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Nicht offenes Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung – Anspruch auf Teilnahme?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

BVergG 2018: § 20, § 122

Gemäß § 122 Abs 1 BVergG 2018 hat beim nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung die Aufforderung zur Angebotsabgabe nur an geeignete Unternehmer zu erfolgen. Die Auswahl der aufzufordernden Unternehmer hat in nicht diskriminierender Weise stattzufinden. Der öffentliche Auftraggeber hat die aufzufordernden Unternehmer so häufig wie möglich zu wechseln (Abs 2). Die Anzahl der aufzufordernden Unternehmer ist entsprechend der Leistung festzulegen und darf beim nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung nicht unter drei liegen. Die festgelegte Anzahl muss einen echten Wettbewerb gewährleisten und den besonderen Erfordernissen der zur Ausübung gelangenden Leistung Rechnung tragen (Abs 3).

Davon ausgehend hat selbst ein geeigneter Unternehmer grds kein uneingeschränktes Recht auf Teilnahme an einem nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung bzw auf Aufforderung zur Angebotsabgabe in einem solchen Verfahren. Der öffentliche Auftraggeber ist jedoch bei der Auswahl der geeigneten Unternehmer, die er zur Angebotsabgabe auffordert, nicht völlig frei. Vielmehr hat die Auswahl in nicht diskriminierender Weise stattzufinden, es sind mindestens drei geeignete Unternehmer einzuladen und der öffentliche Auftraggeber hat die aufzufordernden Unternehmer so häufig wie möglich zu wechseln.

Um die Einhaltung dieser gesetzlichen Vorgaben zu gewährleisten, kommt einem geeigneten, jedoch nicht zur Angebotsabgabe aufgeforderten Unternehmer zur Durchsetzung des Diskriminierungsverbots (§ 20 Abs 1 BVergG 2018) das Recht zu, vom öffentlichen Auftraggeber nicht aus unsachlichen, somit diskriminierenden Gründen gesetzwidrig von der Aufforderung zur Angebotsabgabe ausgeschlossen zu werden. Dieses Recht kann er mit einem Nachprüfungsantrag (vorliegend gem § 3 Oö VergRSG 2006) geltend machen. Andernfalls bliebe eine diskriminierende und insofern gem § 122 Abs 2 erster Satz BVergG 2018 gesetzwidrige Auswahl zur Angebotsabgabe entgegen dem sowohl unionsrechtlich als auch innerstaatlich verankerten Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes für den betroffenen Unternehmer unbekämpfbar.

VwGH 25. 6. 2024, Ra 2021/04/0127, 0128

Entscheidung

Behauptete Diskriminierung

Vorliegend hat die erstrevisionswerbende Partei ihren Nachprüfungsantrag auf Nichtigerklärung der Aufforderung zur Angebotsabgabe auch auf eine unsachliche und insofern diskriminierende Nichtberücksichtigung bei der Auswahl der aufzufordernden Unternehmer gestützt. Sie hat dazu vorgebracht, ihre Eignung ergebe sich sich aus dem ersten widerrufenen Vergabeverfahren sowie dem vom VwG für nichtig erklärten zweiten Vergabeverfahren. Ihre Nichtberücksichtigung sei eine „Sanktion“ der Auftraggeberin für die Anfechtung des Widerrufs des ersten Vergabeverfahrens und der Ausschreibung des zweiten Vergabeverfahrens.

Indem das VwG den Nachprüfungsantrag abwies, ohne auf dieses Vorbringen zur behaupteten Diskriminierung näher einzugehen, hat es das angefochtene Erkenntnis in diesem Umfang mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Änderung der Zuschlagskriterien

Ihren Nachprüfungsantrag gegen die Ausschreibungsunterlage stützt die erstrevisionswerbende Partei auf die unzulässige Änderung der Zuschlagskriterien während des offenen Vergabeverfahrens, die einen Widerruf erfoderlich mache.

Die (ebenfalls bekämpfte) Wahl des Vergabeverfahrens zugunsten eines nicht offenen Verfahrens ohne vorherige Bekanntmachung ist nicht zu beanstanden. Selbst im Fall eines Widerrufs dieses Vergabeverfahrens könnte die Auftraggeberin daher wiederum ein nicht offenes Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung wählen und wäre allein im Hinblick auf den Widerruf wegen unzulässiger Änderung der Zuschlagskriterien nicht verpflichtet, auch die erstrevisionswerbende Partei zur Angebotsabgabe aufzufordern. Der Erstrevisionswerberin steht zwar ein Recht zu, von der Auftraggeberin nicht aus unsachlichen, somit diskriminierenden Gründen gesetzwidrig von der Aufforderung zur Angebotsabgabe ausgeschlossen zu werden, nicht jedoch ein uneingeschränktes Recht auf Aufforderung zur Angebotsabgabe und somit auf Teilnahme an einem nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung.

Nicht die Zuschlagskriterien (weder die ursprünglichen noch die nunmehrigen) hindern die erstrevisionswerbende Partei an einer Teilnahme am nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung, sondern die Auswahl der aufzufordernden Unternehmer durch die Auftraggeberin. Ein drohender Schaden der erstrevisionswerbenden Partei ist unter diesen Gesichtspunkten allein in Bezug auf die bekämpfte Ausschreibungsunterlage nicht plausibel und ihre Antragslegitimation in diesem Umfang zu verneinen. Der Revision ist diesbezüglich bereits deshalb ein Erfolg zu versagen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35884 vom 23.09.2024