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Der Unfallversicherungsvertrag sieht für die Leistungsart „Unfallkapital“ gestaffelte Versicherungsleistungen vor. Bei einem ärztlich festgestellten Grad der dauernden Invalidität von 1 bis 19 % und einer Versicherungssumme von 200.000 € beträgt die Leistung zwischen 2.000 und 38.000 €. Da unter dem Schwellenwert von 1 % keine Versicherungsleistung genannt wird, hat der (bekl) Unfallversicherer unter diesem Grad der dauernden Invalidität auch kein „Unfallkapital“ zu leisten. Dies ergibt sich eindeutig daraus, dass die Berechnung der Versicherungsleistung erst ab dem Grad der dauernden Invalidität von 1 % beginnt, und für den Versicherungsnehmer daraus erkennbar ist, dass unter dieser Schwelle vom Versicherer keine Versicherungsleistung erbracht wird.
Bei der Beurteilung, ob der Schwellenwert von 1% erreicht worden ist, ist der festgestellte Grad der dauernden Invalidität zuerst um den unfallfremden Anteil zu kürzen:
Vertragsgrundlagen sind hier die Allgemeinen Bedingungen für den Unfallschutz (AUVB 2016), die Ergänzenden Bedingungen für den Premium-Unfallschutz (EUVBP 2016) sowie die Bedingung „Unfallkapital (UVCP0001)“, nach der sich die Versicherungsleistung durch Multiplikation des ärztlich festgestellten Grades der dauernden Invalidität mit der für diesen Invaliditätsgrad festgelegten Versicherungssumme errechnet. Der Invaliditätsgrad ist zunächst anhand der vereinbarten Gliedertaxe nach Art 3.3. und Art 3.4. EUVBP 2016 zu ermitteln. Beim Zusammentreffen mit einem unfallfremden Mitwirkungsanteil mindert sich nach Art 11.2. AUVB 2016 der Prozentsatz des (durch eine allfällige Vorinvalidität „bereinigten“; Art 3.6. EUVBP 2016) Invaliditätsgrades entsprechend des unfallfremden Mitwirkungsanteils. Diese Auslegung wird auch durch Punkt 2.b der Bedingung UVCP0001 bestätigt, wonach ein Sachverständiger bei der Beurteilung der Unfallfolgen Art 11.2. AUVB 2016 (Verminderung des Invaliditätsgrades aufgrund von Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen) zu berücksichtigen hat. Damit folgt für den Versicherungsnehmer klar, dass auch Punkt 1. UVCP0001 vom ärztlich festgestellten Grad der dauernden Invalidität ausgeht, der den bestehenden „Vorzustand“ der versicherten Person berücksichtigt, wenn bei ihr bereits vorhandene Krankheiten oder Gebrechen die Unfallfolgen beeinflussten.
OGH 18. 12. 2024, 7 Ob 201/24w
Entscheidung
Der Kl erlitt beim Unfall vom 11. 9. 2019 einen Invaliditätsgrad im Ausmaß von 2 % des Beinwerts von 70 % (Art 3.3. iVm Art 3.4. EUVBP 2016). Zu berücksichtigen ist weiters nach Art 11.2. AUVB 2016 der Mitwirkungsanteil von 75 % durch die bestehende Beinachsenfehlstellung und die daraus resultierende Überbelastung des inneren Kniegelenkskompartements und der wiederum daraus folgende Knorpelschaden sowie die bestehende Arthrose. Der unfallbedingte Invaliditätsgrad ergibt sich durch Kürzung um diesen Mitwirkungsanteil.
Der für die Leistungsart „Unfallkapital“ maßgebliche ärztlich festgestellte Grad der dauernden Invalidität beträgt daher 0,35 % (2 % des Beinwerts von 70 % abzüglich des Mitwirkungsanteils von 75 %). Da die dauernde Invalidität unter 1 % liegt, steht dem Kl für diesen Unfall die begehrte Versicherungsleistung nicht zu.