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UStG: § 6 Abs 1 Z 7, Z 18 und Z 28
Vor dem Hintergrund, dass das nationale Recht keine umsatzsteuerliche Befreiung für Leistungen eines gerichtlich bestellten Sachwalters vorsieht, möchte der VwGH vom EuGH wissen, ob das Unionsrecht, insbesondere Art 132 Abs 1 Buchstabe g der Mehrwertsteuerrichtlinie, eine Mehrwertsteuerbefreiung für Leistungen eines Rechtsanwaltes, der als gerichtlich bestellter Sachwalter fungiert und dabei nicht anwaltstypische Leistungen erbringt, anordnet.
VwGH 11. 12. 2019, Ra 2019/13/0025 (EU 2019/0007)
Sachverhalt
Der Revisionswerber ist Rechtsanwalt. Er macht geltend, er sei seit vielen Jahren im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit fast nur mehr als von Gerichten bestellter Sachwalter tätig. Auch in diesem Bereich habe er für die betroffenen Personen typisch anwaltliche Tätigkeiten zu verrichten, jedoch nur in ganz geringem Umfang. Frei gewählte Mandate übernehme er nicht mehr. Seine übrige Tätigkeit als Sachwalter bestehe aus sozialarbeiterischer Fürsorge (Personensorge) für die ihm von den Gerichten anvertrauten Personen. Die Bestellung erfolge für Personen, die psychisch krank oder geistig behindert und deshalb außerstande seien, alle oder einzelne Angelegenheiten zu erledigen, und derart in Gefahr gerieten, Nachteile zu erleiden. Die Tätigkeit eines Sachwalters sei eine, die der sozialen Sicherheit diene. Er habe, um den Anforderungen als Sachwalter gerecht zu werden, Sozialarbeiterinnen angestellt und sein Personal sozialarbeiterisch geschult. Er verfüge auch über ein großes außerbetriebliches Netz, so über mehrere Personen, die Besuchsdienste erbringen. Bei richtiger Umsetzung des Art 132 Abs 1 Buchst g der RL 2006/112/EG müssten Umsätze des Sachwalters iZm seinen Betreuungs- und Vertretungshandlungen von der Umsatzsteuer ausgenommen werden.
In dem vor dem VwGH angefochtenen Erkenntnis behandelte das BFG - wie schon zuvor das Finanzamt - die Umsätze des Revisionswerbers aus Tätigkeiten als Sachwalter jedoch als steuerpflichtig. Die Berufsgruppe der Rechtsanwälte sei nicht als anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter anzusehen. Die Umsätze des Revisionswerbers aus seiner Tätigkeit als Sachwalter seien daher nicht steuerbefreit. Soweit ein Verstoß gegen die gebotene Gleichbehandlung geltend gemacht werde, sei zu bemerken, dass Sachwalter-Vereine gem § 6 Abs 1 Z 25 UStG 1994 von der Umsatzsteuer befreit seien. Diese seien jedoch - anders als Rechtsanwälte - nicht auf Gewinn ausgerichtet. Somit lägen aber auch keine vergleichbaren Dienstleistungen vor, die gleich behandelt werden müssten.
Unionsrecht
Art 132 Abs 1 lit g der RL 2006/112/EG des Rates vom 28. 11. 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem lautet:
„KAPITEL 2
Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten
Art 132
(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer: (...)
g) | eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden; (...)“ |
Streitpunkt
Im Verfahren ist nicht strittig, dass Leistungen, die der Revisionswerber als Anwalt erbringt, und auch jene Leistungen, die er als vom Gericht für behinderte Personen (§ 268 Abs 1 ABGB) bestellter Sachwalter unter Nutzung seiner besonderen beruflichen Kenntnisse erbringt und hiefür Anspruch auf Entgelt nach § 276 Abs 2 ABGB hat, der Umsatzsteuer unterliegen.
Der Revisionswerber macht aber - abweichend von der Ansicht des Finanzamtes und des BFG - geltend, jene Leistungen, die er als vom Gericht bestellter Sachwalter erbringe und für die eine „Entschädigung“ iSd § 276 Abs 1 ABGB zustehe, seien steuerfrei zu behandeln. Insoweit ist aber ebenfalls unbestritten, dass diese Leistungen ausgehend nur vom nationalen (österreichischen) Recht steuerpflichtig sind, da das nationale Recht für diese Leistungen keine Befreiungsbestimmung vorsieht. Insbesondere die Bestimmungen des § 6 Abs 1 Z 7 und Z 18 UStG 1994 erstrecken sich im Verfahren unbestritten nicht (auch) auf die Leistungen eines Rechtsanwalts als Sachwalter.
Vorlagefrage
Folgende Frage wird dem EuGH mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung gem Art 267 AEUV vorgelegt:
Ist Art 132 Abs 1 Buchstabe g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahin auszulegen, dass Dienstleistungen eines Rechtsanwaltes, die dieser als vom Gericht bestellter Sachwalter - soweit es sich nicht um anwaltstypische Leistungen handelt - erbringt, von der Mehrwertsteuer befreit sind?