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Offene österreichische EuGH-Verfahren – Übersicht

Bearbeiter: Barbara Tuma

Zusammengestellt von Barbara Tuma, LexisNexis-Redaktion

Derzeit sind – soweit überblickbar – folgende österreichische Vorabentscheidungsersuchen und Klagen der EU-Kommission gegen Österreich bzw Klagen Österreichs beim EuGH anhängig:

1. Vorabentscheidungsersuchen

1.1. Zivilrecht und Zivilverfahren

-Zuständigkeit nach widerrechtlicher Verbringung eines Kindes: Kann der Mitgliedstaat, der für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig ist, dennoch ersuchen, dass sich das Gericht des anderen Mitgliedstaats für zuständig erklärt, in den das Kind widerrechtlich verbracht wurde und zu dem es (nun) eine besondere Bindung hat? Vorabentscheidungsersuchen des LG Korneuburg. Schlussanträge vom 23. 3. 2023 zu C-87/22, TT.

1.2. Wirtschaftsrecht und öffentliches Recht

1.2.1. Diverses

-Apotheken-Großhandel: Hinsichtlich des Widerrufs einer Betriebsbewilligung stellen sich Fragen ua betr die Anforderungen an die Bezugsquellen gem Art 80 RL 2001/83/EG [zur Schaffung eines Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel]. Vorabentscheidungsersuchen des BVwG. Schlussanträge vom 16. 3. 2023 zu C-47/22, Apotheke B.
Hinweis: Der Generalanwalt geht in seinen Schlussanträgen von der Unzuständigkeit des EuGH aus.
-Lebensmittel – Eignung für den menschlichen Verzehr: Der VwGH möchte vom EuGH iZm Art 14 Abs 5 Lebensmittelbasisverordnung wissen, ob ein Lebensmittel auch dann zum Verzehr ungeeignet ist, wenn es bei bestimmungsgemäßem Verzehr zu einer massiven Überschreitung der täglichen Aufnahmemenge eines Lebensmittelzusatzstoffes führt, die die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit als zulässig angesehen hat. Vorabentscheidungsersuchen VwGH 12. 12. 2022, Ro 2021/10/0001 (EU 2022/0019), Rechtsnews 33528. Beim EuGH anhängig zu C-790/22, Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck.
-SektorenRL: Vorlagefragen betr Zuständigkeit einer vergaberechtlichen Nachprüfungsstelle bei einem Auftraggeber mit Anknüpfungspunkten zu verschiedenen Mitgliedstaaten; Fragen ua betr Anwendungsbereich (Frage 1) und Reichweite (Frage 2) der Kollisionsnorm des Art 57 Abs 3 SektorenRL. Vorabentscheidungsersuchen VwGH 23. 6. 2022, EU 2022/0012 bis EU 2022/0015 (Ro 2021/04/0001 bis 0004), Rechtsnews 32878. Beim EuGH anhängig zu C-480/22, EVN Business Service ua.
-Kartell – Reichweite der Kronzeugenregelung der Art 6 und 7 RL 2014/104/EU (KartellschadensersatzRL) und Art 31 RL (EU) 2019/1: Mehrere Vorlagefragen, ua betr Wirkung des Schutzes von Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen sowie daraus gewonnenen Informationen auch gegenüber Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaften und Strafgerichten). Vorabentscheidungsersuchen des OLG Wien. Beim EuGH anhängig zu C-2/23, FL und KM Baugesellschaft und S.
-Abgasmanipulationen“ - internationale Zuständigkeit für deliktische Schadenersatzklage gegen den Entwickler des Dieselmotors mit unzulässiger Abschalteinrichtung. Vorabentscheidungsersuchen OGH 15. 12. 2022, 3 Ob 206/22y, RdW 2023/251. Beim EuGH anhängig zu C-81/23, FCA Italy und FPT Industrial.

1.2.2. Konsumentenschutz

-Neuerliches Widerrufsrecht gem Art 9 Abs 1 RL 2011/83/EU (Verbraucherrechte-RL) auch bei „automatischer Verlängerung“ eines Fernabsatzvertrags (Abonnements)? Vorabentscheidungsersuchen OGH 20. 7. 2022, 3 Ob 103/22a, Rechtsnews 33002. Beim EuGH anhängig zu C-565/22, Verein für Konsumenteninformation.

1.2.3. Medien und Kommunikationsdienste

-Privatkopieausnahme – Anwendung auch noch, wenn bei einem Geschäftsmodell die Vervielfältigung in einer Intensität betrieben werden kann, dass es sich letztlich einer Online-Mediathek bzw einem Streaming-Portal zumindest annähert? Weitere Frage betr den Begriff „öffentliche Wiedergabe“, insb betr die subjektiven Tatbestandsmerkmale. Vorabentscheidungsersuchen OGH 27. 5. 2021, 4 Ob 40/21t, Rechtsnews 31215. Schlussanträge vom 15. 12. 2022 zu C-426/21, Ocilion IPTV Technologies, Rechtsnews 33409.
-Kommunikationsplattformen: mehrere Vorlagefragen betr Vereinbarkeit der Verpflichtungen des KoPl-G für die Anbieter von Kommunikationsplattformen mit der E-Commerce-RL und der AVMD-RL. Vorabentscheidungsersuchen VwGH 24. 5. 2022, Ro 2021/03/0032-0034 (EU 2022/0003-0005), Rechtsnews 32667 = RdW 2022/365. Schlussanträge vom 8. 6. 2023 zu C-376/22, Google Ireland ua, Rechtsnews 34133.
Hinweis: Auf Ersuchen des EuGH beschäftigt sich der Generalanwalt nur mit der ersten Vorlagefrage.

1.2.4. Datenschutz

-Personalisierte Werbung einer Plattform (soziales Netzwerk): Fragen ua betr das Verhältnis „Einwilligung“ in die Datenverarbeitung und „Erforderlichkeit“ der Datenverarbeitung zur Erfüllung des Vertragszwecks sowie betr die Möglichkeit der Verarbeitung auch sensibler Daten, wenn der Betreffende sie „offensichtlich öffentlich gemacht" hat. Vorabentscheidungsersuchen OGH 23. 6. 2021, 6 Ob 56/21k, Rechtsnews 31291. Beim EuGH anhängig zu C-446/21, Schrems.
-DSGVO bei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen? Der VwGH möchte vom EuGH ua wissen, ob die DSGVO auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss anwendbar ist und ob die Anwendbarkeit gegebenenfalls vom Untersuchungsgegenstand abhängt. Vorabentscheidungsersuchen VwGH 14. 12. 2021, Ro 2021/04/0006 (EU 2021/0009), Rechtsnews 32009. Schlussanträge vom 11. 5. 2023 zu C-33/22, Österreichische Datenschutzbehörde, Rechtsnews 34046.
-Mobilfunkdaten und Datenschutz: Mehrere Vorlagefragen va betr Grundrechtseingriff durch den Zugang öffentlicher Stellen zu den auf Mobiltelefonen gespeicherten Daten. Vorabentscheidungsersuchen des LVwG Tirol. Schlussanträge vom 20. 4. 2023 zu C-548/21, Bezirkshauptmannschaft Landeck, Rechtsnews 33955.
-Auskunft gem Art 15 DSGVO: Welche inhaltlichen Erfordernisse muss eine erteilte Auskunft erfüllen, um als ausreichend „aussagekräftig“ iSv Art 15 Abs 1 Buchst h DSGVO eingestuft zu werden? Vorabentscheidungsersuchen des VwG Wien. Beim EuGH anhängig zu C-203/22, Dun & Bradstreet Austria.
-Gesundheitsdaten iSd DSGVO: Fällt unter „Gesundheitsdaten“ iSd Art 9 DSGVO auch die Information, dass eine bestimmte Person einen bestimmten Dopingverstoß begangen hat und deshalb an der Teilnahme an (nationalen und internationalen) Wettkämpfen gesperrt ist? Vorabentscheidungsersuchen der Unabhängigen Schiedskommission Wien nach dem Anti-Doping-Bundesgesetz 2021 (ADBG 2021). Beim EuGH anhängig zu C-115/22, NADA ua.

1.2.5. Tourismus / Luftfahrt / Verkehr

-Unfallbegriff des MÜ: Ist es als einheitliches Unfallgeschehen anzusehen, wenn nach einem Unfall iSv Art 17 Abs 1 MÜ die medizinische Erstversorgung an Bord des Luftfahrzeugs zu einer weiteren Körperverletzung des Reisenden führt, die von den eigentlichen Unfallfolgen abgegrenzt werden kann. Vorabentscheidungsersuchen OGH 5. 8. 2021, 2 Ob 19/21i, Rechtsnews 31356. Schlussanträge vom 12. 1. 2023 zu C-510/21, Austrian Airlines, Rechtsnews 33538.
-PauschalreiseRücktrittsrecht vor Beginn der Reise bei Auftreten unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände am Bestimmungsort, die die Durchführung der Reise erheblich beeinträchtigen:
  • Tatsächlicher Eintritt dieser Umstände maßgeblich (ex post betrachtet) oder ihr wahrscheinlicher Eintritt bei Rücktrittserklärung ausreichend (ex ante-Betrachtung)? Vorabentscheidungsersuchen OGH 19. 5. 2022, 3 Ob 35/22a, Rechtsnews 32718 = RdW 2022/363. Beim EuGH anhängig zu C-414/22, DocLX Travel Events.
  • Fragen iZm einer Reisewarnung der höchsten Stufe für das Zielland und zur Rechtslage, wenn der Kunde trotz Reisewarnung an der Reise festhalten wollte und die Durchführung der Reise für den Veranstalter nicht unmöglich war. Vorabentscheidungsersuchen OGH 29. 6. 2022, 8 Ob 46/22f, Rechtsnews 32943. Beim EuGH anhängig zu C-546/22, Schauinsland-Reisen.
-Pauschalreise-RL: Absicherung auch von geleisteten Zahlungen des Reisenden, wenn der Reisende vor der Insolvenz des Reiseveranstalters aufgrund von außergewöhnlichen Umständen iSd Art 12 Pauschalreise-RL zurückgetreten ist? Weitere Fragen zu einem derartigen Fall, wenn die Insolvenz während der gebuchten Reise eingetreten wäre bzw wenn die Insolvenz des Reiseveranstalters aufgrund dieser außergewöhnlichen Umstände eingetreten ist. Vorabentscheidungsersuchen des BG für Handelssachen Wien. Beim EuGH anhängig zu C-771/22, HDI Global.
-Anwendbarkeit der FluggastrechteVO auch auf eine Flugverbindung aus zwei Teilflügen mit Abflug in der Schweiz, Zwischenlandung in einem Mitgliedstaat und Endziel in einem Drittstaat – bzw umgekehrt –, deren ausführendes Luftfahrtunternehmen überdies ein Unternehmen der Gemeinschaft ist. Vorabentscheidungsersuchen des LG Korneuburg. Beim EuGH anhängig zu C-33/23, Schwarzder.
-Pauschalreise-RL: Vorlagefragen ua betr Zeitpunkt, zu dem die außergewöhnlichen Umstände iSd Art 12 Pauschalreise-RL vorliegen können/dürfen und welchen Kenntnisstand die Personen über diese haben können/dürfen. OGH 25. 4. 2023, 4 Ob 184/22w, Rechtsnews 34097. Beim EuGH offensichtlich anhängig zu C-328/23, Reisebüro und R.

1.2.6. Landwirtschaft, Umwelt uÄ

-WasserrahmenRL: Bei der Beurteilung des derzeitigen ökologischen Gesamtzustands des Weißensees bestehen nach Ansicht des VwGH mehrere mögliche Varianten der Auslegung des Unionsrechts betr die biologische Qualitätskomponente Fischfauna, die durch zwei Vorlagefragen geklärt werden sollen. Vorabentscheidungsersuchen VwGH 20. 10. 2022, EU 2022/0018 (Ro 2020/07/0004), Rechtsnews 33290. Beim EuGH anhängig zu C-671/22, Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau.
-Schutz der Wolfspopulation: Vorlagefragen ua betr Ausnahmen für mehrere Mitgliedstaaten gem Art 12 iVm Anhang IV RL 92/43/EWG idF RL 2013/17/EU als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten gem Art 4 Abs 2 EUV? Vorabentscheidungsersuchen des LVwG Tirol. Beim EuGH anhängig zu C-601/22, WWF Österreich ua.
-Selbsternte-Feld“: Vorlagefrage zur VO (EU) 1307/2013 (mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik) dahingehend, ob auch eine sog Selbsternte-Fläche als „vom Betriebsinhaber verwaltet und diesem zur Verfügung stehend“ anzusehen ist. Vorabentscheidungsersuchen des BVwG. Beim EuGH anhängig zu C-731/22, Agrarmarkt Austria.
-Landwirtschaft – mehrere Vorlagefragen betr Rückforderung einer Förderung. Vorabentscheidungsersuchen OGH 17. 10. 2022, 6 Ob 224/21s, Rechtsnews 33374. Bei EuGH anhängig zu C-734/22, Finanzprokuratur.
-Gemeinsame Agrarpolitik: Gekoppelte Stützung im Jahr 2020 für Almrinder bei verspäteter Meldung des Almauftriebs? Vorabentscheidungsersuchen VwGH 1. 6. 2023, Ro 2022/07/0003 (EU 2023/0003). Beim EuGH offenbar anhängig zu C-350/23, Agrarmarkt Austria.

1.2.7. Glücksspiel

-Grundsatz ne bis in idem iZm glücksspielrechtlichen Verstößen. Vorabentscheidungsersuchen des LVwG Vorarlberg betr § 52 GSpG. Beim EuGH anhängig zu C-55/22, Bezirkshauptmannschaft Feldkirch.
-Wettgewinn: Anwendbares Recht bei Klage auf Auszahlung des Gewinns: Ist das Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art 6 Rom I-VO), dann nicht anzuwenden, wenn er die Anwendung des Rechts gem Art 4 Rom I-VO begehrt, das für ihn günstiger ist und das anzuwenden wäre, wenn ihm die Verbrauchereigenschaft fehlen würde? Vorabentscheidungsersuchen des OLG Wien 22. 6. 2022, 33 R 4/22h, Rechtsnews 32731. Beim EuGH anhängig zu C-429/22, N1 Interactive.

1.2.8. Asylrecht

-Recht auf Familienzusammenführung iZm volljährigen behinderten Geschwistern eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings, für deren Unterhalt aufgrund ihres Gesundheitszustands vollständig ihre Eltern aufkommen. Vorabentscheidungsersuchen des BVwG. Schlussanträge vom 4. 5. 2023 zu C-560/20, Landeshauptmann von Wien, Rechtsnews 34016.
-Aberkennung von Asyl wegen Straftaten – Güterabwägung als eigenständiges Kriterium? VwGH 20. 10. 2021, Ra 2021/20/0246 (EU 2021/0007), Rechtsnews 31736. Schlussanträge vom 16. 2. 2023 zu C-663/21, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Rechtsnews 33679.
-Verweigerung von Asyl im Folgeverfahren: Verfolgungsgefahr im Folgeantrag auf Umstände gestützt, die der Antragsteller nach Verlassen seines Heimatlandes in Österreich selbst geschaffen hat (Konversion zum Christentum; Vorabentscheidungsersuchen VwGH 16. 3. 2022, Ro 2020/01/0023 (EU 2022/0001), Rechtsnews 32369. Schlussanträge vom 15. 6. 2023 zu C-222/22, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Rechtsnews 34150.
-StatusRL: Ist die nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan für Frauen herrschende Situation als asylrechtlich relevante Verfolgung von Frauen einzustufen? Vorabentscheidungsersuchen VwGH 14. 9. 2022, Ra 2021/20/0425 und Ra 2022/20/0028 (EU 2022/0016 und EU 2022/0017), Rechtsnews 33100. Beim EuGH anhängig zu C-608/22 und C-609/22, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.
-Familie alssoziale Gruppe“ iSd Art 10 Status-RL? Vorabentscheidungsersuchen EuGH 28. 3. 2023, Ra 2022/20/0289 (EU 2023/0001). Beim EuGH anhängig zu C-217/23, Laghman.

1.3. Sozialrecht

-Pflegekarenzgeld: Mehrere Vorlagefragen, ua betr Einordnung von Pflegekarenzgeld als Leistung bei Krankheit iSd Art 3 VO (EG) 883/2004 (oder allenfalls eine andere Leistung iSd Art 3 VO (EG) 883/2004), als Geldleistung iSd Art 21 VO (EG) 883/2004 und als Leistung für die pflegende Person oder die pflegebedürftige Person. Vorabentscheidungsersuchen des BVwG. Beim EuGH anhängig zu C-116/23, Sozialministeriumservice.
-Sozialhilfeleistungen (iSd UnionsbürgerRL) auch für wirtschaftlich nicht aktiven Unionsbürger, der sich im Aufnahmemitgliedstaat länger als drei Monate, aber kürzer als fünf Jahre aufhält und sein Aufenthaltsrecht nur aus seiner Eigenschaft als Ehegatte einer im Aufnahmestaat unselbständig beschäftigten Unionsbürgerin (Wanderarbeitnehmerin) ableitet. Vorabentscheidungsersuchen OGH 16. 5. 2023, 10 ObS 139/22x. Beim EuGH wahrscheinlich anhängig zu C-323/23, Pensionsversicherungsanstalt.
-Erwerbstätigkeit in mehreren Staaten: Der Sozialversicherung welchen Staates unterliegt eine Person, die in einem EU-Mitgliedstaat, einem EWR-EFTA-Staat und der Schweiz erwerbstätig ist? Vorabentscheidungsersuchen VwGH 9. 5. 2023, Ro 2022/08/0003 (EU 2023/0002). Beim EuGH wahrscheinlich anhängig zu C-329/23, Sozialversicherungsanstalt.

1.4. Abgabenrecht

-USt für ORF-Programmentgelt? Vorabentscheidungsersuchen VwGH 16. 3. 2022, Ro 2020/15/0021 (EU 2022/0002). Schlussanträge vom 25. 5. 2023 zu C-249/22, GIS, RdW 2023/328.

1.5. Strafverfahren

-Strafrechtliche Ermittlungen in einem anderen Mitgliedstaat; Vorabentscheidungsersuchen des OLG Wien vom 8. 4. 2022. Schlussanträge vom 22. 6. 2023 zu C-281/22, G. K. ua, Rechtsnews 34179.

1.6. Weitere neue Verfahren

Zu folgenden Vorabentscheidungsverfahren wurde das verfahrenseinleitende Schriftstück bereits beim EuGH eingereicht, die Vorlagefragen sind jedoch noch nicht abrufbar:

-C-320/23, Bundesarbeitskammer; Vorabentscheidungsersuchen des HG Wien betr Rechtsangleichung; beim EuGH anhängig seit 24. 5. 2023.

2. Klagen

Klagen bzw Rechtsmittel Österreichs gegen die EU-Kommission

-T-501/22: betr Landwirtschaft und Fischerei (Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft; EAGFL); anhängig seit 18. 8. 2022.
-T-625/22: Klage auf Nichtigerklärung der Delegierten VO (EU) 2022/1214 (Klagegründe in Bezug auf die Kernenergie und in Bezug auf fossiles Gas); anhängig seit 7. 10. 2022.
-C–59/23 P, Österreich/Kommission (Rechtsmittel gegen das Urteil EuG 30. 11. 2022, T–101/18, Österreich/Kommission, betr die von Ungarn geplante Maßnahme/Beihilferegelung/Staatliche Beihilfe für den Bau von zwei Kernreaktoren im Atomkraftwerk Paks II).

3. Erledigte Vorabentscheidungsersuchen

3.1. Entscheidung mit Urteil:

Neben den bereits in den Rechtsnews veröffentlichten Entscheidungen wurden im letzten Quartal auch folgende Rs entschieden:

-Altersdiskriminierung bei Ruhegenussbemessung: Wurde mit der 2. Dienstrechts-Novelle die Altersdiskriminierung von vor 1955 geborenen Beamten betr die Ruhegenussbemessung beseitigt? Vorabentscheidungsersuchen VwGH 11. 10. 2021, Ra 2020/12/0049 (EU 2021/0008).
EuGH 27. 4. 2023, C-681/21, BVAEB:
Art 2 Abs 1 und Abs 2 Buchst a und Art 6 Abs 1 der RL 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie bei Fehlen eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses einer nationalen Regelung entgegenstehen, die zur Beseitigung einer Diskriminierung wegen des Alters die rückwirkende Gleichstellung des Pensionssystems der Gruppe der vormals durch die nationalen Rechtsvorschriften über den Ruhebezug begünstigten Beamten mit dem Pensionssystem der Gruppe der durch diese Rechtsvorschriften benachteiligten Beamten vorsieht.
-Pensionsanpassung von Beamten: Vorlagefrage iZm mit der unterschiedlich geregelten erstmaligen Anpassung des Ruhebezuges von Beamten mit Anspruch auf eine Gesamtpension nach PG 1965 spätestens ab 1. 12. 2021 gegenüber Beamten, die erst ab 1. 1. 2022 einen solchen Anspruch auf Ruhebezug haben. Vorabentscheidungsersuchen des BVwG.
EuGH 20. 4. 2023, C-52/22, BVAEB:
Art 2 Abs 1 und Abs 2 Buchst a und b sowie Art 6 Abs 1 der RL 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die im Hinblick auf eine schrittweise Angleichung des Beamtenpensionssystems an das allgemeine Pensionssystem vorsieht, dass die erstmalige Anpassung der Höhe des Ruhebezuges einer Gruppe von Beamten ab dem dem Beginn des Anspruchs auf den Ruhebezug zweitfolgenden Kalenderjahr vorzunehmen ist, während diese Anpassung bei einer anderen Gruppe von Beamten ab dem ersten auf Beginn dieses Anspruchs folgenden Kalenderjahr erfolgt.
-Vorrückungsstichtag bei Vordienstzeiten, die ein Beamter oder Vertragsbediensteter vor Vollendung des 18. Lebensjahrs erworben hat – Vorlagefragen zur Rechtslage nach der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 (also nach Änderung des Besoldungsrechts nach den E in den Rs Hütter; Schmitzer; Leitner; und ÖGB, GÖD). Vorabentscheidungsersuchen VwGH 18. 10. 2021, Ra 2020/12/0068, 0077 (EU 2021/0005, 0006).
EuGH 20. 4. 2023, C-650/21, Landespolizeidirektion Niederösterreich und Finanzamt Österreich:
1. Die Art 1, 2 und 6 der RL 2000/78/EG des Rates vom 27. 11. 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf iVm Art 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der die Einstufung eines Beamten auf der Grundlage seines Besoldungsdienstalters in einem alten Besoldungssystem erfolgt, das für diskriminierend befunden wurde, weil dieses System für die Zwecke der Bestimmung des Besoldungsdienstalters nur die Berücksichtigung der anrechenbaren Vordienstzeiten erlaubte, die nach Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegt wurden und damit vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegte Vordienstzeiten ausschloss, soweit diese Regelung eine Korrektur der ursprünglich ermittelten anrechenbaren Vordienstzeiten durch Ermittlung eines Vergleichsstichtags vorsieht, bei dem für die Zwecke der Bestimmung des Besoldungsdienstalters nunmehr vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegte anrechenbare Vordienstzeiten berücksichtigt werden, wenn zum einen hinsichtlich der nach dem 18. Geburtstag zurückgelegten Zeiten nur die zur Hälfte zu berücksichtigenden „sonstigen Zeiten“ berücksichtigt werden und zum anderen diese „sonstigen Zeiten“ von drei auf sieben Jahre erhöht werden, jedoch nur insoweit berücksichtigt werden, als sie vier Jahre übersteigen.
2. Der in Art 20 der Charta der Grundrechte verankerte Grundsatz der Gleichbehandlung und der Grundsatz der Rechtssicherheit sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die für Beamte, bei denen am Tag der Kundmachung einer Gesetzesänderung des Besoldungssystems ein Verfahren zur Neufestsetzung ihrer besoldungsrechtlichen Stellung anhängig war, vorsieht, dass die Bezüge nach den neuen Bestimmungen über den Vergleichsstichtag – die neue Begrenzungen in Bezug auf die Höchstdauer der anrechenbaren Zeiten enthalten – neu ermittelt werden, so dass eine gegen die Art 1, 2 und 6 der RL 2000/78 iVm Art 21 der Charta der Grundrechte verstoßende Diskriminierung wegen des Alters nicht beseitigt wird, wohingegen eine solche Ermittlung nicht für Beamte vorgenommen wird, bei denen ein zuvor eingeleitetes Verfahren mit gleichem Gegenstand bereits durch eine rechtskräftige Entscheidung abgeschlossen war, die auf einem Stichtag beruht, der nach dem alten Besoldungssystem, dessen vom nationalen Richter für diskriminierend befundene Bestimmungen in unmittelbarer Anwendung des unionsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung unangewendet blieben, günstiger festgesetzt wurde.
3. Die Art 1, 2 und 6 der RL 2000/78 iVm Art 21 der Charta der Grundrechte sind dahin auszulegen, dass sie nicht einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der bei einer inländischen Gebietskörperschaft absolvierte Lehrzeiten bei der Ermittlung des Vergleichsstichtags nur dann in vollem Umfang berücksichtigt werden, wenn der betreffende Beamte nach einem bestimmten Zeitpunkt vom Staat eingestellt wurde, während Lehrzeiten zur Hälfte berücksichtigt werden und einem Pauschalabzug unterliegen, wenn der betreffende Beamte vor diesem Zeitpunkt vom Staat eingestellt wurde.
-Insolvenz des Arbeitsgebers - Zuständigkeit der Garantieeinrichtung: Ist ein Unternehmen bereits dann im Hoheitsgebiet mindestens zweier Mitgliedstaaten tätig, wenn es in einem anderem Mitgliedstaat seine Leistungen anbietet, zu diesem Zweck dort einen freiberuflichen Vertriebsingenieur beschäftigt und ein Arbeitnehmer des Unternehmens dort regelmäßig jede zweite Woche im Homeoffice arbeitet? (Anm: Dieser Arbeitnehmer hat in diesem zweiten Mitgliedstaat seinen Hauptwohnsitz.) Vorabentscheidungsersuchen OGH 14. 9. 2021, 8 ObS 7/20t, ARD 6788/9/2022.
EuGH 16. 2. 2023, C-710/21, IEF Service:
Art 9 Abs 1 RL 2008/94/EG [über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers] (InsolvenzRL) ist dahin auszulegen, dass bei der Bestimmung des Mitgliedstaats, dessen Garantieeinrichtung für die Befriedigung nicht erfüllter Arbeitnehmeransprüche zuständig ist, davon auszugehen ist, dass der Arbeitgeber, der zahlungsunfähig ist, nicht iS dieser Bestimmung im Hoheitsgebiet mindestens zweier Mitgliedstaaten tätig ist, wenn nach dem Arbeitsvertrag des betreffenden Arbeitnehmers dessen Arbeitsschwerpunkt und gewöhnlicher Arbeitsort im Sitzmitgliedstaat des Arbeitgebers liegen, der Arbeitnehmer aber seine Aufgaben zu einem ebenso großen Teil seiner Arbeitszeit aus der Ferne von einem anderen Mitgliedstaat aus verrichtet, in dem sich sein Hauptwohnsitz befindet.

3.2. Entscheidung mit Beschluss:

Nach Art 99 seiner Verfahrensordnung kann der EuGH auch nur durch einen (mit Gründen versehenen) Beschluss entscheiden, wenn die Antwort auf die vorgelegte Frage klar aus der Rsp abgeleitet werden kann oder keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt.

-Zwangsstrafen iZm Offenlegung der Jahresabschlüsse:
Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, gemäß der ein Verwaltungsgericht, das über die Betreibung von gegen eine Gesellschaft und ihren Geschäftsführer wegen unterlassener Offenlegung der Jahresabschlüsse verhängten Zwangsstrafen entscheidet, an die rechtskräftig gewordene Entscheidung des Zivilgerichts gebunden ist, mit der diese Zwangsstrafen verhängt und ihre Höhe festgelegt wurden, um die Einhaltung der Verpflichtungen aus den Art 30 und 51 der RL 2013/34/EU [über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen...] – wie sie in das nationale Recht umgesetzt wurden – sicherzustellen.
EuGH 7. 3. 2023, C-561/22, Willy Hermann Service.

4. Zurückgenommene Vorlagefragen

Aus dem Register der EuGH gestrichen wurden folgende Vorabentscheidungsersuchen:

-C-417/22, Disziplinarrat der Österreichischen Apothekerkammer:
Preiswerbung für Arzneimittel (Bewerbung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel auf der Webseite einer Apotheke unter Angabe eines (durchgestrichenen) "Stattpreises") – Vorlagefrage zur Vereinbarkeit des nationalen Verbots derartiger Preiswerbung mit Art 87 Abs 3 und Art 90 der RL 2001/83/EG [zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel] idF der RL 2004/27/EG. Vorabentscheidungsersuchen VwGH 11. 6. 2022, Ra 2021/09/0270 (EU 2022/0011).
Vorabentscheidungsersuchen vom VwGH nicht aufrecht erhalten und daher mit Beschluss vom 27. 2. 2023 gestrichen.
-C-423/21, Grand Production, Rechtsnews 33191:
Vorlagefragen zum Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ in Art 3 InfoSocRL (iZm Streamingplattform und damit verbundenen dritten Dienstleistern) sowie zur Kognitionsbefugnis inländischer Gerichte in Bezug auf ausländische Tathandlungen bei Geltendmachung von Urheberrechtsverletzungen. Vorabentscheidungsersuchen OGH 22. 6. 2021, 4 Ob 44/21f, Rechtsnews 31216 (Vorabentscheidungsersuchen ergänzt am 27. 6. 2022). Schlussanträge vom 20. 10. 2022 zu C-423/21, Grand Production, Rechtsnews 33191.
Vorabentscheidungsersuchen vom OGH zurückgenommen und daher mit Beschluss vom 13. 2. 2023 gestrichen.
Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34191 vom 27.06.2023