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Die in den Besonderen Bestimmungen der Rechtsschutzversicherung beschriebenen Risiken (Rechtsschutz-Bausteine) werden in Form von Rechtsschutz-Kombinationen angeboten. Eine Voraussetzung für die problemfreie Nutzung dieses flexiblen Systems zur Produktgestaltung ist eine klare Abgrenzung der Deckung zwischen den einzelnen Rechtsschutz-Bausteinen. Diese Abgrenzung der Deckung geschieht primär im Wege der positiven Deckungsumschreibung. Dort, wo das zur Vermeidung ungewollter Deckungsüberschneidungen oder Unschärfen notwendig ist, erfolgt sie zusätzlich durch die sogenannten Deckungsabgrenzungsausschlüsse. Diese Deckungsabgrenzungsausschlüsse haben (im Gegensatz zu den Risikoausschlüssen im engeren Sinn) nur die Aufgabe, bestimmte Risiken aus einem Baustein auszugliedern, um sie einem anderen zuzuordnen. Der jeweilige Deckungsabgrenzungsausschluss greift daher auch nur dann, wenn das betroffene Risiko nach der positiven Deckungsbeschreibung des anderen Bausteins, dem die Deckung durch Querverweis zugewiesen wurde, grundsätzlich versicherbar ist. Unbeachtlich ist dagegen, ob der zutreffende Rechtsschutz-Baustein auch tatsächlich versichert ist oder nicht.
Im vorliegenden Fall liegen dem Rechtsschutzversicherungsvertrag die Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2015) der Bekl zugrunde. Hinsichtlich des Allgemeinen Schadenersatz-Rechtsschutzes umfasst die positive Deckungsumschreibung in Art 21.2.1. ARB 2015 die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts wegen eines erlittenen Schadens. Dass der hier geltend gemachte deliktische Schadenersatzanspruch grds unter Art 21.2.1. ARB 2015 fällt, wird von der Bekl nicht bestritten; sie stützt sich jedoch auf Art 21.3.2.1. ARB 2015, wonach der Versicherungsschutz im Allgemeinen Schadenersatz-Rechtsschutz nicht Fälle umfasst, die beim Versicherungsnehmer und den mitversicherten Personen in ihrer Eigenschaft als Eigentümer, Halter, Zulassungsbesitzer, Leasingnehmer oder Lenker von Motorfahrzeugen zu Lande, zu Wasser und in der Luft sowie Anhängern einschließlich Ersatzteilen und Zubehör eintreten. Bei Art 21.3.2.1. ARB 2015 handelt es sich nicht um einen Risikoausschluss ieS, sondern um einen Deckungsabgrenzungsausschluss. Dies ergibt sich aus der Systematik der Bestimmung: Art 21.3. ARB 2015 unterscheidet – der Systematik der Musterbedingungen folgend (vgl Art 19.3. der Muster-ARB 2015) – zwei Fallgruppen; in der ersten Fallgruppe (Art 21.3.1. ARB 2015) werden zwei Unterfälle ausdrücklich als spezielle Risikoausschlüsse (ieS) geregelt (vgl den unmissverständlichen Einleitungssatz). In Art 21.3.2. ARB 2015 findet sich diese Bezeichnung dagegen nicht, sondern wird formuliert, dass der „Versicherungsschutz im allgemeinen Schadenersatz-Rechtsschutz“ die nachfolgend aufgezählten Fälle nicht umfasst. Aus dieser Differenzierung ist abzuleiten, dass diese Regelung keinen Risikoausschluss (ieS) verfolgt, sondern lediglich einen Ausschluss aus dem Rechtsschutzbaustein des allgemeinen Schadenersatzes bezweckt, die dort genannten Risken aber in anderen Rechtsschutz-Bausteinen versicherbar sind. Diese Schlussfolgerung wird noch dadurch verstärkt, dass die Tatbestände in Art 21.3.2. ARB 2015 – anders als die in Art 21.3.1. ARB 2015 – grds anderen versicherbaren Rechtsschutzbausteinen zugeordnet werden können (hier: Art 21.3.2.1. ARB 2015 – Art 17 ARB 2015). Die Regelung des Art 21.3.2. ARB 2015 erfüllt daher eine Zuordnungsfunktion zwischen den einzelnen Rechtsschutz-Bausteinen und ist trotz des (im Vergleich zu den Musterbedingungen) fehlenden Einleitungssatzes und Querverweises als Deckungsabgrenzungsausschluss zu qualifizieren.
Im vorliegenden Fall ist der geltend gemachte Rechtsschutzanspruch unstrittig nicht in dem Rechtsschutz-Baustein (Art 17 ARB 2015) versicherbar, von dem Art 21.3.2.1. ARB 2015 den Baustein Allgemeiner Schadenersatz-Rechtsschutz abgrenzt; der Deckungsabgrenzungsausschluss des Art 21.3.2.1. ARB 2015 kommt hier daher nicht zum Tragen.
Entscheidung
Der vom Kl geltend gemachte Rechtsschutzanspruch ist unstrittig weder von der positiven Deckungsumschreibung des Schadenersatz-Fahrzeug-Rechtsschutzes nach Art 17.2.1. ARB 2015 umfasst noch von jener des Fahrzeug-Vertrags-Rechtsschutzes nach Art 17.2.4. ARB 2015. Der Versicherungsfall richtet sich hier unbestritten nach Art 2.3. ARB 2015.
Im vorliegenden Fall hat der Versicherungsnehmer während des versicherten Zeitraums einen gebrauchten Diesel-PKW erworben und begehrt Rechtsschutzdeckung für die Geltendmachung eines auf § 1295 ABGB sowie § 874 ABGB gestützten Anspruchs auf Ersatz des Minderwerts (30 % des Kaufpreises) gegen die Herstellerin wegen des Kaufs eines Fahrzeugs, dessen Motor mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgeliefert worden sei. Damit hat der Kl den Versicherungsfall schlüssig dargelegt (vgl etwa 7 Ob 91/22s, Rechtsnews 33038). Im Fall des serienmäßigen Einbaus eines nicht rechtskonformen Bauteils in eine Sache ist der Versicherungsfall der Erwerb des Fahrzeugs, weil sich erst damit die Gefahr zu verwirklichen beginnt, die der Rechtsschutzversicherer in Bezug auf den Versicherungsnehmer konkret übernommen hat (7 Ob 32/18h, RdW 2019/114; 7 Ob 61/22d, RdW 2022/567).
Der OGH hegt auch keine Bedenken gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass das anspruchsbegründende Vorbringen des Kl nicht unschlüssig sei, eine nicht ganz entfernte Möglichkeit des Erfolgs bestehe (was bei Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Rechtsschutzversicherung ausreicht) und dass der Einwad der Bekl, der Kl sei nicht getäuscht worden, weil der Kauf nach der ad-hoc- Mitteilung des Hersteller-Konzerns erfolgt sei, als Tatfrage im Haftpflichtprozess zu beurteilen und für die Deckungspflicht unbeachtlich sei (vgl 7 Ob 61/22d, RdW 2022/567; 7 Ob 129/22d, Rechtsnews 33162; 7 Ob 130/22a). Eine Rechtsverfolgung gegen den Verkäufer (wie in der E 7 Ob 152/22m, RdW 2023/130) beabsichtigt der Kl hier nicht.