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Private Unfallversicherung – Fälligkeit bei Direktzahlung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: §§ 914 f

VersVG: § 11

Geldleistungen des Versicherers sind grds mit Beendigung der Erhebungen fällig, die zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung des Versicherers nötig sind (§ 11 Abs 1 Satz 1 VersVG). Daneben wird die Fälligkeit vorverlegt, wenn der Versicherungsnehmer eine Erklärung über die Erhebungen verlangt und der Versicherer dem nicht fristgerecht nachkommt (§ 11 Abs 1 Satz 2 VersVG). Weiters sieht § 11 VersVG in seinem Abs 2 vor, dass der Versicherungsnehmer Abschlagszahlungen verlangen kann, wenn eine gewisse Zeit verstrichen ist und sein Anspruch dem Grunde, aber nicht der Höhe nach feststeht. Primärer Zweck der Fälligkeitsregeln des § 11 VersVG ist der Schutz des Versicherungsnehmers. Der Versicherer hat seine Erhebungen so zügig wie möglich durchzuführen und muss jede unnötige Verzögerung vermeiden. Nötige Erhebungen iSd § 11 Abs 1 VersVG sind solche, die ein durchschnittlich sorgfältiger Versicherer des entsprechenden Versicherungszweiges anstellen muss, um den Versicherungsfall, seine Leistungspflicht und den Umfang der zu erbringenden Leistung zu prüfen und abschließend festzustellen.

Art 18.1–3 UE00 entspricht im Wesentlichen § 11 Abs 1 und 2 VersVG. In Abänderung von Art 18 UE00 regelt Art 7.15.1 UE00, dass bei der Versicherung von Dauerinvalidität bereits bei erstmaliger Anspruchsstellung nach einem Unfall eine garantierte Direktleistung für die Verletzungen vorgenommen wird, die in der Polizze im Verletzungskatalog angeführt sind. Für den Fall, dass eine dieser Verletzungen infolge eines Unfalls eintritt, sieht Art 7.15.2 UE00 vor, dass die garantierte Direktleistung nach Vorliegen einer nachvollziehbaren Krankengeschichte sofort ausbezahlt wird. Sollte in den vorgelegten medizinischen Unterlagen eine Vorerkrankung oder Vorverletzung dokumentiert sein, die eine Mitwirkung an den Unfallfolgen nahelegen, behält sich die Bekl weiters vor, den Anspruch auf Direktleistung durch ein medizinisches Gutachten überprüfen zu lassen. Art 7.15.3 UE00 bestimmt sodann ausdrücklich, dass mit der garantierten Direktleistung grds alle Ansprüche aus dem Titel Dauerinvalidität abgegolten sind, räumt der versicherten Person jedoch auch das Recht ein, die Beurteilung der Unfallfolgen durch einen Sachverständigen zu verlangen, wobei je nach Ergebnis der gutachterlichen Untersuchung eine etwaige Differenz nachgezahlt oder rückgefordert wird.

Ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer versteht Art 7.15.1 iVm Art 7.15.3 UE00 dahin, dass hinsichtlich der Verletzungen, die im Verletzungskatalog aufgelistet sind, aus Sicht des Versicherers nach Durchführung der standardisierten Erhebungen nach Art 7.15.2 UE00 (Vorlage einer Krankheitsgeschichte) diese Erhebungen beendet sind (sofern darin keine Vorerkrankungen oder Vorverletzungen dokumentiert sind) und damit die Fälligkeit der (gesamten zustehenden) Geldleistung iSd Art 18.1 UE00 eingetreten ist. Dies wird insb dadurch verdeutlicht, dass der Versicherer – bei einem solchen Fall der Dauerinvalidität – durch die dafür garantierte Auszahlung der Direktleistung nach den dort genannten Erhebungen aus seiner Sicht ausdrücklich alle Ansprüche aus dem Titel der Dauerinvalidität abgegolten wissen möchte (Art 7.15.3 UE00). Daran ändert auch nichts, dass dem Versicherungsnehmer nach ausgezahlter Direktleistung hat – und damit nach der vom Versicherer intendierten Abgeltung aller Ansprüche aus dem Titel der Dauerinvalidität – das Recht auf gutachterliche Überprüfung eingeräumt ist. Eine andere Sichtweise würde im Ergebnis einen nachträglichen Wegfall der bereits eingetretenen Fälligkeit bedeuten.

OGH 24. 10. 2023, 7 Ob 157/23y

Entscheidung

Nach Erstattung einer Schadensmeldung samt Ambulanzbefund und entsprechender Antragstellung („Anforderung auf Auszahlung der Direktleistung“) leistete die Bekl die vorgesehene Direktzahlung iHv 6.000 €.

Die kl Versicherungsnehmerin begehrt nun weitere 11.500 €. Dass sie mit der geleisteten Direktzahlung der Höhe nach nicht einverstanden war oder die Beurteilung der Unfallfolgen durch einen Sachverständigen verlange, hatte sie der Bekl vor Klagseinbringung nicht mitgeteilt.

Während das ErstG das Klagebegehren wegen mangelnder Fälligkeit abwies, hob das BerufungsG das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das ErstG zurück. Die Fälligkeit der Forderung sei eingetreten. Auch wenn die Fälligkeit bei der Direktleistung in Abweichung von Art 18 UE00 vorverlegt werde, könne dies nicht dazu führen, dass die Fälligkeit einer darüber hinausgehenden Versicherungsleistung zu Lasten des Versicherungsnehmers hinausgeschoben werde.

Auch nach Ansicht des OGH erweist sich der Einwand der mangelnden Fälligkeit als unzutreffend und wurde die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens mangels Feststellungen zur eingetretenen Dauerinvalidität zu Recht an das ErstG zurückverwiesen.

Entgegen der Ansicht der Bekl ist die Situation iZm der Auszahlung der Direktleistung auch nicht mit dem Verfahren des Art 19 UE00 bei Meinungsverschiedenheiten vergleichbar (Einrichtung einer Ärztekommission als Schiedsgutachtervertrag iSd § 184 Abs 1 VersVG). Zum einen handelt es um ein Verfahren bei – in Art 7.15 UE00 gar nicht gegebenen – Meinungsverschiedenheiten. Zum anderen ist nach der Rsp eine Leistungsklage des Versicherungsnehmers vor Ablauf der vorgesehenen 6-Monatsfrist ohnedies auch möglich, es sei denn, der Versicherer würde innerhalb der Frist auf seinem Recht auf Anrufung der Ärztekommission bestehen (7 Ob 235/16h); in Art 7.15 UE00 ist aber bereits kein Recht der Bekl vorgesehen, nach Auszahlung einer Direktleistung eine gutachterliche Überprüfung zu veranlassen.

Eine unzureichende Schadensmeldung durch die Kl hat die Bekl im erstgerichtlichen Verfahren nicht behauptet. Sie brachte vielmehr selbst vor, nach Überprüfung der Schadensmeldung die Direktleistung erbracht zu haben. Ein weiteres Eingehen erübrigt sich hier.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34879 vom 21.12.2023