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Nach Aufhebung durch VwGH: BFG holt Typenvergleich und Einkünftezurechnung zu liechtensteinischer Stiftung nach

Bearbeiter: Valentin Bendlinger

KStG 1988: § 1 Abs 2 und Abs 3

EStG 1988: § 1 Abs 2

Steuerabkommen Österreich-Liechtenstein

Abstract

Eine liechtensteinische Stiftung erhält in den Jahren 2007 und 2008 Ausschüttungen einer liechtensteinischen Kapitalgesellschaft. Bei einer Außenprüfung des in Österreich ansässigen Stifters vertritt der Prüfer die Ansicht, die Kapitaleinkünfte aus eben jener Kapitalgesellschaft seien dem Stifter und nicht der liechtensteinischen Stiftung zuzurechnen. Die Rs landete beim VwGH (VwGH 16. 11. 2021, Ro 2021/15/0001; siehe Scharizer, LexisNexis Rechtsnews 32144 vom 1. 3. 2022), der rügte, dass kein Typenvergleich vorgenommen wurde und sohin nicht beurteilt werden konnte, wem für Zwecke der Einkünftezurechnung das wirtschaftliche Eigentum an den Kapitalanteilen an der liechtensteinischen Kapitalgesellschaft zukommt. Nach Aufhebung des erstinstanzlichen Erkenntnisses war das BFG zur neuerlichen Entscheidung berufen und hat nun den Typenvergleich wie auch die Einkünftezurechnung nachgeholt.

BFG 18. 10. 2022, RV/1100299/2021

Sachverhalt

Im Februar 2017 fand eine Außenprüfung bei einem in Ö ansässigen Stifter einer liechtensteinischen Stiftung statt. Mit Urkunde vom 16. 12. 2004 wurde die liechtensteinische H Stiftung (im Folgenden Stiftung) mit einem Stiftungsvermögen von 30.000 SFR errichtet. Der Stiftungszweck lautete „Die Verwaltung des Stiftungsvermögens zur Unterstützung von Angehörigen bestimmter Familien, die durch ein Beistatut festgelegt ist“. Die Stiftung erhielt im Jahr 2007 eine Ausschüttung von ca 306.000 € und im Jahr 2008 eine Ausschüttung von ca 1.003.000 € einer liechtensteinischen Anstalt (vergleichbar mit einer österr GmbH). Die ausgeschütteten Beträge gewährte die Stiftung der Anstalt als verzinsliche Darlehen. Der Prüfer ging davon aus, dass die Stiftung in Ö als steuerlich „transparent“ zu behandeln sei. Neben weiteren Argumenten hielt der Prüfer va fest, dass es an einer konkretisierten Begünstigtenregelung fehle, weil das im Stiftungszweck genannte Beistatut erst 2011 erlassen worden sei, weshalb die Stiftung nicht mit einer österr Stiftung vergleichbar sei. Das habe im Streitfall die Konsequenz, dass das Stiftungsvermögen und die daraus generierten Einkünfte steuerrechtlich dem in Ö ansässigen Stifter zuzurechnen seien. Das BFG pflichtete dem im ersten Verfahrensgang bei.

Mit seinem Erkenntnis vom 16. 11. 2021, Ro 2021/15/0001, hob der VwGH die Entscheidung des BFG betreffend alle im Spruch genannten Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes auf: Der VwGH hielt fest, dass die vom BFG ins Treffen geführte Transparenzfiktion in Art 2 Abs 2 lit a des Steuerabkommens mit Liechtenstein nur hinsichtlich der in diesem Abkommen vorgesehenen Einmalzahlung gelten kann. Letztere soll die in der Vergangenheit angefallene Einkommensteuer von natürlichen Personen abgelten. Wenn es aber nicht zu einer pauschalen Einmalzahlung kommt, erfolge die Zurechnung der Einkünfte nach den dem EStG 1988 zugrundeliegenden Zurechnungsgrundsätzen. Eine solche erfolgte aber nicht, weshalb das Steuerabkommen keine Auswirkungen auf die in Ö entfallende Einkommensteuer entfalten konnte. Das BFG hat – so der VwGH – die Einkünftezurechnung daher zu Unrecht auf Art 2 Abs 2 des Steuerabkommens gestützt. Vielmehr bedarf es nach dem VwGH eines vollständigen Typenvergleichs, um die gegenständliche Stiftung aus der Sicht des österr Ertragssteuerrechts ausnahmsweise nicht als Körperschaft einzustufen. Sohin war neuerlich das BFG berufen, einen Typenvergleich vorzunehmen und über die Einkünftezurechnung abzusprechen.

Entscheidung des BFG

Der Frage der Zurechnung der Einkünfte vorgelagert ist die Frage, ob es sich bei dem ausländischen Rechtsgebilde überhaupt um eine Körperschaft handelt (Heinrich in Lachmayer/Strimitzer/Vock, KStG § 7 Rz 37). Um aus Sicht des österr Ertragsteuerrechts ein ausländisches Rechtsgebilde ausnahmsweise nicht als Körperschaft einzustufen, bedarf es eines vollständigen Typenvergleichs (VwGH 16. 11. 2021, Ro 2021/15/0001). Hier verweist das BFG auf einige Punkte, die für eine Vergleichbarkeit eines ausländischen Rechtsgebildes mit einer Privatstiftung iSd PSG sprechen (siehe Achatz/Bieber in Achatz/Kirchmayr, KStG § 1 Tz 277 ff): Dazu zählen die Rechtsfähigkeit, der Charakter eigentümerlosen Vermögens, Vermögenswidmung durch den Stifter zur Erreichung eines bestimmten Zwecks, zwingend vorgesehene Stiftungsorgane, bestimmbarer Begünstigtenkreis und beschränkte Haftung durch das Stiftungsvermögen. Der Typenvergleich erschöpft sich sohin nicht in der Beurteilung der Rechtsfähigkeit nach der ausländischen Rechtsordnung, sondern es bedarf vielmehr eines breiteren Vergleichs der Strukturelemente des ausländischen Gebildes. Zwar erkennt das BFG in der liechtensteinischen Stiftung Elemente des Typenvergleichs, die gegen die Vergleichbarkeit mit einer Privatstiftung nach PSG sprechen, jedoch betont das BFG die auch in der Literatur vertretene Ansicht, dass ein ausländisches Rechtsgebilde für das Vorliegen von Vergleichbarkeit nicht sämtliche Kriterien erfüllen muss. Eine strukturelle Vergleichbarkeit ist für Zwecke des Typenvergleichs ausreichend.

In weiterer Folge beschäftigt sich das BFG mit der Einkünftezurechnung von Kapitalvermögen an die Stiftung und kommt zu dem Schluss, dass der österr Stifter nicht wirtschaftlicher Eigentümer des Kapitalvermögens war und die entsprechenden Einkünfte sehr wohl der Stiftung zuzurechnen waren. In diesem Zusammenhang bringt das BFG zunächst zum Ausdruck, dass maßgeblicher Gesichtspunkt für die Zurechnung von Kapitaleinkünften weder die „Transparenz“ noch die „Intransparenz“ des ausländischen Gebildes, noch die Entscheidungsbefugnis des Stifters oder der Begünstigten als solche sein können. Vielmehr stellt sich nach Bejahen des Typenvergleichs die Frage, ob der liechtensteinischen Stiftung das wirtschaftliche Eigentum an dem Kapitalvermögen zukommt. Dafür spricht nach dem BFG va, dass es kein Abberufungsrecht des Stifters im Hinblick auf den Stiftungsrat gab und dass weder der Stifter noch andere Dritte ein Bankzeichnungsrecht für das Bankkonto der Stiftung hatten. Das BFG befand die genannten Indizien für eine wirtschaftlich-beherrschende Stellung des Stifters sohin für nicht ausreichend, um von einer Dispositionsbefugnis des Stifters über die strittigen Einkünfte auszugehen. Den Stifter treffe weder das Risiko eines Wertverlustes noch die Chance einer Wertsteigerung, weshalb ihm das gewidmete Vermögen und die zugrundeliegenden Einkünfte nicht zugerechnet werden können.

Conclusio

Die Einkünftezurechnung zu ausländischen Rechtsgebilden hat die hg Judikatur in den letzten Jahren gleich mehrfach beschäftigt: Auch in seinen Erkenntnissen zur ertragsteuerlichen Behandlung ausländischer Investmentgesellschaften (siehe VwGH 13. 1. 2021, Ro 2018/13/0003, dazu V. Bendlinger, LN Rechtsnews 31085 vom 23. 6. 2021 und auch VwGH 30. 6. 2021, Ro 2018/13/0011, dazu Lawson, Rechtsnews 31854 vom 21. 12. 2021) hat der VwGH ausdrücklich festgehalten, dass sich die Frage der Einkünftezurechnung erst beantworten lässt, wenn dem ausländischen Vehikel nach inländischem Recht überhaupt Einkünfte zugerechnet werden können. Das kann nur der Fall sein, wenn es sich bei dem ausländischen Vehikel um eine Körperschaft iSd § 1 Abs 3 lit a KStG handelt, die einem inländischen Vehikel, das durch § 1 Abs 2 Z 1 und Z 3 KStG steuerlich erfasst werden kann, zumindest vergleichbar ist (umfassend Pinetz/Steiner, Der Typenvergleich in der steuerlichen Beratungspraxis [2018] 7). Denn wenn österr Recht das Vehikel gar nicht als Körperschaft anerkennen könnte, wären etwaige Einkünfte dem Vehikel nach österr Verständnis gar nicht erst „zurechenbar“. Erst wenn anhand des Typenvergleichs feststeht, dass eine Einkünftezurechnung an das ausländische Vehikel grundsätzlich möglich ist, stellt sich die Frage, ob die strittigen Einkünfte dem Vehikel oder einem anderen Steuersubjekt zuzurechnen sind.

Für die Einkünftezurechnung als zweiten Prüfungsschritt ist die Vergleichbarkeit des Vehikels allerdings nicht mehr relevant: Wie das BFG treffend hervorgehoben hat, stellt sich vielmehr die Frage, ob dem Vehikel oder der dahinterstehenden Person die entsprechenden Einkünfte zuzurechnen sind. Das richtet sich wiederum nach dem wirtschaftlichen Eigentum, also der faktischen Herrschaft gleich eines Eigentümers (vgl grundlegend VwGH 27. 11. 2020, Ra 2019/15/0162; ausf Klokar, ecolex 2021, 358) über das den Einkünften zugrundeliegende Wirtschaftsgut; und wenn dieses Wirtschaftsgut in einer Gesamtbetrachtung – wie im hier vorliegenden Fall – der Disposition des Anteilseigners oder Stifters entzogen ist, sind wirtschaftliches Eigentum und die zugrundeliegenden Einkünfte dem ausländischen Vehikel zuzurechnen. Dann käme eine transparente Besteuerung nur in Betracht, wenn das ausländische Vehikel als „ausländischer Kapitalanlagefonds“ iSd § 188 InvFG zu qualifizieren wäre, was im hier gegenständlichen Sachverhalt unstrittig nicht der Fall war (ausf zu dieser Prüfungsreihenfolge siehe bereits G. Kofler, Abschirmwirkung [2002] 459).

Die vorliegende Entscheidung ist sohin überzeugend und bereichert den Rechtsbestand zum Typenvergleich und der nachgelagerten Einkünftezurechnung. Als Fazit lassen sich aus dieser Entscheidung – mE noch deutlicher als aus der vorangegangenen VwGH-Entscheidung – zwei Kernaussagen für die steuerliche Behandlung ausländischer Rechtsgebilde filtern: Erstens steht – wie auch zahlreiche Literaturstellen längst bestätigen (siehe etwa Hohenwarter-Mayr in Kofler et al., KStG³ [2022] § 1 Rz 65) – der Vergleichbarkeit eines ausländischen Vehikels mit einer inländischen Körperschaft nicht entgegen, dass das ausländische Vehikel nicht jegliche Charakteristika seines inländischen Pendants (im vorliegenden Fall eben eine Privatstiftung nach PSG) teilt. Einer Vergleichbarkeitsprüfung ist schließlich immanent, dass die zugrundeliegenden Vergleichsparameter gerade nicht ident sind. Zweitens ist der Typenvergleich – wie auch der VwGH ua in seinem Erkenntnis vom 13. 1. 2021, Ro 2018/13/0003 (V. Bendlinger, LN Rechtsnews 31085 vom 23. 6. 2021) betont hat – strikt von der Frage der Einkünftezurechnung zu trennen. Wenn ein ausländisches Vehikel einem Typenvergleich nicht standhält, können ihm nach inländischem Recht mangels Steuersubjektivität ohnehin keine Einkünfte zugerechnet werden. Wenn das ausländische Vehikel aber vergleichbar ist, hängt die Einkünftezurechnung ausschließlich von der Frage ab, ob diesem Vehikel nach österr Rechtsgrundsätzen das wirtschaftliche Eigentum an dem den Einkünften zugrundeliegenden Wirtschaftsgut zugerechnet werden kann. Für diese Frage ist der Typenvergleich aber nicht entscheidend. Vielmehr liegt es dann an der konkreten Ausgestaltung der ausländischen Rechtsordnung, ob das Vermögen der Disposition von Gesellschafter oder Stifter tatsächlich entzogen ist oder letztere – wie wirtschaftliche Eigentümer im österreichischen Rechtssinn – über das Wirtschaftsgut verfügen können.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33393 vom 13.12.2022