News

Private Unfallversicherung: Invaliditätsgrad bei Prothese

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: §§ 914 f

Nach Art 7.2 AUVB 2007 idF 2012 gilt bei völligem Verlust oder völliger Funktionsunfähigkeit eines Beines der Invaliditätsgrad von 70% und bei “Teilverlust oder Funktionsbeeinträchtigung“ der entsprechende Teil dieses Prozentsatzes (Art 7.2.3 AUVB).

Der Verlust eines abgetrennten Gliedes wird durch den Gebrauch einer Prothese nicht aufgehoben. Fraglich ist allerdings, ob bei einem Teilverlust eines Gliedes (hier: Bein) eine Prothesentauglichkeit des Gliederrestes den Prozentsatz der Gliedertaxe entsprechend vermindert. Nach Ansicht des kl Versicherungsnehmers wäre die Funktionsfähigkeit seines Beines ohne die Prothese zu beurteilen. Dazu hält der der OGH zur Klarstellung der Rechtslage fest:

Zu den natürlichen Aufgaben, die die Beine zu erfüllen haben, zählt im Wesentlichen die Fortbewegung. Die Prothesentauglichkeit des verbleibenden Gliederrestes dient der unmittelbaren Erfüllung dieser Aufgabe. Sie verbessert jedenfalls erheblich die Fortbewegungsmöglichkeiten gegenüber der Situation, eine Prothese nicht verwenden zu können und auf Krücken oder gar den Rollstuhl angewiesen zu sein. Die Prothesentauglichkeit des Gliederrestes bewirkt – gegenüber dem völligen Verlust des Gliedes – eine Verbesserung der Gebrauchsfähigkeit des Beines und damit der gesamten Lebenssituation des Versicherungsnehmers. Daher wird auch der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer davon ausgehen und Art 7.2.3 AUVB dahin verstehen, dass die Prothesentauglichkeit eines Gliederrestes einen geringeren Invaliditätsgrad zur Folge hat als der vollständige Verlust des Gliedes. Auch im vorliegenden Fall hat daher die verbleibende Prothesentauglichkeit bei der Bestimmung des Invaliditätsgrades nicht unberücksichtigt zu bleiben.

OGH 26. 1. 2022, 7 Ob 190/21y

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32288 vom 29.03.2022