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Pflichten des Rechtsanwalts iZm Kapitalerhaltungsvorschriften

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 1009, § 879

GmbHG: § 82

RAO: § 9

Die Verpflichtung des Rechtsanwalts zur Prüfung von Verdachtsmomenten und zur Verhütung der negativen Folgen von Verstößen gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften ist nicht auf die Vertragserrichtung und -prüfung beschränkt. Sie gilt vielmehr als Ausfluss der allgemeinen Interessenwahrungspflicht des Rechtsanwalts bei allen Auftragsverhältnissen zwischen ihm und seinem Mandanten.

Die vorliegende Klage des Masseverwalters im Konkurs über das Vermögen einer GmbH richtet sich gegen eine Rechtsanwalts-OG als Erstbekl (und ihre beiden unbeschränkt haftenden Gesellschafter als weitere Bekl), die vom Alleingesellschafter-Geschäftsführer der GmbH im hier relevanten Zeitraum immer wieder mit Mandaten der GmbH beauftragt worden war. Die GmbH hatte treuhändig auf einem Anderkonto der Erstbekl Gelder erlegt, aus denen Zahlungen an den geschäftsführenden Gesellschafter erfolgten. Nach Ansicht des Kl wäre die Erstbekl aus dem Mandatsvertrag verpflichtet gewesen, das Vermögen der GmbH zu schützen, und hätte die treuhändig anvertrauten Gelder nicht ohne Gewinnverwendungsbeschluss und ohne betriebliche Rechtfertigung an den Gesellschafter auszahlen dürfen.

Während die Vorinstanzen die Klage abwiesen, geht der OGH davon aus, dass es an den Bekl gelegen wäre, die Vermögensinteressen ihrer Mandantin zu schützen und diese konkret darauf hinzuweisen, dass eine allem Anschein nach gegen § 82 GmbHG verstoßende Zahlung an ihren Gesellschafter zu einem Rückersatzanspruch führen würde, dessen Einbringlichkeit höchst unsicher war. Sie hätten unter den hier vorliegenden Umständen auch danach trachten müssen, einen gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften verstoßenden Abfluss liquider Mittel der GmbH im Stadium ihrer eigenen drohenden Insolvenz zu verhindern. Dazu hätten sie als ersten Schritt die angegebenen Gründe für die Auszahlungsanweisungen hinterfragen müssen. Da der Gesellschafter-Geschäftsführer den Bekl gegenüber offenkundig auf (zulässige) fremdübliche Austauschgeschäfte Bezug nahm, hätten sie sich in einer Situation wie der vorliegenden konkret vergewissern müssen, ob den angeordneten Zahlungen plausible Forderungen aus fremdüblichen Geschäften zugrunde lagen. Da im vorliegenden Fall zusätzlich zu den prima facie gegen Kapitalerhaltungsvorschriften verstoßenden Zahlungsaufträgen ein Interessenkonflikt zwischen dem geschäftsführenden Alleingesellschafter und der von ihm vertretenen Gesellschaft nahe lag, hätten sich die Bekl nicht mit gänzlich unkonkreten oder unplausiblen Erklärungen begnügen dürfen.

OGH 14. 9. 2021, 6 Ob 26/21y

Entscheidung

Nach den Feststellungen lieferte der Gesellschafter-Geschäftsführer als Erklärungen für die beauftragten Zahlungen, er habe sich aufgrund der Schwierigkeiten kein Geschäftsführerentgelt ausgezahlt, Mietzinsforderungen gegen die Gesellschaft teilweise erlassen und im Übrigen nicht näher konkretisierte Verbindlichkeiten der GmbH abgedeckt.

Diese Erklärungen konnten nach Ansicht des OGH aber aus folgenden Gründen nicht ausreichen, um die nach den Umständen vorliegenden Bedenken gegen die Auszahlungen zu zerstreuen:

Der bloße Hinweis auf stehen gelassene Geschäftsführerentgelte hätte einer Konkretisierung bedurft, um die zahlenmäßige Entsprechung mit den gewünschten Auszahlungen zumindest annähernd einschätzen zu können; das Gleiche gilt für die behaupteten Mietzinse, soweit diese der Gesellschaft nicht ohnehin erlassen wurden, sodass kein Mietzinszahlungsanspruch mehr bestand.

Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Probleme der GmbH und dem Bestreben ihres Gesellschafters, sie zu retten, hätten sich die Bekl auch vergewissern müssen, ob der GmbH durch die Tilgung ihrer Schulden und die behauptete unterbliebene Auszahlung von Geschäftsführerentgelten und das Erlassen von Mietzinsen nicht in Wahrheit Eigenkapital zuführen bzw auf seine Forderungen gegen die Gesellschaft verzichten wollte. Diesfalls könnte daraus kein Rückzahlungsanspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft abgeleitet werden. Selbst wenn nur eine Kreditgewährung an die Gesellschaft intendiert war, hätten die Bekl im vorliegenden Fall, in dem bereits ein Insolvenzeröffnungsverfahren gegen die Gesellschaft anhängig war, hinterfragen müssen, ob nicht bereits im Kreditgewährungszeitpunkt eine Krise iSd § 2 EKEG vorlag, sodass allfällige Kredite des Gesellschafters Eigenkapital ersetzend waren und der Rückzahlungssperre des § 14 EKEG unterlagen.

Zusammengefasst hätten die Bekl die Gesellschaft somit aufgrund ihrer Verpflichtung zur Interessenwahrung vor Auszahlungen, die wegen eines Verstoßes gegen § 82 GmbHG nichtig sein würden, konkret zu warnen und tunlichst zu bewahren. Dies hätte eine Aufklärung erforderlich gemacht, die über einen allgemein gehaltenen Hinweis auf einen „allfälligen“ Verstoß gegen Kapitalerhaltungsvorschriften hinausginge.

Derzeit kann jedoch ua die Kausalität der Aufklärungspflichtverletzung der Bekl für den behaupteten Schaden noch nicht beurteilt werden, weshalb der OGH die Rechtssache an das ErstG zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen hat.

Für das fortzusetzende Verfahren stellt der OGH klar, dass keine Bindung des Zivilgerichts an ein freisprechendes Strafurteil besteht. Schon aus diesem Grund ist für die Bekl hinsichtlich des gegen sie erhobenen Schadenersatzanspruchs nichts aus dem Straferkenntnis zu gewinnen, mit dem der Gesellschafter-Geschäftsführer vom Vorwurf der betrügerischen Krida nach § 156 StGB zu Lasten der Gläubiger der GmbH freigesprochen wurde.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31798 vom 07.12.2021