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Online-Glücksspiel im Ausland – keine Anwendung des ö GSpG

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 877, § 879

GSpG: § 2, § 12a

Das konzessionslose Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder Zugänglichmachen von Glücksspielen in Österreich, wozu auch Online-Lotterien gehören (§ 12a GSpG), ist nach dem GSpG verboten (§ 2 Abs 1 iVm § 2 Abs 4 GSpG). Verträge, die zur Durchführung eines solchen verbotenen Glücksspiels abgeschlossen werden, sind nach der Rsp absolut nichtig. Bei verbotenen und sittenwidrigen Verträgen iSd § 879 Abs 1 ABGB erfolgt die Kondiktion nach § 877 ABGB, was grundsätzlich zur Rückabwicklung des nichtigen Rechtsgeschäfts führt. Spieleinsätze aus einem verbotenen Glücksspiel (abzüglich der Auszahlungen) können daher zurückgefordert werden. Das österreichische GSpG ist (aber) nicht auf Glücksspielleistungen eines ausländischen Online-Glücksspielanbieters anzuwenden, die ein Inländer (im Inland wohnender Verbraucher) von einem ausländischen Online-Glücksspielanbieter im Ausland abruft. Im vorliegenden Fall nahm der Kl an den Online-Glücksspielen der maltesischen Bekl in Kroatien, Slowenien, Slowakei und Kosovo teil; die dort von ihm abgerufenen Glücksspielleistungen können somit nicht wegen eines Verstoßes gegen die Konzessionspflicht des österreichischen GSpG nichtig iSd § 879 Abs 1 ABGB sein.

OGH 11. 12. 2023, 7 Ob 155/23d

Entscheidung

Teilnahme am Spiel im Inland maßgeblich

Für die enge Auslegung, dass das (österreichische) GSpG nicht auf Glücksspielleistungen anzuwenden ist, die von einem in Inland wohnenden Verbraucher im Ausland mit der maltesischen Bekl abgerufen wurden, spricht zunächst das verfassungsrechtliche Territorialitätsprinzip (vgl 1 Ob 176/22x [Rz 40] mwN, Zak 2023/119; Muzak, B-VG 6 Art 3 B-VG Anm I.1): Art 3 Abs 1 B-VG legt das Staatsgebiet als territorialen Geltungs- und Anwendungsbereich des nationalen Rechts fest. Aus den allgemein anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts iSd Art 9 Abs 1 B-VG wird abgeleitet, dass sich (österreichische) Gebote grds nur an Personen richten dürfen, die sich im jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten bzw hier einen Anknüpfungspunkt aufweisen (Territorialitätsprinzip). Nur ausnahmsweise erlaubt das durch Art 9 Abs 1 B-VG transformierte Völkerrecht ein Anknüpfen an die Staatsbürgerschaft (Personalitätsprinzip) oder eine Orientierung am Schutzprinzip. Eine österreichische Konzession kann nur zur Veranstaltung von Glücksspielen im Bundesgebiet befugen. Die Frage der rechtlichen Zulässigkeit des Anbietens von derartigen Dienstleistungen außerhalb des Gebiets der Republik Österreich wird dadurch nicht berührt. Die Regelung der Erbringung derartiger Dienstleistungen bleibt ausschließlich den jeweils anzuwendenden ausländischen Rechtsordnungen vorbehalten (VwGH 2004/17/0034).

Auch der Gesetzgeber hielt in den Mat zur GSpG-Novelle BGBl I 2008/126 fest (Abänderungsantrag im Plenum; StenProtNR, 68. Sitzung, 23. GP, 146 ff [150; zu § 56 Abs 2 GSpG]): „Reist ein Inländer allerdings physisch in den EU/EWR-Raum und nimmt damit nicht mehr vom Inland aus an ausländischen Glücksspielangeboten teil, so ist ihm bewusst, dass er sich damit auch auf Vollziehungsebene in die hoheitliche Verantwortung der staatlichen Glücksspielaufsicht des anderen Staates begibt.“ Damit legt der Gesetzgeber dar, dass bei Reisetätigkeiten ins Ausland auch grundsätzlich im Inland aufhältigen Bewohnern bewusst sein muss, dass sie sich auf Vollziehungsebene in die hoheitliche Verantwortung der staatlichen Glücksspielaufsicht des ausländischen Staats begeben, wenn sie nicht mehr vom Inland aus an ausländischen Glücksspielangeboten teilnehmen.

Der Bezug des GSpG auf das österreichische Bundesgebiet zeigt sich auch darin, dass Steuergegenstand der Glücksspielabgaben nach § 57 GSpG Ausspielungen sind, „an denen die Teilnahme vom Inland aus erfolgt“. Dabei ist gleichgültig, ob der Spielanbieter oder die Spielteilnehmer im Inland oder im Ausland einen Wohnsitz haben; maßgeblich ist, dass am Spiel vom Inland aus teilgenommen wird (Bavenek-Weber in Bavenek-Weber/Petritz/Petritz-Klar, Gebührengesetz6 [2020], § 33 TP 17 GebG/GSpA Rz 111).

Auch Verwaltungsstrafbestimmungen knüpfen an die Teilnahme vom Inland aus an, so etwa § 52 Abs 1 Z 1 GSpG.

Fehlende Feststellungen

Das ErstG hat lediglich festgestellt, dass der Kl auch von Kroatien, Slowenien, der Slowakei und dem Kosovo aus die Glücksspielleistungen der Bekl in Anspruch genommen hat. Feststellungen zu den Verlusten durch die Glücksspiele in diesen Ländern fehlen jedoch. Feststellungen über die vom Kl in diesen Ländern getätigten Spieleinsätze (abzüglich der Auszahlungen) wird das ErstG daher im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen haben.

Sollte die Bekl nachweisen können, dass der Kl in diesen Staaten Glücksspielleistungen in Anspruch genommen hat, die zu Verlusten führten, kann der Kl seinen Rückforderungsanspruch nicht auf die Nichtigkeit dieser Glücksspielverträge wegen eines Verstoßes gegen die Konzessionspflicht nach österreichischem Glücksspielrecht stützen. Vielmehr müsste der Kl einen Verstoß gegen ein ausländisches gesetzliches Verbot nachweisen, der iVm § 879 Abs 1 ABGB zur Nichtigkeit der im Ausland in Anspruch genommenen Glücksspielleistungen führen könnte.

Der Kl erstattete kein Vorbringen, dass die Bekl gegen eine in diesen Staaten geltende Konzessionspflicht verstoßen hätte, sondern behauptete bloß, dass die Bekl in diesen Ländern über keine Konzession verfüge. Im Fall der Rückforderung von Verlusten aus seiner Teilnahme an Online-Glücksspielen vom Ausland aus hat er aber jene Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, aus denen sich die Nichtigkeit der im Ausland abgerufenen Glücksspielleistungen ergeben könnte.

Der Revision der Bekl ist daher Folge zu geben, die Urteile der Vorinstanzen sind im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Rechtssache ist zur Erörterung und neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das ErstG zurückzuverweisen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35060 vom 12.02.2024