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Lohnsteuerabzug bei Abfindungszahlung einer Rechtsanwaltskammer

Bearbeiter: Franz Wallig

EStG 1988: §§ 22 Z 4, 25 Abs 1 Z 3 lit b, 47 Abs 1, 67 Abs 10, 78 Abs 1, 79 Abs 1, 124b Z 53

BAO: § 240

Abstract

Der VwGH hatte in der vorliegenden Rechtssache darüber zu entscheiden, ob eine von der Tiroler Rechtsanwaltskammer ausgezahlte Teilabfindung zum Lohnsteuerabzug verpflichtet. Aus Sicht der Behörde sei die Teilabfindung in Zusammenschau mit der von der Kammer ausbezahlten Altersrente als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit iSd § 25 Abs 1 Z 3 lit b EStG zu beurteilen und es bestünde daher eine Lohnsteuerabzugsverpflichtung. Nach Ansicht des VwGH ist die Teilabfindung getrennt von der Altersrente zu beurteilen und zählt zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gem § 22 Z 4 EStG. Damit war die Rechtsanwaltskammer auch nicht zum Lohnsteuerabzug verpflichtet.

VwGH 8. 5. 2023, Ra 2023/03/0040

Sachverhalt

Beim Revisionswerber handelt es sich um einen in die Liste der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der Tiroler Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwalt. Dieser stellte am 22. 12. 2020 einen Antrag auf Leistungen aus der Versorgungseinrichtung Teil B der Tiroler Rechtsanwaltskammer. Im Detail umfassten die beantragten Leistungen eine Teilabfindung iHv 50 % des Kontostandes und eine Altersrente auf Basis des durch die Teilabfindung reduzierten Guthabens ab 1. 2. 2021. Diesem Antrag wurde am 11. 1. 2021 stattgegeben. Die Teilabfindung betrug nach Abzug der Verwaltungskosten und vor Steuern 41.082,78 Euro und die monatliche Altersrente betrug brutto 130,66 Euro. Auf die Teilabfindung wurde jedoch Lohnsteuer einbehalten, wodurch nur ein Betrag von 22.394,47 Euro zur Auszahlung kam. Daraufhin stellte der Revisionswerber einen Antrag auf Auszahlung des gesamten Bruttobetrages, da nur er selbst die Versteuerung in Hinblick auf die eigene Vermögens- und Ertragslage korrekt durchführen könne. Diesem Antrag wurde nicht Folge gegeben. Daraufhin erhob der Revisionswerber – neben anderen, steuerlich nicht relevanten Punkten – zunächst Vorstellung an den Ausschuss der Tiroler Rechtsanwaltskammer sowie in der Folge Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht. In beiden Verfahren brachte er vor, dass die Rechtsanwaltskammer den Bruttobetrag der Teilabfindung zur Auszahlung hätte bringen müssen. Dem Argument der Behörde, demzufolge diese zur Lohnsteuereinbehaltung verpflichtet sei, trat er mit Hinweis auf die Legaldefinition für Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach § 47 EStG entgegen. Demnach sei nur bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein Lohnsteuerabzug vorzunehmen. Da die Tiroler Rechtsanwaltskammer jedoch weder ein Dienstverhältnis mit dem Revisionswerber abgeschlossen hatte noch eine gesetzliche Pensionskasse sei, könne die Teilabfindung nicht unter § 25 EStG subsumiert werden. Daher sei der Bescheid dahingehend abzuändern, dass der gesamte Teilabfindungsbetrag iHv 41.082,78 Euro an ihn überwiesen werden müsse. Das Verwaltungsgericht hielt dem entgegen, dass Zahlungen für Pensionsabfindungen, deren Barwert den Betrag iSd § 1 Abs 2 Z 1 Pensionskassengesetzes übersteigen, gem § 124b Z 53 iVm § 67 Abs 10 EStG im Kalendermonat der Zahlung zu versteuern sind. Die Steuer sei im gegenständlichen Fall gem § 78 EStG von der Rechtsanwaltskammer abzuführen. Im Übrigen hätte der Rechtsanwalt seine steuerlichen Verhältnisse im Rahmen der Steuererklärung 2021 richtigstellen können.

Entscheidung des VwGH

Der VwGH hält eingangs fest, dass gem §§ 47, 78 und 79 EStG bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gem § 25 EStG ein Lohnsteuerabzug von der auszahlenden Stelle vorzunehmen ist. Voraussetzung für den Lohnsteuerabzug sei, dass die Teilabfindung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit darstelle. Nach dem dafür einzig in Betracht kommenden Tatbestand des § 25 Abs 1 Z 3 lit b EStG würden Bezüge aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen in Betracht kommen, sofern sie gleichartig zu Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung sind. Andernfalls liegen Einkünfte aus selbständiger Arbeit iSd § 22 Z 4 EStG vor, deren Besteuerung allein im Wege der Veranlagung erfolgt. Nach der Rsp des VwGH sind Pensionen Zuwendungen, die ihrer Natur nach laufende Bezüge und in erster Linie für den Unterhalt des Pensionsempfängers bestimmt sind. Mangels laufender Zahlungen über einen längeren Zeitraum komme einer einmaligen Leistung – wie etwa der Teilabfindung – kein Pensionscharakter iSd § 25 Abs 1 Z 3 EStG zu. Die Behörde hat im vorliegenden Fall zwar vorgebracht, dass aufgrund der Altersrente keine lediglich einmalige Zahlung vorliegen könne. Allerdings unterscheidet die Satzung Teil B der Tiroler Rechtsanwaltskammer explizit zwischen den Leistungen „Altersrente“ und „Abfindung bei Inanspruchnahme der Altersrente“. Aus Sicht des VwGH handelt es sich daher um eine gesonderte Leistung und nicht um eine lediglich einmalig erhöhte Zahlung der laufenden Altersrente. Daher komme der Teilabfindung mangels laufender Zahlung kein Pensionscharakter zu und es handle sich um Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 22 Z 4 EStG. Dementsprechend hätte von der Rechtsanwaltskammer kein Lohnsteuerabzug vorgenommen werden dürfen.

Dennoch wurde dem Begehren des Revisionswerbers vom VwGH nicht stattgegeben. Nach § 240 Abs 1 BAO ist bei Abgaben, die – wie etwa im Falle des Lohnsteuerabzugs – für Rechnung eines Abgabepflichtigen ohne dessen Mitwirkung einzubehalten und abzuführen sind, der Abfuhrpflichtige berechtigt, während eines Kalenderjahres zu Unrecht einbehaltene Beträge (lediglich) bis zum Ablauf dieses Kalenderjahres auszugleichen oder auf Verlangen des Abgabepflichtigen zurückzuzahlen. Nach der Rsp des OGH sind Erstattungsansprüche wegen eines überhöhten Lohnsteuerabzuges demnach nach Ablauf des Kalenderjahres der Auszahlung nicht gegen den (ehemaligen) Arbeitgeber, sondern nach § 240 Abs 3 BAO gegen das Finanzamt zu stellen. Eine Auszahlung der zu Unrecht einbehaltenen Lohnsteuer durch die Tiroler Rechtsanwaltskammer an den Revisionswerber kommt daher nach § 240 Abs 1 BAO nicht mehr in Betracht.

Conclusio

Im vorliegenden Fall präzisiert der VwGH seine bisherige Rsp zu Leistungen der Kammern. Demnach sind laufende Bezüge aus einer Versorgungs- oder Unterstützungseinrichtung der Kammern aufgrund des Pensionscharakters nichtselbständige Einkünfte gem § 25 Abs 1 Z 3 lit b EStG und Einmalzahlungen Einkünfte aus selbständiger Arbeit gem § 22 Z 4 EStG (siehe bspw VwGH 21. 7. 2021, Ro 2021/13/0001 Rz 35 mwN). Wird eine Einmalzahlung im gleichen Zeitraum wie eine Altersrente ausbezahlt, sind die beiden Leistungen steuerlich getrennt zu beurteilen und können verschiedenen Einkunftsarten zugerechnet werden.

Darüber hinaus hätte die Rechtsanwaltskammer dem Antrag des Revisionswerbers zur Auszahlung des gesamten Bruttobetrages wohl nicht nachkommen müssen, wenn sie den Fehler eingestanden hätte. Gem § 240 Abs 1 BAO ist die Rechtsanwaltskammer dazu berechtigt, eine solche Korrektur (vor Ablauf des Kalenderjahres der Auszahlung) durchzuführen. Jedoch besteht nach hL (siehe bspw Blum/Weninger in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO: Stoll Kommentar – Digital First2.06 [2023] § 240 Rz 7) für diese keine Verpflichtung zur Vornahme einer Korrektur und § 240 Abs 1 BAO sieht auch kein Antragsrecht des Steuerpflichtigen vor. Der VwGH sprach als obiter dictum aus, dass aufgrund der fehlenden Korrekturpflicht und der nicht vorhandenen Antragsmöglichkeit bei einer Abweisung des Antrages wohl keine Verletzung der subjektiven Rechte des Steuerpflichtigen vorliege.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass der Revisionswerber die Besteuerung der Teilabfindung im Rahmen der Veranlagung richtigstellen hätte können. Die durch Steuerabzug erhobene Lohnsteuer wäre dann gem § 46 EStG auf die ermittelte Einkommensteuerlast angerechnet worden. Aus diesem Grund scheidet auch eine Antragsmöglichkeit gem § 240 Abs 3 BAO aus, da diese dem Steuerpflichtigen ausschließlich subsidiär zu einem Ausgleich im Wege der Veranlagung offensteht (Blum/Weninger in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO: Stoll Kommentar – Digital First2.06 [2023] § 240 Rz 16; Ritz, Beschränkte Steuerpflicht, Rückzahlungsantrag und Ansässigkeitsbescheinigung, SWI 2019, 129 [130]).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34355 vom 07.08.2023