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In der obligatorischen Haftpflichtversicherung (hier: Betriebshaftpflicht- und Produkthaftpflichtversicherung eines einstweilen aufgelösten Bauunternehmens) genießt der Geschädigte zwar zusätzlichen Schutz: Der Versicherer ist im Rahmen des versicherten Risikos auch dann haftpflichtig, wenn im Verhältnis zum Versicherungsnehmer Leistungsfreiheit besteht (§ 158c VersVG). Der Versicherer haftet aber immer nur im Rahmen der von ihm übernommenen Gefahr. Ohne besondere gesetzliche Anordnung oder einen entsprechenden gesetzgeberischen Willen läuft dies nach stRsp im Ergebnis auf den Abschluss einer Haftpflichtversicherung mit dem üblichen Deckungsumfang hinaus, also auch mit den üblichen Risikoausschlüssen und -begrenzungen.
§ 149 VersVG stellt allgemein auf „während der Versicherungszeit eintretende Tatsachen“ ab, ohne zwischen freiwilliger und obligatorischer Haftpflichtversicherung zu unterscheiden. § 158c Abs 3 VersVG ordnet an, dass der Versicherer nur „im Rahmen [...] der von ihm übernommenen Gefahr haftet“. Danach stellt es der Gesetzgeber den Parteien des Versicherungsvertrags grds frei, die Deckung an unterschiedliche zeitliche Momente anzuknüpfen – sei es das Kausalereignis, das Schadensereignis oder auch die Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers (Claims-made-Prinzip) oder die erstmaligen Feststellung des Schadens.
Die Entscheidung für die Verstoß-, Schadensereignis- oder Versicherungsfalltheorie ist ein Aspekt der Risikoumschreibung. Die Schadensereignistheorie ist jedenfalls in der Haftpflichtversicherung bei Sach- und Personenschäden üblich. Es entspricht auch der bestehenden österreichischen Lehre, dass die Schadensereignistheorie (auch genannt Folgeereignistheorie, Ereignistheorie) für Personen- und Sachschäden die am besten geeignete Versicherungsfalldefinition darstellt. Gemäß § 158c Abs 3 VersVG schlägt sie daher auch gegenüber dem Dritten durch.
Die „Ereignistheorie“ kann in jenen Fällen zu einer Deckungslücke führen, in denen zwischen dem Verstoß und dem Schadensereignis eine längere Zeit liegt. So insb wenn der Schaden erst nach Ende der Versicherungszeit eintritt, obwohl der Verstoß während des aufrechten Versicherungsvertrags begangen worden sein mag. Vor diesem Hintergrund meint Rubin, dass in der obligatorischen Haftpflichtversicherung das Ereignisprinzip nicht als alleinige zeitliche Anknüpfung in Frage komme. Methodisch sei diese Vorgabe auf eine Rechtsanalogie zu Materiengesetzen zu stützen, die den Abschluss einer Haftpflichtversicherung anordnen und eine unbeschränkte Nachdeckung fordern würden (Rubin in Berisha/Gisch/Koban, Haftpflicht-, Rechtsschutz- und Cyberversicherung [2018] 25; ähnlich Wilhelmer, Berufshaftpflichtversicherung [2022] Rz 621 ff). Einer näheren Auseinandersetzung mit dieser Frage bedarf es hier aber nicht: Die maßgebliche Bestimmung der Materiengesetze ist hier § 99 Abs 7 bis 9 GewO, die gerade keine zeitlich unbegrenzte Deckung vorsieht.
Entscheidung
Im vorliegenden Fall wurde weiters ua die Frage einer allfälligen (bloßen) Mitursächlichkeit des behauptetermaßen versicherten Wassereintritts an den geltend gemachten Schäden aufgeworfen.
Im Wesentlichen sind zwei Konstellationen unterscheidbar, in denen verschiedene Ursachen für den Eintritt des Versicherungsfalls verantwortlich zeichnen: zum einen die Mitursächlichkeit eines (lediglich) nicht gedeckten und zum anderen diejenige eines (ausdrücklich) ausgeschlossenen Risikos.
Beim Zusammentreffen von versicherten und nicht versicherten Risiken wird allgemein vertreten: Beruht der Schadenseintritt auf mehreren adäquaten Ursachen und entspricht nur eine dieser Ursachen der versicherten Gefahr, so liegt ein Versicherungsfall vor, eine bloße Mitursächlichkeit anderer Faktoren beseitigt den Versicherungsschutz nicht. Dabei ist es auch ohne Bedeutung, ob jede adäquate Ursache für sich allein betrachtet den Schaden hätte herbeiführen können (kumulative Kausalität) oder ob der Schadenseintritt nur durch das Zusammenwirken verschiedener Ursachen möglich war (summierte Kausalität) (vgl Jabornegg, Das Risiko des Versicherungsfalls [1979] 101; Höllwerth in Fenyves/Perner/Rie dler VersVG [9. Lfg 2022] Vor §§ 49–68a Rz 31; Lange, Die [Pflicht-]Versicherung von Elementarrisiken in Deutschland [2011] 36; Schauer in Honsell, Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Vorbem §§ 49–68a Rn 33).
Konkurriert hingegen eine gedeckte mit einer ausgeschlossenen Ursache so ist im Allgemeinen keine Deckung gegeben (Höllwerth aaO Rz 31; Lange aaO 37; Schauer aaO Rn 35).
Für die Beantwortung des Bestehens des Versicherungsschutzes im Fall der eben angeführten Konkurrenzen sind die jeweiligen Versicherungsbedingungen und deren Auslegung maßgebend.
Im vorliegenden Fall kann derzeit eine weitere Auseinandersetzung mit der Frage des Versicherungsschutzes und seines Umfangs noch nicht erfolgen. Das ErstG wird nach entsprechender Erörterung des Prozessvorbringens mit den Parteien – insb auch zu den Versicherungsbedingungen – unmissverständliche Feststellungen zu treffen haben, ob das behauptete versicherte Risiko ursächlich war und wenn ja in welcher Form. Erst dann kann sich überhaupt die Frage nach einer Konkurrenz mit ungedeckten oder – nach entsprechenden Vorbringen – allenfalls ausgeschlossenen Risiken und den rechtlichen Folgen einer solchen Konkurrenz stellen.