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Rechtsschutzversicherung: Befriedigung statt Honorarprozess trotz Abwehrdeckung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

VersVG: § 158j

Nach stRsp verwandelt sich der Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers in einen Kostenerstattungsanspruch gegen seinen Rechtsschutzversicherer, wenn der Versicherungsnehmer seinen Kostengläubiger befriedigt hat. Dies gilt auch dann, wenn der Versicherer Abwehrdeckung für einen Honorarprozess gewährt hat, der Versicherungsnehmer sich auf einen solchen aber nicht einlässt, sondern seinen Kostengläubiger befriedigt:

Insbesondere in einem Fall (wie hier), in dem der Rechtsvertreter unmittelbar durch den Versicherungsnehmer beauftragt und die Rechtsschutzversicherung erst danach kontaktiert wurde und dann ihre Deckungszusage erteilte, sind der Honoraranspruch des Rechtsvertreters gegen den Auftraggeber und Versicherungsnehmer und die Versicherungsleistung nicht zwingend deckungsgleich: Der Honoraranspruch des Rechtsanwalts gegenüber seinem Mandanten richtet sich primär nach der Vereinbarung zwischen den beiden (hier: Vereinbarung eines Stundensatzhonorars, allerdings der Wahl des Rechtsanwalts anheimgestellt). Besteht keine Vereinbarung, hat der Rechtsanwalt Anspruch auf angemessenes Entgelt, für das in erster Linie der Rechtsanwaltstarif heranzuziehen ist. Besteht auch kein Tarif, kommt den Allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK) als qualifiziertes Gutachten über die Angemessenheit der im RATG nicht näher geregelten anwaltlichen Leistungen Bedeutung zu. Die Leistung des Rechtsschutzversicherers hingegen richtet sich gem Art 6 ARB 2003 nach den notwendigen Kosten („wenn die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zweckentsprechend und nicht mutwillig ist und hinreichende Aussicht auf deren Erfolg besteht“) und ist der Höhe nach mit dem RATG bzw in Ermangelung dessen Anwendbarkeit mit den Autonomen Honorarrichtlinien (AHR) begrenzt.

Da somit der Honoraranspruch des Rechtsvertreters und die Versicherungsleistung nicht zwingend deckungsgleich sind, stünde auch nach rk Beendigung des Honorarprozesses nicht fest, in welchem Ausmaß der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer zahlungspflichtig ist. In der vorliegenden Konstellation ist es somit sachgerecht, letztlich den Versicherungsnehmer entscheiden zu lassen, ob er – mit Abwehrdeckung des Versicherers – den Honorarprozess mit seinem Rechtsvertreter, oder nach Bezahlung seines Kostengläubigers einen Deckungsprozess mit seinem Rechtsschutzversicherer führen will. Dieses Recht kann der Versicherer auch nicht dadurch konterkarieren, dass er dem Versicherungsnehmer die „Weisung“ erteilt, die Honorarnote seines Rechtsanwalts nicht zu bezahlen.

Die Bezahlung des Rechtsvertreters nach Gewährung der Abwehrdeckung durch den Versicherer ist auch kein Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit (Art 8.1.4. ARB 2003, § 62 Abs 1 VersVG), weil sich durch die Bezahlung lediglich der Anspruch des Versicherungsnehmers wandelt, nicht aber der Umfang der Ersatzpflicht des Versicherers.

OGH 19. 4. 2023, 7 Ob 208/22x

Entscheidung

Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass sich der Befreiungsanspruch der Kl durch die Bezahlung der Honorarforderung in einen Geldanspruch umgewandelt hat. Zur Frage der Angemessenheit bzw Üblichkeit des verrechneten Honorars war die Entscheidungsgrundlage jedoch unzureichend und der OGH erläutert bei Zurückverweisung der Sache an das ErstG ausführlich, welche Grundsätze dieses bei seiner Entscheidung zu beachten haben wird, dass im vorliegenden Fall die AHK einschlägig sind und das ErstG im fortgesetzten Verfahren die Tatsachengrundlage für die Prüfung zu schaffen haben wird, welche der verzeichneten Leistungen als notwendig iSd Art 6.3. ARB 2003 anzusehen und davon ausgehend als angemessen gem Art 6.6.1. ARB 2003 zu qualifizieren sind.

Hinweis:

Vgl auch OGH 24. 5. 2023, 7 Ob 50/23p. Dort verwarf der OGH weiters das Argument, der Versicherer würde durch diese Rechtsansicht „in die Rolle des Regressklägers“ gedrängt bzw „in unerwünschte Vertragsbedingungen zwischen dem Versicherungsnehmer und dem beauftragten Rechtsanwalt“ hineingezogen. Dies ist für den OGH nicht erkennbar, ist doch gerade im Verfahren zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer zu klären, ob und in welchem Ausmaß der Versicherer aufgrund des Rechtsschutzversicherungsvertrags zahlungspflichtig ist.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34295 vom 20.07.2023