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Private Krankenversicherung – Prämien- und Leistungsanpassungen

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

VersVG: § 178f, § 178g, § 178h

Sofern eine vertragliche Prämien- und Leistungsanpassungsklausel des Krankenversicherungsvertrags (hier: § 18 Abs 1 AVB) dem (taxativen) Faktorenkatalog des § 178f Abs 2 VersVG entspricht, ist sie nach der Rsp iSd § 6 Abs 2 Z 3 KSchG auch ohne Aushandlung im Einzelnen wirksam und bedarf keiner weiteren Konkretisierung, um den Bestimmtheitserfordernissen des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG (hier idF BGBl 1979/140) zu entsprechen.

Nimmt der Versicherer dann eine Vertragsänderung oder Prämienanpassung vor, muss er diese erklären: Bei der Modifikation des Krankenversicherungsvertrags aufgrund der Faktoren des § 178f Abs 2 Z 2 bis 6 VersVG handelt es sich um eine Willenserklärung, die die Ausübung eines Gestaltungsrechts zum Inhalt hat. Der erforderliche Inhalt einer Erklärung des Versicherers, mit der er (wie hier) – ohne Prämienerhöhung – den Versicherungsschutz ändert, ist weder § 178f VersVG noch den Erläuterungen (RV 1553 18. GP) zu entnehmen. Im vorliegenden Fall war die Anpassungserklärung der Bekl aber jedenfalls ausreichend (neuer Erstattungsprozentsatz von 50 % wegen der allgemein häufigen Inanspruchnahme von Leistungen und der Veränderung der durchschnittlichen Lebenserwartung).

Dass die Vorgaben des § 178f VersVG für einseitige Prämien- oder Vertragsänderungen praktisch eingehalten werden, soll § 178g VersVG sicherstellen: § 178g VersVG räumt den dort genannten Institutionen das Recht ein, im Interesse der Versicherungsnehmer Unterlassungsansprüche geltend zu machen. Die zur Verbandsklage berechtigten Institutionen sind von einseitigen Prämienerhöhungen und einseitigen Änderungen des Versicherungsschutzes iSd § 178f VersVG zu informieren. Die Verständigungspflicht des Versicherers besteht bei allen Varianten der Vertragsanpassung und der Versicherer muss den in § 178g Abs 1 VersVG genannten Stellen auf Verlangen unverzüglich Einsicht in sämtliche Kalkulationsgrundlagen gewähren, die die erklärte Änderung der Prämie oder des Versicherungsschutzes begründen sollen (§ 178h VersVG). Unabhängig von der Möglichkeit der Verbandsklage nach § 178g VersVG steht es aber auch dem einzelnen Versicherungsnehmer frei, sich gegen eine gesetz- oder vertragswidrige Vertragsanpassung durch den Versicherer zur Wehr zu setzen. Gegenstand der Überprüfung im Prozess ist es, ob die Voraussetzungen für die betragliche Änderung des Versicherungsschutzes durch die bekl Versicherung vorlagen und ob das Ausmaß zutreffend ermittelt wurde. Hinsichtlich der Beweislast gilt grundsätzlich, dass jede Partei die Voraussetzungen der für sie günstigen Normen zu behaupten und zu beweisen hat. Der Gestaltungsberechtigte kann mit der Offenlegung seiner Faktoren für die Erhöhung/Änderung bis zum Prozess zuwarten. Im Verfahren sind dann aber die relevanten Faktoren, die für die Preisbestimmung und -ausgestaltung der vereinbarten Klausel maßgeblich waren, von ihm konkret und nachvollziehbar darzulegen.

OGH 21. 2. 2023, 7 Ob 210/22s

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall hatte der Kl Ende 2014 der Prämienanpassung für 2015 widersprochen, woraufhin die Bekl den Erstattungsprozentsatz mit Wirksamkeit ab 2015 von 80 % auf 70 % reduzierte (Vorgangsweise entsprechend § 178f Abs 3 VersVG). Im September 2020 informierte sie den Kl über eine weitere Herabsetzung des Erstattungsprozentsatzes auf 50 %; da sich der Kl in der Vergangenheit gegen eine Prämienanpassung ausgesprochen habe und sie gesetzlich verpflichtet sei, die dauernde Erfüllbarkeit der Leistungsverpflichtung aus den Prämien zu gewährleisten, sei eine Leistungsanpassung infolge der allgemein häufigen Inanspruchnahme von Leistungen und der Veränderung der durchschnittlichen Lebenserwartung erforderlich. Diese Anpassung wurde von der Bekl gem § 178g VersVG den dort angeführten Stellen unverzüglich zur Kenntnis gebracht und von diesen nicht beanstandet.

Nach Ansicht des Kl sei die Festlegung des Selbstbehalts mit 50 % grundlos erfolgt. Das Ausmaß der Reduktion sei nicht nachvollziehbar. Die Bekl hätte eine mathematische Aufschlüsselung vornehmen müssen, aus der sich die Reduktion um 20 % errechnen lasse.

Das ErstG wies das Klagebegehren ab. Es traf keine Sachverhaltsfeststellungen, sondern wertete den unstrittigen Sachverhalt dahin, dass die Anpassungsklausel dem Faktorenkatalog des § 178f Abs 2 VersVG entspreche und daher weder unklar noch unverständlich iSd § 6 Abs 3 KSchG sei. Es sei gerichtsnotorisch, dass sich die Lebenserwartung in den letzten zehn Jahren verändert habe. Aus dem Gesetz und den Vertragsbedingungen ergebe sich daher keine Pflicht der Bekl, den Vertrag mit dem Kl unverändert fortzuführen, sodass die vom Kl eigentlich begehrte Feststellung nicht berechtigt sei. Zur Erhebung eines Unterlassungsbegehrens seien nur die in § 178g VersVG genannten Stellen berechtigt.

Das BerufungsG bestätigte dieses Urteil und ließ die ordentliche Revision wegen des Fehlens von Rsp zur Frage zu, ob aus § 178f Abs 2 VersVG eine Pflicht des Versicherers abzuleiten sei, im konkreten Änderungsfall – über die Mitteilungspflicht an die Stellen gem § 178g Abs 1 VersVG hinaus –, dem Versicherungsnehmer die maßgeblichen Umstände für die Änderung nachvollziehbar darzulegen.

Über die zulässige Revision des Kl hob der OGH die angefochtenen Entscheidungen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das ErstG zurück. Da die Bekl die Umstände offenzulegen und nachzuweisen hat, die sie zur Ausübung des Gestaltungsrechts im konkreten Ausmaß berechtigen, wird das ErstG nun in diesem Sinn die Rechtssache im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien zu erörtern und die Vertragsänderung durch die Bekl – wohl unter Beiziehung eines Sachverständigen – zu überprüfen haben. Auch das Klagebegehren ist mit dem Kl noch zu erörtern.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33836 vom 29.03.2023