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OGH: Keine Maßgeblichkeit der steuerrechtlichen Begünstigung von Elektrofahrzeugen durch die Sachbezugswerte-Verordnung bei der Bemessung des Unterhalts

Bearbeiter: Stefan Pregesbauer

Sachbezugswerte-Verordnung: § 4 Abs 1 Z 3

Abstract

Die Bemessungsgrundlage des Unterhalts ist das Einkommen des Unterhaltspflichtigen. Zur Vereinfachung bei der Unterhaltsberechnung wird bei der Einkommensermittlung oft auf steuerrechtliche Ansätze zurückgegriffen. Sachbezüge sind als Einkommensbestandteile in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, wobei nur dann von der lohnsteuerrechtlichen Bewertung ausgegangen werden kann, wenn es keine Hinweise gibt, dass diese nicht den realen Gegebenheiten entspricht. Nach § 4 Sachbezugswerte-Verordnung ist der Sachbezug bei der Privatnutzung eines Firmenfahrzeuges mit Verbrennungsmotor je nach Emissionsklasse mit 1,5 % oder 2 % der Anschaffungskosten, bei der Nutzung eines Elektrofahrzeugs aber mit Null anzusetzen. Nach Ansicht des OGH kann diese steuerrechtliche Begünstigung von Elektrofahrzeugen aber nicht auf die Bemessung des Unterhaltsanspruchs durchschlagen, weil der in der Benutzung eines Firmenfahrzeuges für Privatfahrten gelegene Sachbezug für unterhaltsrechtliche Zwecke nicht deshalb wegfällt, weil keine Steuern zu entrichten sind.

OGH 23.4.2024, 2 Ob 44/24w

Sachverhalt

Mit Beschluss vom 14.4.2023 verpflichtete das Bezirksgericht den Vater unter Berücksichtigung seiner Sorgepflicht für ein weiteres Kind gegenüber seinem minderjährigen Sohn zu Unterhaltsleistungen von 420 EUR monatlich. Der Minderjährige bezog damals im zweiten Lehrjahr ein Einkommen von 940 EUR monatlich. Seit 13. 8. 2023 befindet er sich im dritten Lehrjahr mit einem Einkommen von 1.335 EUR monatlich. Der Vater bezieht ein Einkommen von 4.980 EUR monatlich.

Der Vater beantragte eine gänzliche Unterhaltsbefreiung ab 1.9.2023, weil der Minderjährige nunmehr selbsterhaltungsfähig sei. Der Minderjährige wendete ein, dass aufgrund des überdurchschnittlichen Einkommens des Vaters ein Restunterhaltsanspruch von 250 EUR bestehe. Strittig war im gegenständlichen Fall, wie ein vom Arbeitgeber bereitgestelltes Elektrofahrzeug bei der Bemessung des Unterhalts zu berücksichtigen ist. Nach § 4 Abs 1 Z 3 Sachbezugswerte-Verordnung wäre der Sachbezug bei der Privatnutzung eines arbeitgebereigenen Kraftfahrzeugs mit Null anzusetzen.

Das Rekursgericht ging aber davon aus, dass die Zurverfügungstellung eines Elektroautos die Unterhaltsbemessungsgrundlage erhöht.  Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs aber zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, inwieweit ein vom Dienstgeber bereitgestelltes Elektrofahrzeug angesichts der steuerrechtlichen Privilegierung des Sachbezugs bei der Bemessung des Unterhalts zu berücksichtigen ist.

Entscheidung des OGH

Der Revisionsrekurswerber richtete sich gegen die Berücksichtigung des ihm zur Verfügung gestellten Elektrofahrzeugs bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage. Dazu ist grundsätzlich anzumerken, dass Naturalbezüge, wie etwa die private Benützung eines Firmenwagens nach ständiger Rechtsprechung als Einkommensbestandteile in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen werden müssen (OGH 17.12.1997, 3 Ob 351/97g; 22.5.2024, 8 Ob 50/24x). Der OGH hat aber bereits in mehreren Fällen darauf hingewiesen, dass es nicht sachgerecht ist, in jedem einzelnen Fall aufwändige Ermittlungen anzustellen, um den tatsächlichen Umfang der privaten Nutzung eines privat genutzten Firmenwagens abzuklären (OGH 30.9.2002, 1 Ob 143/02i; 27.2.2012, 7 Ob 179/11s). Nach ständiger Rechtsprechung kann deshalb von der lohnsteuerrechtlichen Bewertung ausgegangen werden, solange es keine Hinweise gibt, dass diese nicht den realen Gegebenheiten entspricht (OGH 6.8.2021, 6 Ob 109/21d).

Nach § 4 Sachbezugswerte-Verordnung ist der Sachbezug bei der Privatnutzung eines arbeitgebereigenen Kraftfahrzeugs mit Verbrennungsmotor je nach Emissionsklasse mit 1,5 % oder 2 % der Anschaffungskosten (§ 4 Abs 1 Z 1 und Z 2 Sachbezugswerte-Verordnung), bei der Nutzung eines Elektrofahrzeugs aber mit Null anzusetzen (§ 4 Abs 1 Z 3 Sachbezugswerte-Verordnung). In der unterhaltsrechtlichen Literatur wird zutreffend darauf hingewiesen, dass diese steuerrechtliche Begünstigung von Elektrofahrzeugen nicht auf die Bemessung des Unterhaltsanspruchs durchschlagen kann, weil der in der Benutzung eines Firmenfahrzeuges für Privatfahrten gelegene Sachbezug für unterhaltsrechtliche Zwecke nicht deshalb wegfällt, weil keine Steuern zu entrichten sind (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht10[2022] 18). Der Sachbezug des Vaters durch die Privatnutzung des arbeitgebereigenen Elektrofahrzeuges war daher nach freier Überzeugung des Gerichts festzulegen. Die Bewertung des Sachbezuges durch das Rekursgericht in der Höhe von 100 EUR war daher nicht korrekturbedürftig und dem Revisionsrekurs somit nicht Folge zu geben.

Conclusio

Aus Vereinfachungsgründen werden bei der Unterhaltsbemessung oft die steuerrechtlichen Ansätze für den Sachbezugswert übernommen (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht10 [2022] 18). Dies wird auch grundsätzlich vom OGH anerkannt, denn der OGH hat auch im konkreten Fall ausgesprochen, dass nicht in jedem einzelnen Fall aufwändige Ermittlungen angestellt werden können, um den tatsächlichen Umfang der privaten Nutzung zu ermitteln. Dass die Privilegierung der Privatnutzung von arbeitgebereigenen Elektrofahrzeugen im Steuerrecht aber nicht auf die Unterhaltsbemessung durchschlägt, leuchtet ein. Wenn der Gesetzgeber die steuerpolitische Entscheidung trifft, arbeitgebereigene Elektrofahrzeuge bei der Festlegung des Sachbezuges zu bevorzugen, dann steht ihm dies frei, doch ist kein Grund ersichtlich, warum dadurch der Unterhalt für den Unterhaltsberechtigten gemindert werden sollte. So spricht auch der OGH davon, dass nicht von der lohnsteuerrechtlichen Bewertung ausgegangen werden darf, wenn es Hinweise gibt, dass diese nicht den realen Gegebenheiten entspricht. § 4 Abs 1 Z 3 Sachbezugswerte-Verordnung darf also nicht auf die Unterhaltsbemessung angewendet werden.

Wenn man der Rsp des OGH im konkreten Fall folgt, dürfte auch etwa die Privilegierung der Privatnutzung eines arbeitgebereigenen Elektrofahrrades – Sachbezug ist auch hier gem § 4b Sachbezugswerte-Verordnung null – nicht mehr für unterhaltsrechtliche Zwecke berücksichtigt werden. Fraglich ist aber weiterhin, ob § 4 Abs 1 Z 2 Sachbezugswerte-Verordnung, der einen Sachbezug von 1,5 % der Anschaffungskosten bei emissionsarmen Fahrzeugen vorsieht, zur Unterhaltsbemessung herangezogen werden kann. Denn auch dies stellt eine Begünstigung im Vergleich zu § 4 Abs 1 Z 1 Sachbezugswerte-Verordnung dar, der einen Sachbezug in der Höhe von 2 % der Anschaffungskosten bei privat genutzten Firmenfahrzeugen vorsieht.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35881 vom 23.09.2024