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Missstände in der Schweinehaltung – Kritik an Lebensmitteleinzelhändler

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 1330

EMRK: Art 10

UrhG: § 42f

UWG: § 7

Die Kl des Ausgangsverfahrens (hier Provisorialverfahren) ist eine Lebensmitteleinzelhandelsgesellschaft, die einem Konzern mit einer Vielzahl von Supermärkten im In- und Ausland angehört und gerichtsnotorisch über eine bedeutende Marktmacht verfügt. Sie bietet (auch) Produkte aus Vollspaltenbodenhalten an und hatte sich selbst am Diskurs zur Tierwohl-Problematik öffentlich beteiligt. Die Behauptung des bekl Tierschutzvereins, die Kl sei für Missstände in der Schweinhaltung verantwortlich, ist ein Werturteil, das durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist. Der verständige und unbefangene Adressat wird die Äußerungen nicht in dem Sinn interpretieren, dass die Kl tatsächlich Tiere quält, sondern dass sie durch den (überwiegenden) Verkauf von Schweinefleisch aus Vollspaltenbodenhaltung einen (wesentlichen) Beitrag zu vermehrtem Tierleid leistet. Diese Äußerungen sind als Teil einer politischen Diskussion über Tierschutz zu sehen. Auch die gewählte Form der Darstellung mit „Schockbildern“ ändert nichts, schützt die Meinungsäußerungsfreiheit doch auch schockierende Äußerungen. Es ist dem Bekl im Rahmen der Meinungsäußerungsfreiheit auch nicht verwehrt, nur an der Kl Kritik zu äußern.

Die Verwendung von Layout und Logo der Kl erfolgt im konkreten Fall als Bezugnahme auf die unternehmerische Tätigkeit und das Produktangebot der Kl iZm der Kritik des Bekl an der konventionellen Schweinehaltung mit Vollspaltenboden und insofern in akzessorischer Natur. Die Verwertung der Unternehmenskennzeichen wird durch die Aktionen des Bekl auch nicht ungebührlich verletzt. Zweck der Verwendung von Logo und Layout der Kl durch den Bekl ist die Bezugnahme auf die Tätigkeit der Kl, auf die sich auch die Kritik des Bekl bezieht. Dabei werden die Unternehmenskennzeichen im Ergebnis parodiert (vgl zu Parodien nun auch explizit § 42f Abs 2 UrhG), und zwar in einer Weise, die es dem durchschnittlichen Betrachter auch deutlich erkennbar macht, dass es sich etwa um keinen Flyer der Kl selbst, sondern um die Kritik des Bekl handelt. Damit beeinträchtigt die Darstellung – auch einschließlich der vorgenommenen Änderungen – nicht unmittelbar die sonstige wirtschaftliche Verwertung des Logos, sondern ist Ausdruck der kritischen Auseinandersetzung mit der unternehmerischen Tätigkeit, die die Kl unter diesem Logo führt. Die konkrete Ausgestaltung mit dem stilisierten herablaufenden Blut und den verwendeten „Schockbildern“ weist, wenn auch in besonders massiver Form, einen Bezug zum Thema der Kritik auf. Auch hier schlägt somit insgesamt die Interessenabwägung zu Gunsten der Meinungsäußerungsfreiheit des Bekl aus.

Für die Erfüllung des Tatbestands nach § 7 UWG ist Wettbewerbsabsicht erforderlich (hier allenfalls Förderung fremden Wettbewerbs), die dann fehlt, wenn sie gegenüber den anderen Motiven ganz in den Hintergrund tritt. Hier ist die Äußerung des Bekl, ein Mitbewerber der Kl sei „bei Schweine Vollspaltenboden vorbildlich“ iZm seinem generellen Vorwurf an die Kl zu sehen, zu wenig gegen die Vollspaltenbodenhaltung zu tun. Im Vordergrund steht somit die „politische“ Botschaft und nicht das Bestreben, den Wettbewerb eines anderen (noch größeren) Konzerns im Bereich des Lebensmitteleinzelhandels zu fördern.

OGH 17. 10. 2023, 4 Ob 13/23z

Entscheidung

Nicht bescheinigt

Mit der Behauptung, die Kl wäre nicht bereit, eine Verbesserung in der Schweinehaltung voranzutreiben, sie wäre als Lebensmittelhändlerin bekannt, die die Entwicklung zu mehr Tierwohl bremse, und sie wäre eine der größten Bremserinnen in Richtung verbesserter Tierhaltung, weist der Bekl der Kl eine aktive Rolle in der Verhinderung von mehr Tierschutz zu. Dasselbe gilt für die Behauptung, die Kl zeige sich von allen Supermarktketten am allerwenigsten bereit, den Ausstieg aus der Vollspaltenbodenhaltung zu unterstützen. Allerdings haben die Tatsacheninstanzen als nicht bescheinigt erachtet, dass die Kl von allen Supermarktketten am meisten ein Verbot des Vollspaltenbodens behindert oder bei Preisverhandlungen (die für Tierwohl-Entwicklungen zentral sind) am meisten von allen Supermärkten preisdrückend auftritt, sowie dass die Kl Tierwohl-Entwicklungen verzögert oder verhindert.

Wenn auch die Kl durch ihren Absatz an die Letztverbraucher eine nicht unmaßgebliche Rolle in der Verbreitung des Schweinefleisches aus Vollspaltenbodenhaltung und damit mittelbar an der Tierquälerei selbst spielt, so ist damit noch nicht gesagt, dass sie am meisten das Vollspaltenbodenverbot verhindert und nicht bereit wäre, eine Verbesserung in der Schweinehaltung voranzutreiben, bzw am allerwenigsten bereit sei, den Ausstieg der österreichischen Schweinebranche aus der Haltung auf Vollspaltenboden zu unterstützen. Dagegen spricht schon die – ebenfalls bescheinigte – Teilnahme der Kl an Tierwohl-Projekten. Die hier gegenständlichen Vorwürfe des Bekl sind unrichtige Tatsachenbehauptungen iSv § 1330 Abs 2 ABGB.

Dasselbe gilt für die Behauptung, die Kl würde den Konsumenten Fleisch von Schweinen aus tierquälerischer Intensivtierhaltung mit Vollspaltenböden „aufzwingen“. Dies entspricht schon deshalb nicht der Bescheinigungslage, weil es die Vorinstanzen als bescheinigt erachteten, dass die Kl auch Schweinefleisch im Rahmen von Tierwohl-Projekten verkauft. Von einem „Aufzwingen“ der Vollspaltenböden-Ware kann daher keine Rede sein.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34769 vom 23.11.2023