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MwSt-Ausschuss: Neue Leitlinien zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Tankkartengeschäften

Bearbeiter: Bence Péter Komár

MwStSyst-RL: Art 14 Abs 2 lit c

Abstract

Als Reaktion auf das Urteil des EuGH in der Rs Vega International hat der MwSt-Ausschuss am 6. 9. 2023 auf Grundlage eines Working Papers der Europäischen Kommission (WP 1067 vom 5. 7. 2023, taxud.c.1(2023)7144579) neue Leitlinien veröffentlicht. In diesen äußert der Ausschuss seine Ansicht zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Tankkartengeschäften. Rechtsdogmatisch geht es dabei um die Frage, welche Kriterien erfüllt werden müssen, damit Tankkartengeschäfte unter die Regelung des Art 14 Abs 2 lit c MwStSyst-RL (Kommissionsgeschäft, vgl § 3 Abs 3 UStG) fallen.

Leitlinien des MwSt-Ausschusses vom 6. 9. 2023, Dokument B – taxud.c.1(2023)9993327 – 1068

Sachverhalt

In der Rs Vega International (EuGH 15. 5. 2019, C-235/18, Vega International) bezog die Steuerpflichtige, Vega International Tankkarten verschiedener Kraftstoffanbieter. Sie gab ihrer Tochtergesellschaft Vega PL die Tankkarten (zulässig) weiter, um deren Versorgung mit Kraftstoff über Tankstellen der tankkartenausgebenden Kraftstoffanbieter zu ermöglichen. Die Kraftstoffanbieter stellten Rechnungen über den Verkauf von Kraftstoff an Vega International aus. Vega International verrechnete die mit dem Betanken verbundenen Kosten mit einem Zuschlag von 2 % der Tochtergesellschaft Vega PL. Zu keinem Zeitpunkt konnte Vega International jedoch darüber entscheiden, wie und wozu der schlussendlich von Vega PL bezogene Kraftstoff verwendet werden soll. Zudem war nur Vega PL in der Lage zu bestimmen, bei welcher Tankstelle von den durch Vega International mitgeteilten Anbietern sie die Fahrzeuge betankt. Über Qualität und Menge sowie den Zeitpunkt des Kaufs des Kraftstoffs und die Lieferanten konnte maßgeblich des im Urteil geschilderten Sachverhalts auch nur Vega PL entscheiden. Der EuGH verneinte im gegenständlichen Fall das Vorliegen einer Lieferkette (zwei aufeinander folgende Lieferungen). Vega International war in Bezug auf den Kraftstoff niemals Empfänger einer Lieferung gem Art 14 Abs 1 MwStSyst-RL (vgl § 3 Abs 1 UStG), weil sie zu keinem Zeitpunkt die Verfügungsmacht über den Kraftstoff erlangte. Somit konnte sie auch keine umsatzsteuerbare Lieferung des Kraftstoffs an Vega PL ausführen. Der von Vega International ausgeführte Umsatz wurde vom EuGH als eine umsatzsteuerfreie Finanzdienstleistung iSd Art 135 Abs 1 lit b MwStSyst-RL qualifiziert, mit der Konsequenz, dass Vega International für die Umsatzsteuer, die sie auf den bezogenen Kraftstoff gezahlt hatte, keinen Vorsteuerabzug geltend machen konnte.

Leitlinien des MwSt-Ausschusses

Gem Art 14 Abs 2 lit c MwStSyst-RL gilt die Übertragung eines Gegenstands auf Grund eines Kommissionsvertrags auch als Lieferung von Gegenständen. Leg cit bewirkt iZm Tankkartengeschäften, dass eine umsatzsteuerliche Lieferung von Kraftstoff durch den Kraftstoffanbieter an den Tankkartenaussteller fingiert wird, ohne dass der Tankkartenaussteller die Verfügungsmacht iSd Art 14 Abs 1 MwStSyst-RL über den Kraftstoff erlangen müsste. Damit der Anwendungsbereich der Bestimmung eröffnet ist, ist es erforderlich, dass (i) das Eigentumsrecht am Kraftstoff iSd formalen Rechtstellung auf den Tankkartenaussteller übertragen wird, (ii) die Leistung an den Tankkartenaussteller und die Leistung des Tankkartenausstellers an den Tankkartenberechtigten ähnlich sind und (iii) es eine entsprechende Vereinbarung zwischen dem Tankkartenaussteller und dem Tankkartenberechtigten gibt.

Das erste Kriterium stellt auf Vertragsverhältnisse zwischen zwei Personen innerhalb der fingierten Lieferkette ab. Es erfordert, dass die Parteien das Risiko der Leistungsstörung nur gegenüber deren Vertragspartnern tragen, nicht aber gegenüber anderen Gliedern der Kette. Genauso sollen die Parteien den Preis für die einzelnen Leistungen völlig unabhängig voneinander festlegen. Letztens soll der Tankkartenaussteller durch Genehmigung jeder einzelnen Transaktion im Rahmen seiner vertraglichen Vereinbarungen mit dem Kraftstoffanbieter und dem Tankkartenberechtigten über die Bedingungen des tatsächlichen Kraftstoffbezugs entscheiden, einschließlich Qualität, Menge, Ort und Zeitpunkt und bestätigen können, dass der Tankkartenberechtigte direkt über den Kraftstoff verfügen darf. Das zweite Kriterium verlangt lediglich, dass der Tankkartenaussteller den Kraftstoff, der durch den Kraftstoffanbieter physisch geliefert wird, nicht verändert.

Das dritte Kriterium der Kommissionsvereinbarung erfordert letztens, dass der Tankkartenaussteller entweder auf Rechnung des Kraftstoffanbieters leistet (Verkaufskommission) oder für den Tankkartenberechtigten (Einkaufskommission) erwirbt und sich die gewählte Kommissions-Struktur in den zugrundeliegenden Verträgen widerspiegelt.

Conclusio

Besonders interessant ist die erste Voraussetzung, nämlich die Übertragung des Eigentums iSd formalen Rechtstellung und wann konkret diese erfüllt wird. Soweit der MwSt-Ausschuss und die Europäische Kommission verlangen, dass der Tankkartenaussteller über Qualität, Menge, Ort und Zeitpunkt des Kaufs entscheidet, scheint dies zu den übrigen Ausführungen der Europäischen Kommission und zur EuGH-Rsp in Widerspruch zu stehen. Wenn der Tankkartenaussteller die Entscheidungsbefugnis über Qualität, Menge, Ort und Zeitpunkt des Kraftstoffbezugs hat, dann spricht dies nämlich nach der Rsp in den Rs Auto Lease Holland, Wojskowa Agencja Mieszkaniowa und Vega International dafür, dass er Empfänger einer Lieferung iSd Art 14 Abs 1 MwStSyst-RL ist (EuGH 6. 2. 2003, C‑185/01, Auto Lease Holland, Rn 36; 16. 4. 2015, C-42/14, Wojskowa Agencja Mieszkaniowa, Rn 26; 15. 5. 2019, C‑235/18, Vega International, Rn 36). Dies hat wiederum zur Folge, dass er eine Lieferung an den Tankkartenberechtigten tätigen kann und es bräuchte keine Lieferung gem Art 14 Abs 2 lit c MwStSyst-RL fingiert zu werden.

Die Europäische Kommission führt in ihrem Working Paper selbst aus, dass Art 14 Abs 2 lit c MwStSyst-RL – ähnlich wie lit a leg cit – keinen Hinweis auf die „Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen“ (Übertragung der Verfügungsmacht) enthält. In Bezug auf Art 14 Abs 2 lit a MwStSyst-RL hat der EuGH in der Rs Gmina Wroclaw nämlich bereits ausgesprochen, dass ein solcher Hinweis im Wortlaut der Bestimmung nicht enthalten ist. Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber die Tatbestände des Art 14 Abs 1 und Abs 2 lit a MwStSyst-RL unterscheiden wollte (EuGH 13. 6. 2018, C-665/16, Gmina Wroclaw, Rn 35). Weiters hat der Gerichtshof zum Art 14 Abs 2 lit c MwStSyst-RL in der Rs ITH Timisoara auch angedeutet, dass die Übertragung der Verfügungsmacht keine Voraussetzung für die Anwendung des Art 14 Abs 2 lit c MwStSyst-RL ist (EuGH 12. 11. 2020, C-734/19, ITH Timisoara, Rn 49, 50).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34850 vom 14.12.2023