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1. Im vorliegenden Fall kommt der Antragsgegnerin sowohl im Neuwagen- als auch im Werkstättenbereich eine marktbeherrschende Stellung iSd § 4 Abs 3 KartG 2005 zu. Sie tritt auf dem Endkundenmarkt indirekt durch eine Tochtergesellschaft (die in ihrem Mehrheitseigentum steht) als Konkurrentin der selbstständigen Händler auf (und damit auch als Konkurrentin der Antragstellerin). Bei dieser Tochtergesellschaft ist mit dem Ergebnisabführungsvertrag eine garantierte Verlustabdeckung verbunden, die ihre Rentabilität nicht überlebenswichtig macht und es ihr daher erlaubt, die Abgabepreise am Endkundenmarkt niedriger zu kalkulieren (was sie auch tatsächlich tut) und dadurch Kunden von den Vertragshändlern abzuziehen. Diese Preissetzung führt nach den Feststellungen auch bei der Tochtergesellschaft zu Verlusten (die von der Antragsgegnerin abgedeckt werden) – nicht nur bei der (insofern möglicherweise ineffizienten) Antragstellerin; die Frage des Ergebnisses eines effizienten Wettbewerbers stellt sich somit gar nicht. Auf dieser Grundlage kam das ErstG zu Recht zum Schluss, dass sich die Antragsgegnerin in diesem Beschwerdepunkt missbräuchlich verhält, weil es der Antragstellerin unmöglich ist, die niedrigen Endkundenpreise der Tochtergesellschaft einzustellen. Dass die Verluste der Tochtergesellschaft zum Teil auch auf anderen Ursachen beruhen, ändert an dieser Beurteilung nichts.
Eine Margenbeschneidung (Kosten-Preis-Schere, margin squeeze), bei der hohe Entgelte für Vorleistungsprodukte die Mitbewerber zwingen, ihren Endkunden höhere Entgelte zu berechnen als der vertikal integrierte Marktbeherrscher seinen eigenen Endkunden für entsprechende Dienstleistungen in Rechnung stellt, kann unter folgenden vier Voraussetzungen gerechtfertigt sein: (1) Nachweis von Effizienzvorteilen, die den Nachteil der Verdrängungswirkung mindestens ausgleichen und (2) auch dem Verbraucher zugute kommen, wobei (3) die Effizienzvorteile mit den Verdrängungswirkungen im Zusammenhang stehen und (4) letztere zur Erreichung der Vorteile erforderlich sein müssen. Hinweise auf das Vorliegen der genannten Rechtfertigungsgründe sind im vorliegenden Fall nicht zu erkennen.
2. § 5 Abs 1 Z 1 KartG 2005 verfolgt ersichtlich den Zweck, dass Vertragsbestimmungen verpönt sein sollten, die unter normalen Marktbedingungen zwar (noch) legitim waren, aber Vorteile und Risiken eines Rechtsgeschäfts einseitig zu Gunsten des marktbeherrschenden Unternehmens verteilten und so entweder mit wettbewerblichen Schutzzwecken oder mit der Sicherung individueller Belange vor Ausbeutung in Konflikt gerieten. Geschäftsbedingungen sind nach dieser Bestimmung bei offenbarer Unbilligkeit unangemessen. Dies ist unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen. Abzuwägen sind dabei die berechtigten Interessen der durch die Risikoverteilung begünstigten Antragsgegner mit den Nachteilen, die eine solche Klausel für den Kl brachte, wobei diese Beurteilung nicht auf eine einzelne Geschäftsbedingung beschränkt werden darf, sondern es kann eine solche Klausel durch andere (günstige) Vertragsbestandteile „kompensiert“ werden
OGH als KOG 17. 2. 2021, 16 Ok 4/20d
Entscheidung
Marktbeherrschende Stellung
Der Beherrschungstatbestand nach § 4 Abs 3 KartG 2005 stellt auf eine außergewöhnliche Gewichtsverteilung bei Geschäftsbeziehungen im Vertikalverhältnis ab. Die Frage, ob eine beherrschende Stellung vorliegt, wird nicht durch einen Vergleich mit Wettbewerbern beantwortet, sondern durch die Analyse der Geschäftsbeziehung mit bestimmten Unternehmern der Marktgegenseite.
Auch wenn man im vorleigenden Fall von getrennten Märkten ausgehen wollte, ist die Antragstellerin nach den Feststellungen in beiden Bereichen zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung mit der Antragsgegnerin angewiesen, macht doch im Neuwagenbereich ihr Umsatz mit Fahrzeugen der betreffenden Marke rund 68 % des Gesamtumsatzes aus (bei etwa 2/3 Kundenanteil ohne Bereitschaft, die Fahrzeugmarke zu wechseln), im Werkstättenbereich beträgt der betroffene Umsatzanteil ca 60 %, sodass in beiden Bereichen der Verlust des Vertrags mit der Antragsgegnerin existenzbedrohend wäre. Das Erfordernis einer markenübergreifenden Marktabgrenzung bei separater Betrachtung der Werkstättenleistungen ergibt sich auch nicht aus der Rsp des dt BGH.
Auch im Anlassfall ist davon auszugehen, dass ein durchschnittlicher P*****-Kunde, der eine Werkstätte heranzieht, auch nach Ablauf der Garantiefrist eher Wert darauf legen wird, sein Auto von einer P*****-Vertragswerkstatt instand halten zu lassen. Das ErstG ist daher zutreffend sowohl im Neuwagen- als auch im Werkstättenbereich vom Vorliegen einer Marktbeherrschung der Antragsgegnerin gem § 4 Abs 3 KartG 2005 ausgegangen.
Konditionenmissbrauch
Ein Konditionenmissbrauch liegt dann vor, wenn die vom Marktbeherrscher erzwungenen Konditionen offensichtlich unbillig sind bzw zu den Kosten der Leistungserbringung in einem offensichtlichen Missverhältnis stehen. Regelmäßig ist eine Interessenabwägung im Einzelfall unerlässlich. Orientierung gibt dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er verbietet einem Marktbeherrscher nicht nur die Verfolgung eines grundsätzlich legitimen unternehmerischen Zwecks mit unlauteren Mitteln, sondern darüber hinaus auch alles, was den Vertragspartner in seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit mehr als erforderlich einschränkt.
Im Anlassfall sind bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit des Zwangs zur Teilnahme an Aktionen der Antragsgegnerin viele Aspekte zu berücksichtigen. Eine abschließende Beurteilung der Missbräuchlichkeit ist allerdings noch nicht möglich, da nicht feststeht, in welchem Umfang die Preisfestsetzungsautonomie der Antragstellerin durch das beanstandete Verhalten eingeschränkt wird.
Keine Bedenken hatte der OGH jedoch gegen die Beurteilung des ErstG hinsichtlich der Koppelung von Prämienzahlungen mit Kundenzufriedenheitsumfragen (Interessenabwägung zu Ungunsten der Antragsgegnerin) und hinsichtlich “überambitionierter“ bzw bewusst überhöhter Festsetzung der Jahres- und Monatsziele.
Als unzulässigen Konditionenmissbrauch iSd § 5 Abs 1 Z 1 KartG erachtet der OGH auch das Refundierungssystem für die Kosten von Garantie bzw Gewährleistungsarbeiten, das zu einer Kostenunterdeckung im Bereich von 5–10 % führt: Auch wenn der Antragsgegnerin zuzugestehen ist, dass sie sich davor schützen können muss, Arbeiten nicht bezahlen zu müssen, die nicht unter die Garantie bzw Gewährleistung fallen, heißt das noch nicht, dass sie auch innerhalb dieser Fälle zusätzlich andere Fehler definieren darf, die dazu führen, dass ihre Vertragspartner die Aufwendungen für die Überprüfung der Richtigkeit der Abrechnungen tragen – noch dazu im überwiegenden Ausmaß.
Ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung („sonstiger Konditionenmissbrauch“ iSd § 5 Abs 1 Z 1 KartG) liegt weiters vor, wenn die Antragsgegnerin unter dem Deckmantel der Schulungspauschale nicht nur tatsächliche Schulungskosten, sondern auch Kosten für Mystery Shopping, Mystery Leads und Standard-Audit im Ausmaß von 2.000 € (von insgesamt 5.000 €) kompensationslos auf die Antragstellerin überwälzt (diese Kosten hatte die Antragsgegnerin ursprünglich selbst getragen und nach massiven Protesten der Händler gegen ihren Versuch, diese Kosten auf die Händler zu überwälzen, letztlich in die Schulungspauschale „aufgenommen"). Auch das behauptete legitime Interesse der Antragsgegnerin an einer „Kontrolle von Schulungsergebnissen“ hat keineswegs die Zulässigkeit der Überwälzung der Kosten solcher Kontrollmaßnahmen auf die Kontrollierten zur Folge.
Nicht zu überzeugen vermag auch das Argument der Antragsgegnerin, eine Gesamtbetrachtung führe zur Zulässigkeit der Kostenüberwälzung: Mystery Shopping, Mystery Leads und Standardkriterien-Audits liegen alle im offensichtlichen alleinigen Interesse der Antragsgegnerin. Nur aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung ist es ihr möglich, diese Kosten auf die Antragstellerin zu überbinden. Gerade auch eine Gesamtinteressenabwägung führt in diesem Punkt zur Bejahung des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung durch die Antragsgegnerin.