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Nachträgliche „Umqualifizierung“ einer verdeckten Gewinnausschüttung in eine nicht steuerbare Einlagenrückzahlung?

Bearbeiter: Valentin Bendlinger

KStG: § 8 Abs 2

EStG: § 4 Abs 12

BAO: § 4 Abs 2 lit a Z 2

Abstract

Die A-GmbH tätigt eine verdeckte Ausschüttung (vA) an ihren Alleingesellschafter, wobei keine KESt einbehalten wird. Folglich wird die A-GmbH mittels Bescheid für die KESt zur Haftung herangezogen. Diese wendet ein, es seien zumindest zum Teil Einlagen rückgezahlt worden, für die keine KESt zu erheben. Fraglich war, ob und bis wann Ausschüttungen im Nachhinein als Einlagenrückzahlung „umqualifiziert“ werden können.

VwGH 5. 2. 2021, Ro 2019/13/0027

Sachverhalt

Im Jahr 2009 mitbeteiligte A-GmbH (im Folgenden „Mitbeteiligte“) veräußerte Anteile an der E-GmbH. Der Kaufpreis von 473.181,80 € sollte laut Zahlungsvereinbarung um 20.000 € an die Mitbeteiligte und mit einem Betrag von 453.181,80 € an ihren Alleingesellschafter ausbezahlt werden. Im Jahresabschluss der Mitbeteiligten wurden 20.000 € als Veräußerungserlös erfasst. Das Finanzamt nahm das Verfahren wieder auf, wertete den Betrag von 453.181,80 € als verdeckte Ausschüttung (vA) und zog die Mitbeteiligte zur Haftung für den auf diesen Betrag entfallende KESt (25 %) heran. Das Finanzamt führte aus, dass bei der Mitbeteiligten nur 20.000 € abgebildet worden seien und der Kaufpreisteil von 453.181,80 € ausschließlich dem Alleingesellschafter zugeflossen sei. Der vermögenswerte Vorteil stamme aus dem Gesellschaftsverhältnis und sei sohin als vA zu qualifizieren. Die Mitbeteiligte erhob Beschwerde und wendete ein, es liege eine Einlagenrückzahlung vor, weil ihr Gesellschafter in der Vergangenheit einen Zuschuss gewährt habe, welcher für eine Einlagenrückzahlung zur Verfügung stehe. Das Erkenntnis des BFG gab der Beschwerde teilweise Folge. Der Betrag von 453.181,80 € sei grundsätzlich korrekt als vA qualifiziert worden, jedoch sei zum Zeitpunkt der vA ein positiver Einlagestand von 68.643,73 € vorgelegen. In Bezug auf diesen Betrag sei eine „Umdeutung“ in eine Einlagenrückzahlung möglich und sohin unterliege lediglich der verminderte Betrag von 384.538,07 € der KESt. Das Finanzamt bekämpfte das Erkenntnis mittels ordentlicher Amtsrevision insoweit, als die 68.643,73 € nicht in die Bemessungsgrundlage der KESt einbezogen wurden.

Entscheidung des VwGH

Maßgeblich für die Entscheidung war § 4 Abs 12 EStG idF AbgÄG 1996. Der VwGH hält zunächst fest, dass Kapitalgesellschaften nach der Rechtslage vor dem Steuerreformgesetz 2015/16 frei wählen konnten, ob Zuwendung an ihre Gesellschafter als verdeckte oder offene Ausschüttung iSd § 27 EStG oder als Einlagenrückzahlung iSd § 4 Abs 12 EStG qualifiziert werden. Voraussetzung für eine Einlagenrückzahlung ist jedoch, dass ausreichend Einlagen vorhanden sind. Bei verdeckten Zuwendungen ist im Zweifel, wenn kein Nachweis einer Einlagenrückzahlung vorliegt, von einer (verdeckten) Ausschüttung auszugehen (VwGH 22. 11. 2018, Ra 2018/15/0037). Jedenfalls ist in Bezug auf die getätigte Zuwendung iHv 453.181,80 € unstrittig, dass sämtliche Voraussetzungen für eine KESt-pflichtige vA iSd § 27 Abs 1 Z 1 EStG vorlagen. Im vorliegenden Fall ist im zeitlichen Zusammenhang mit der Vorteilszuwendung von der Mitbeteiligten keine Wahl getroffen worden. Der VwGH geht folglich umfassend auf die Frage ein, bis wann sich eine Kapitalgesellschaft entscheiden hätte müssen, ob die Vermögenszuwendung als Ausschüttung oder Einlagenrückzahlung getätigt wird.

In der Literatur wird vertreten, dass bei einer offenen Ausschüttung das § 4 Abs 12 EStG innewohnende faktische Wahlrecht, mit Abgabe der KESt-Anmeldung (V. Bendlinger, taxlex 2019, 143), spätestens aber mit Ende des betroffenen Wirtschafjahres (Kirchmayer/Rzepa in D/K/M/Z, EStG, Tz 467/1) verwirkt sei. Darauf bezugnehmend führt der Gerichtshof aus, dass das Gesetz die Möglichkeit, eine Ausschüttung nach dem Entstehen der Steuerschuld als Einlagenrückzahlung zu qualifizieren, nicht vorsieht. Um nicht zu unsachlichen Differenzierungen zu gelangen, ist die Entstehung des Abgabenanspruches nach § 4 Abs 2 lit a Z 2 BAO als Endzeitpunkt zu werten, bis zu welchem die Kapitalgesellschaft dem Finanzamt gegenüber die Wahl zugunsten einer Einlagenrückzahlung zu treffen hat. Dies steht nach dem VwGH auch im Einklang mit der ständigen Rsp, wonach die Rückgängigmachung einer vA iSd § 8 Abs 2 KStG nur bis zum Bilanzstichtag des betroffenen Wirtschaftsjahres möglich ist (ua VwGH 25. 11. 2009, 2007/15/0196). Im vorliegenden Fall ist festgestanden, dass die Mitbeteiligte eine Qualifikation als Einlagenrückzahlung nicht erklärt hatte. Folglich war auch der streitgegenständliche Betrag von 68.643,73 € der KESt zu unterwerfen.

Conclusio

Der VwGH hat nun ausdrücklich (zur Rechtslage vor dem StRefG 2015/2016) festgehalten, dass auch vA als Einlagenrückzahlung qualifiziert werden können. Sohin ist es für das Vorliegen einer Einlagenrückzahlung irrelevant, ob offen oder verdeckt ausgeschüttet wird, solange die betroffene Gesellschaft einen positiven Einlagestand nachweisen kann (V. Bendlinger, taxlex 2019, 146; siehe ausführlich auch Marschner, HB Einlagenrückzahlung 89 ff). Nach der geltenden Rechtslage ist nach § 4 Abs 12 Z 4 EStG idF AbgÄG 2015 allerdings für die offene Ausschüttung – nicht jedoch für die verdeckte Ausschüttung – zusätzlich eine positive Innenfinanzierung Voraussetzung (ausführlich mit einem Prüfungsschema für das Vorliegen einer Einlagenrückzahlung, siehe Mayr/Schlager, HB Einlagenrückzahlung 11 f). Zugleich stellte der VwGH erstmals fest, bis zu welchem Zeitpunkt Kapitalgesellschaften festlegen müssen, ob eine Vermögenszuwendungen als Einlagenrückzahlung oder als Ausschüttung getätigt wird. Nach dem VwGH ist dabei der Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches maßgeblich, wobei dieser nach § 4 Abs 2 lit a Z 2 BAO mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, entsteht (zur Entscheidung siehe auch Zorn, RdW 2021, 209; ausführlich zur Frage des Zeitpunkts der Ausübung des Wahlrechts nach § 4 Abs 12 EStG siehe auch V. Bendlinger, taxlex 2019, 146).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30998 vom 08.06.2021