und § 270 Abs 4 EO auf den Freihandverkauf durch den Insolvenzverwalter fehlt eine tragfähige Grundlage.
Soweit Leistungsstörungsansprüche des Erwerbers (insb Gewährleistungsansprüche und Schadenersatzansprüche nach § 933a ABGB) noch nicht befriedigt wurden, handelt es sich um Sondermasseforderungen, die gem § 210 EO angemeldet werden müssen, um an der Verteilung der – ungeminderten – Sondermasse teilzunehmen. Die Verteilungsmasse ist gesetzlich vorgegeben (§ 215 EO); sie besteht aus dem Erlös, den Zinsen aus dem Erlös bis zur Rechtswirksamkeit des Kaufvertrags und den Zinsen für die danach folgende fruchtbringende Anlage. Für eine Berücksichtigung von Leistungsstörungsansprüchen durch unmittelbare Reduktion der zur Verteilung gelangenden Masse fehlt eine Grundlage.
Die Anforderungen des § 210 EO für eine hinreichende Forderungsanmeldung der Sondermasseforderung hat der Erwerber im vorliegenden Fall erfüllt, indem er mit seiner Forderungsanmeldung erkennbar die Kosten des Deckungskapitals für die Verbesserung hinreichend konkret bezeichneter „Schäden“ beansprucht und dazu einen Kostenvoranschlag vorlegt, der die seiner Ansicht nach notwendigen Behebungskosten wiedergibt. Eine rechtliche Qualifikation der Sondermasseforderung ist dafür ebenso wenig erforderlich wie eine Vorwegnahme möglicher Einwendungen in einem Widerspruch – wie hier aus einem vertraglichen Gewährleistungs- oder Haftungsausschluss, zu fehlendem Verschulden, Notwendigkeit der geplanten Arbeiten oder Angemessenheit der dafür veranschlagten Kosten – und Vorlage von Urkunden dazu.
Hat das Insolvenzgericht eine durch außergerichtliche Veräußerung entstandene Sondermasse zu verteilen, ist die Erledigung eines Widerspruchs gem § 231 Abs 1 EO (nur dann) auf den Rechtsweg zu verweisen, wenn die Entscheidung von der Ermittlung und Feststellung streitiger Tatumstände abhängt.
Entscheidung
Ob die Entscheidung über den Widerspruch von der Ermittlung und Feststellung strittiger Tatumstände abhängt oder nicht, ist hier nach dem bisherigen Vorbringen des Erwerbers und des Insolvenzverwalters noch nicht geklärt,
§ 213 Abs 2 EO kann im gegenständlichen Kontext nur dahin verstanden werden, dass im Fall eines Widerspruchs (wie hier) bei der Verteilungstagsatzung mit den anwesenden Parteien zu erörtern ist, ob und bejahendenfalls welche Sachverhaltsfragen strittig sind. Beweise zur inhaltlichen Berechtigung des Widerspruchs sind dagegen in der Verteilungstagsatzung nicht aufzunehmen, weil dem Gericht im Verteilungsbeschluss Feststellungen über streitige Tatumstände verwehrt sind. Letzteres gilt auch dann, wenn hinreichende Beweise in der Verteilungstagsatzung aufgenommen werden könnten, insb durch Aufnahme des Urkundenbeweises (RS0003256; Markowetz in Deixler-Hübner, EO §§ 212–214 EO Rz 31a; Angst in Angst/Oberhammer, EO3 § 213 EO Rz 5).
Im fortgesetzten Verfahren wird das ErstG die nach § 213 Abs 2 EO gebotene Erörterung nachzuholen und dazu den Ersteher und den Insolvenzverwalter zu einer Klarstellung aufzufordern haben, inwiefern das Vorbringen der jeweiligen Gegenseite bestritten oder außer Streit gestellt wird. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass das Sachvorbringen in den Rechtsmittelschriftsätzen und -beantwortungen als unzulässige Neuerungen nur dann der Entscheidung zugrunde gelegt werden kann, wenn es in erster Instanz wiederholt wird.
Dadurch wird insb zu klären sein, inwiefern die Auslegung und damit die Reichweite des Haftungs- und Gewährleistungsausschlusses im Kaufvertrag strittig ist.
Nach § 914 ABGB ist bei der Auslegung von Verträgen nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung der redlichen Verkehrs entspricht. Die Auslegung einer nach Form und Inhalt unbestrittenen Urkunde ist eine Frage rechtlicher Beurteilung. Tatsachenfeststellung ist insb der Schluss von bestimmten Tatsachen auf die Parteiabsicht. Der Wortlaut einer Urkunde ist für die Auslegung allein maßgeblich, solange keine der Vertragsparteien behauptet und im Bestreitungsfall beweist, aufgrund außerhalb der Urkunde liegender Umstände ergäbe sich ein übereinstimmender Wille der Parteien oder ein vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichender objektiver Sinn der Erklärung (RS0043422 [T1, T7, T13]; RS0017834). Die Auslegung des Vertrags begründet daher nur dann eine strittige Tatfrage, die eine Verweisung des Widerspruchs auf den Rechtsweg erfordert, wenn eine der Parteien eine vom objektiven Erklärungswert der Vertragsurkunde abweichende Parteienabsicht behauptet.
Sollte sich aus den Behauptungen der Parteien nach Durchführung einer neuerlichen Verteilungstagsatzung ergeben, dass bereits aus rechtlichen Gründen – und damit unabhängig von allenfalls strittigen Tatumständen – ein Anspruch des Erwerbers dem Grunde nach ausscheidet, wird über den Widerspruch des Insolvenzverwalters im Verteilungsbeschluss zu entscheiden sein.
In allen anderen Fällen wird zumindest die Bestreitung der Höhe der Forderung (samt der damit verbundenen Frage der Notwendigkeit einzelner Schadens- bzw Mängelbehebungsmaßnahmen) die Klärung strittiger Sachverhaltsfragen erforderlich machen, sodass der Insolvenzverwalter mit seinem Widerspruch auf den Zivilrechtsweg zu verweisen wäre.
Hinweis: In seinen Entscheidungsgründen setzt sich der OGH auch sehr ausführlich mit den unterschiedlichen Lehrmeinungen (vor und nach der GREx, BGBl I 2021/86) zur Anwendbarkeit von Gewährleistungsausschlüssen bei einem Freihandverkauf im Insolvenzverfahren auseinander.