News

Möbel-Kopien in Hotelhalle - Eingriff in das Verbreitungsrecht?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

UrhG § 16

1. Der Urheber hat gem § 16 Abs 1 UrhG (Verbreitungsrecht) das ausschließliche Recht, Werkstücke zu verbreiten: Ohne seine Einwilligung dürfen Werkstücke „weder feilgehalten noch auf eine Art, die das Werk der Öffentlichkeit zugänglich macht, in Verkehr gebracht werden“. Nach der EuGH-Rsp setzt eine derartige Verbreitungshandlung eines Übertragung des Eigentums an dem Gegenstand voraus.

Sind in einer - öffentlich zugänglichen - Hotellobby als Sitzgelegenheiten für die Hotelgäste und sonstigen Besucher des Hotels Nachbildungen urheberrechtlich geschützter Möbelstücke aufgestellt (hier: Fauteuils), so liegt darin mangels Übertragung des Eigentums an diesen Gegenständen kein Eingriff in das Verbreitungsrecht des Urhebers.

2. Nach § 18a Abs 1 UrhG (Zurverfügungstellungsrecht) hat der Urheber das ausschließliche Recht, „das Werk der Öffentlichkeit drahtgebunden oder drahtlos in einer Weise zur Verfügung zu stellen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist“. § 18a UrhG beschränkt das Zurverfügungstellungsrecht nicht auf bestimmte Werkkategorien oder auf zweidimensionale Werke.

Der Senat vertritt die Ansicht, dass durch ein im Internet veröffentlichtes Lichtbild, auf dem die Nachbildung des geschützten Sofas klar zu erkennen ist, das Werk mit seinem künstlerischen Wert Dritten zur Verfügung gestellt und damit in das Recht des Urhebers nach § 18a UrhG eingegriffen wird. Dass es sich bei den im Internet gezeigten Möbelstücken um Nachahmungen und nicht um das Originalwerk handelte, schließt eine Verletzung nach § 18a UrhG nicht aus.

OGH 20. 4. 2016, 4 Ob 61/16y

Sachverhalt

Le Corbusier (bürgerlicher Name: Charles Edouard Jeanneret) entwarf 1928 als Haupturheber mit Pierre Jeanneret und Charlotte Perriand als Miturheber eine Serie von „Corbusier-Möbel“, die als klassisches Möbel-Design der Moderne Weltruhm erlangten. Die Möbelstücke wurden erstmals vom französischen Atelier Thonet produziert und in Frankreich vertrieben. Die Rechtsnachfolger der Urheber räumten der kl P mit Vertrag vom 20. 11. 2002 das exklusive Recht ein, die Möbel dieser Serie herzustellen und zu verkaufen.

Die bekl P betreibt als Pächterin ein Hotel. Die (damalige) Verpächterin hatte den Viertnebenintervenient mit der Innenraumgestaltung des Hotels (einschließlich Möblierung) beauftragt; er entwarf für die Hotellobby Fauteuils mit Stahlrohrgestell, die Ähnlichkeiten mit dem Fauteuil LC2 von Le Corbusier aufweisen. 24 Stück dieser Fauteuils wurden in der Hotellobby als Sitzgelegenheiten für die Hotelgäste und sonstigen Besucher des Hotels aufgestellt. Diese Möbel stehen im Eigentum der nunmehrigen Verpächterin. Die Bekl hat die Möbel weder erworben noch deren Aufstellung veranlasst.

Die Kl begehrte zuletzt, der bekl P zu untersagen, Vervielfältigungsstücke oder Bearbeitungen des Corbusier-Fauteuils LC2 zu verbreiten (1. Unterlassungsbegehren) und der Öffentlichkeit Fotos davon zur Verfügung zu stellen (2. Unterlassungsbegehren).

Der OGH gab sowohl dem auf § 18a UrhG gestützten Unterlassungsbegehren statt als auch dem Urteilsveröffentlichungsbegehrens betr Veröffentlichung im Fachmagazin „hotelstyle“ und auf der Website der bekl P. Das auf § 16 UrhG gestützte Unterlassungsbegehren, das Rechnungslegungsbegehren und das Urteilsveröffentlichungsbegehren bezüglich der „KRONEN ZEITUNG“ wies der OGH ab.

Entscheidung

Verbreitungsrecht - Abgehen von Provisorialentscheidung

Infolge der Entscheidung EuGH 17. 4. 2008, C-456/06, Peek & Cloppenburg, LN Rechtsnews 4874 vom 18. 4. 2008 = RdW 2008/261, geht der OGH nun von seiner Entscheidung im Provisiorialverfahren ab (OGH 20. 5. 2008, 4 Ob 83/08x, LN Rechtsnews 5589 vom 18. 8. 2008 = RdW 2008/525).

Im Provisorialverfahren ging der Senat unter Bezugnahme auf die bisherige Rsp (RIS-Justiz RS0076899) noch von einem weiten Begriff iZm dem Begriff „in Verkehr gebracht“ aus und subsumierte darunter die Fälle, dass einem anderen „die tatsächliche oder rechtliche Verfügungsmacht über ein Werkstück, insb durch Verkaufen, Verschenken, Verleihen oder Vermieten, eingeräumt wird.“ Der Senat hatte daher keine Bedenken gegen die Ansicht des Zweitgerichts, dass die beklagte Hotelpächterin einen Eingriff in das Verbreitungsrecht des Urhebers zu verantworten hat, weil sie die Nachbildungen urheberrechtlich geschützter Möbelstücke laufend und unbefugt den Hotelgästen zum Gebrauch überlässt.

Diese Judikatur ist nach Ansicht des Senats nun mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des EuGH (EuGH 17. 4. 2008, C-456/06, Peek & Cloppenburg) nicht aufrecht zu erhalten. Nach dieser E liegt eine Verbreitung auf andere Weise als durch Verkauf iSv Art 4 Abs 1 der RL 2001/29/EG nur bei einer Übertragung des Eigentums an diesem Gegenstand vor; weder der bloße Umstand, dass der Öffentlichkeit der Gebrauch von Werkstücken eines urheberrechtlich geschützten Werks ermöglicht wird, noch der Umstand, dass diese Werkstücke öffentlich gezeigt werden, stellen daher eine solche Verbreitungsform dar (Rn 41).

Der hier zu beurteilende Fall unterscheidet sich in den maßgeblichen Grundlagen nicht von der Konstellation, die der EuGH zu beurteilen hatte. Schon aufgrund des Gebots der richtlinienkonformen Auslegung sieht sich der Senat nicht veranlasst, die vom EuGH bereits beantworteten Fragen abweichend zu beurteilen und in das Auslegungsmonopol des EuGH einzugreifen.

Das erste Unterlassungsbegehren kann nach Ansicht des OGH auch nicht auf § 16a UrhG (Vermieten und Verleihen) gestützt werden. Abgesehen davon, dass Werke der angewandten Kunst von der Anwendung eines Vermiet- und Verleihrechts ausgeschlossen sind (vgl § 16a Abs 4 UrhG und Art 3 Abs 2 RL 2006/115/EG [VermietRL]), regelt § 16a UrhG kein eigenständiges urheberrechtliches Verwertungsrecht. Diese Bestimmung bezieht sich vielmehr nur auf das Erschöpfungsrecht des § 16 Abs 3 UrhG und sieht Sonderregeln dafür vor, dass der Berechtigte das Werkstück vermietet oder verleiht.

Ob die bekl P in das Verbreitungsrecht des § 16 UrhG eingegriffen hat, bestimmt sich somit ausschließlich nach dieser Norm, deren Anwendungsbereich „vom EuGH hinreichend geklärt“ ist. Es musste deshalb auch nicht mehr geprüft werden, ob hier das Verbreitungsrecht nach § 16 Abs 4 UrhG ausgeschlossen ist.

Eingriff in das Zurverfügungstellungsrecht

Der Eingriff in das Zurverfügungsstellungsrecht wurde vom OGH bejaht (Foto auf der Website der Bekl, auf dem die Nachbildung des geschützten Sofas klar zu erkennen ist; siehe Leitsatz).

Dinsichtlich des zweiten Unterlassungsbegehrens verwarf der OGH auch den Einwand, dass es sich bei den Fauteuils um eine Parodie auf das geschützte Werk handle: Weder liegt eine inhaltliche oder künstlerische Auseinandersetzung mit bestimmten Aussagen und Eigenheiten des Fauteuils LC2 von Le Corbusier vor noch erkennt der Betrachter, dass die Parodie gerade nicht vom Urheber des parodierten Werks stammt. Auch eine gegenteilige Intention bzw antithematische Behandlung ist nicht im Ansatz erkennbar.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21937 vom 07.07.2016