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Raumordnungsvertrag mit Bauträger nach TROG 2016

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 879

TROG 2016: § 33

Unter Raumordnungsverträgen werden zivilrechtliche Verträge verstanden, die zwischen der öffentlichen Hand und Privaten iZm der Änderung von Flächenwidmungs- und/oder Bebauungsplänen abgeschlossen werden (hier: Umwidmung der Liegenschaft der kl Bauträgerin von Freiland in Bauland).

Zum Zweck der Verwirklichung der Ziele der örtlichen Raumordnung, insb (durch ausdrücklichen Verweis auf § 27 Abs 2 lit d TROG 2016) „zur Deckung des Grundbedarfs an Wohnraum ... zu angemessenen Preisen“, ermächtigt § 33 Abs 2 TROG 2016 die Gemeinden, Verträge mit Grundeigentümern abzuschließen. Diese Verträge können gem § 33 Abs 3 TROG 2016 die Verpflichtung des Grundeigentümers vorsehen, die jeweiligen Grundflächen innerhalb einer angemessenen Frist einer bestimmten Verwendung zuzuführen, insb zu bebauen, oder der Gemeinde für bestimmte Zwecke, insb für den geförderten Wohnbau, zu überlassen. § 33 Abs 3 TROG 2016 erklärt damit sog Verwendungs- und Überlassungsverträge für zulässig: Verwendungsverträge (§ 33 Abs 3 Fall 1 TROG 2016) sollen eine widmungskonforme Verwendung von Grundstücken sicherstellen. Durch Überlassungsverträge (§ 33 Abs 3 Fall 2 TROG 2016) soll va der Bedarf an Baugrundstücken zu angemessenen Preisen gedeckt und die Errichtung förderbarer Wohnbauten ermöglicht werden.

Im vorliegenden Fall hat sich die kl Bauträgerin gegenüber der bekl Gemeinde zur Bebauung der ihr gehörenden Liegenschaft mit einer förderbaren Gesamtanlage verpflichtet. Dabei handelt es sich um einen Verwendungsvertrag iSd § 33 Abs 2 iVm Abs 3 Fall 1 TROG 2016. Die Kl begehrt nun (ua) die Nichtigerklärung dieses Raumordnungsvertrags: Insb die Vorgabe, wonach es sich bei der geplanten Wohnanlage um eine „förderbare Gesamtanlage“ handeln müsse, finde in der gesetzlichen Ermächtigung des § 33 TROG 2016 keine Deckung.

Dem TROG ist nicht zu entnehmen, dass nur typenreine Verträge geschlossen werden dürften und eine Kombination von Vertragselementen grds nicht zulässig wäre. Auf dieser Grundlage ist die Übernahme der Verpflichtung, auf der betroffenen Liegenschaft eine förderbare Gesamtanlage zu errichten, nicht zu beanstanden. Wenn das Gesetz vorsieht, dass Grundflächen ua der Gemeinde insb für Zwecke des geförderten Wohnbaus überlassen werden können, muss umso mehr die Verwendung der Grundflächen durch den Grundeigentümer selbst (hier den Bauträger) für Zwecke des geförderten Wohnbaus vereinbart werden können. Immerhin stellt die Verpflichtung zu einer bestimmten Verwendung gegenüber der Verpflichtung zur Überlassung der Grundflächen den geringeren Eingriff dar.

OGH 19. 11. 2024, 1 Ob 57/24z

Entscheidung

Keine Drucksituation

Zwar steht fest, dass es zu keiner Umwidmung gekommen wäre, hätte die Kl den Vertrag nicht unterzeichnet. Daraus ergibt sich aber nur eine konditionale Verknüpfung, nicht aber, dass die Bekl im konkreten Fall ihren Planungsspielraum überschritten hätte.

Auch Sittenwidrigkeit liegt nicht vor: Die Gemeinde verfolgte mit dem Vertrag ein legitimes, gesetzlich gedecktes Ziel. Diesem Interesse der Gemeinde standen keine deutlich überwiegenden Interessen der Kl gegenüber.

Soweit die Kl argumentiert, sie habe sich bei Abschluss des Raumordnungsvertrags in einer Zwangslage befunden (im Hinblick auf die von ihr angestrebte Bebaubarkeit), ist ihr zu erwidern, dass sie vom Abschluss des angebotenen Raumordnungsvertrags Abstand nehmen hätte können, ohne dass sich ihre damalige rechtliche Position verschlechtert hätte. Zudem hat sie sich selbst erst in diese Situation manövriert, indem sie bei Abschluss des Kaufvertrags offenbar verabsäumt hat, ihre wirtschaftlichen Erwartungen durch ein Rückverkaufsrecht oder Ähnliches abzusichern.

Der strittige Vertrag war hier somit von § 33 Abs 2 und 3 TROG 2016 gedeckt und es lagen auch keine (anderen) Gründe vor, aus denen sich schon von vornherein seine Unzulässigkeit ergäbe.

Keine Gesamtnichtigkeit

Unbedenkliche Vertragsbestimmungen

Auch die konkreten Bestimmungen des Vertrags sind letztlich unbedenklich:

Nach § 33 Abs 4 TROG 2016 ist die Einhaltung der Raumordnungsverträge auf geeignete Weise sicherzustellen, insb durch die Vereinbarung von Vorschlags- und Zustimmungsrechten, „soweit dies zivilrechtlich zulässig ist“. Die Kl kritisiert in diesem Zusammenhang jene Vertragsbestimmungen, wonach sich die Bekl die Vergabe der Wohnungen nach bestimmten Kriterien vorbehalten hat (und die Kl die Wohnungen nicht an andere Personen verkaufen darf) und dass die Kaufpreise nach den Sätzen der Wohnbauförderungsrichtlinie festzusetzen sind.

Diese Vertragsbestimmungen verfolgen offenkundig den Zweck, die Einhaltung des Raumordnungsvertrags und die Erreichung seines Zwecks abzusichern. Sie sind im Einzelnen unter dem Blickwinkel des § 879 ABGB auf ihre Zulässigkeit zu prüfen:

Die Verpflichtung zur Festsetzung der Kaufpreise „gemäß den Sätzen nach der Wohnbauförderungsrichtlinie“ ergibt sich daraus, dass es sich bei dem Bauprojekt um eine förderbare Gesamtanlage handeln muss; sie wird durch den Sinn und Zweck des sozialen Wohnbaus gestützt. Es liegt keine „sonderzivilrechtliche Preisbestimmung“ (iSd Art 15 Abs 9 B-VG) vor, sondern eine (zivilrechtliche) Preisvereinbarung zwischen den Parteien zugunsten Dritter (der Erwerber), die sich an diesen Sätzen orientiert. Wenn die Kl behauptet, dass die Sätze der Wohnbauförderung nicht kostendeckend, geschweige denn gewinnbringend seien, weshalb sogar gemeinnützige Bauträger in den letzten Jahren von der Realisierung behördlich genehmigter Neubauprojekte abgesehen hätten, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie sich vertraglich zur Einhaltung dieser Sätze verpflichtet hat, ohne sich in einer berücksichtigungswürdigen Drucksituation befunden zu haben. Dass diese Sätze unter den am Markt erzielbaren Preisen liegen und allenfalls nicht kostendeckend sein könnten, ist daher ein Risiko, das sie freiwillig eingegangen ist.

Eine Unsachlichkeit ist auch nicht hinsichtlich der vertraglich festgelegten materiellen Kriterien der Wohnungsvergabe zu erkennen, die sich im Wesentlichen mit den Tiroler Wohnungsvergabe-RL decken (etwa Wohnbedarf, Erfüllung der personenbezogenen Förderungskriterien nach der Tiroler Wohnbauförderungs-RL, Volljährigkeit). Dass die Käufer ihren Hauptwohnsitz in der Gemeinde haben müssen, ist durch das Anliegen gerechtfertigt, leistbaren Wohnraum für bereits ansässige Gemeindebürger zur Verfügung zu stellen. Zudem kann aus besonderen Gründen ohnehin von einzelnen dieser Kriterien abgegangen werden und nach Ablauf von zwölf Monaten ab Ausstellung der Benützungsbewilligung darf die Kl letztlich ohnedies die Auswahl aus mehreren von der Bekl bekannt gegebenen Personen treffen.

Teilnichtigkeit nicht begehrt

Als überschießend könnte allenfalls angesehen werden, dass die Kl nicht selbst an Personen verkaufen darf, die den festgelegten Kriterien entsprechen, sondern insofern an einen Vorschlag der Gemeinde gebunden ist. Diese (entgegen § 6 Abs 2 TWFG 1991) unbefristete Ausgestaltung des Vergaberechts der Bekl ist bedenklich, da das legitime Interesse der Gemeinde an der Kontrolle der Einhaltung der materiellen Kriterien auch durch ein bloßes Zustimmungserfordernis gewahrt werden könnte. Selbst wenn aber das Vergaberecht der Gemeinde aus diesem Grund als unzulässig anzusehen wäre, ergäbe sich daraus (noch) nicht die Gesamtnichtigkeit des Vertrags: Dieser könnte auch ohne dieses Recht seinen Zweck erfüllen.

Eine Teilnichtigkeit macht die Kl (auch) insofern allerdings nicht geltend. Vielmehr will sie von der Bindung an die – zulässig vereinbarten – wohnbauförderungsrechtlichen Kriterien (Vorgaben in materieller Hinsicht) befreit werden und die Objekte freihändig (zu einem höheren Preis an beliebige Interessenten) veräußern. Dieses Ziel könnte sie selbst bei Wegfall des Vergaberechts der Gemeinde nicht erreichen. Ein Minderzuspruch (Unwirksamkeit nur dieser Vertragsbestimmung) kommt daher nicht in Betracht.

Die Berechtigung des auf Feststellung der Gesamtnichtigkeit gerichteten Klagebegehrens lässt sich somit auch nicht aus den konkreten Bestimmungen des Vertrags ableiten.

Zusammenfassung

Die tragenden Erwägungen dieser Entscheidung fasst der OGH wie folgt zusammen:

Ein Raumordnungsvertrag, mit dem sich ein Bauträger gegenüber einer Gemeinde zur Bebauung einer ihm gehörenden Liegenschaft mit einer förderbaren Gesamtanlage verpflichtet, ist ein Verwendungsvertrag iSd § 33 Abs 2 iVm Abs 3 Fall 1 TROG 2016. Ein solcher Vertrag ist jedenfalls dann grundsätzlich zulässig, wenn die Liegenschaft zuvor als Freiland gewidmet war und erst durch die Umwidmung, die aufgrund des Raumordnungsvertrags erfolgte, bebaubar wurde.

Die Einhaltung eines Raumordnungsvertrags kann insb mit den in § 33 Abs 4 TROG 2016 genannten Vorschlags- und Zustimmungsrechten abgesichert werden. Inhaltliche Grenze für die Ausgestaltung dieser Rechte ist § 879 Abs 1 ABGB.

Auch bei Raumordnungsverträgen hängt es primär vom Verbotszweck ab, ob bei Unzulässigkeit einer einzelnen Vertragsbestimmung der gesamte Vertrag nichtig ist oder im Übrigen gültig bleibt.

Hinweis:

Das TROG 2016 wurde als „Tiroler Raumordnungsgesetz 2022 – TROG 2022“ wiederverlautbart.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36214 vom 19.12.2024