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Rückerstattung nach Epidemiegesetz gebührt einschließlich anteiliger Sonderzahlungen

Bearbeiter: Manfred Lindmayr

EpiG: § 7, § 32

Wurde ein Arbeitnehmer gemäß § 7 oder § 17 EpiG abgesondert, hat der Arbeitgeber gemäß § 32 EpiG Anspruch auf eine Vergütung für das Entgelt, das er dem Arbeitnehmer für jeden Tag der Absonderung weitergezahlt hat. Die Vergütung ist nach dem regelmäßigen Entgelt iSd EFZG zu bemessen und umfasst daher auch anteilige Sonderzahlungen, unabhängig davon, wann die Sonderzahlungen nach dem Kollektivvertrag fällig sind und ausgezahlt werden. Von der Vergütung ausgeschlossen sind lediglich jene Sonderzahlungen, die der Arbeitnehmer – nach den kollektiv- oder einzelvertraglichen Bestimmungen – vom Arbeitgeber für die Zeit der Absonderung bzw des Entfalls der Pflicht zur Entgeltzahlung jedenfalls erhält und die daher bei ihm keinen Ausfall an Entgelt bewirken, der auf den Arbeitgeber übergehen könnte.

VwGH 24. 6. 2021, Ra 2021/09/0094

Sachverhalt und bisheriges Verfahren

Im Juni 2020 ordnete der Magistrat der Stadt Wien eine (nachträgliche) Absonderung (Quarantäne) eines Mitarbeiters eines Unternehmens für den Zeitraum von 28. 4. 2020 bis 13. 5. 2020 wegen COVID-19 an. Im September 2020 stellte das Unternehmen für einen Teil der Absonderung einen Antrag auf Vergütung für die Entgeltfortzahlung des Mitarbeiters gemäß § 32 EpiG an den Magistrat. Der Magistrat gab dem Antrag teilweise statt und erkannte dem Unternehmen eine Vergütung in anteiliger Höhe des dem Mitarbeiter entgangenen Grundentgelts zu. Hinsichtlich etwaiger Sonderzahlungen habe das Unternehmen jedoch nicht nachgewiesen, dass diese im Absonderungszeitraum auch tatsächlich ausbezahlt worden seien, weshalb eine anteilige Vergütung für deren Entgang nicht zuerkannt werde.

Das Unternehmen erhob dagegen Beschwerde. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien wurde dem Unternehmen auch eine Vergütung nach § 32 EpiG für die entgangenen (anteiligen) Sonderzahlungen zuerkannt. Die dagegen erhobene Amtsrevision der Behörde wurde vom VwGH zur Klarstellung der Rechtslage zugelassen; sie ist jedoch nicht begründet:

Vergütungsanspruch bei Absonderung

Wenn und soweit Personen gemäß § 7 oder § 17 EpiG abgesondert worden sind und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist, gebührt ihnen gemäß § 32 Abs 1 EpiG wegen der Vermögensnachteile durch die Behinderung ihres Erwerbs eine Vergütung. Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, der von der behördlichen Verfügung umfasst ist (§ 32 Abs 2 EpiG). Für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, ist die Vergütung nach dem regelmäßigen Entgelt iSd EFZG zu bemessen; die Arbeitgeber haben ihnen den gebührenden Vergütungsbetrag an den üblichen Entgeltzahlungsterminen im Betrieb Terminen auszuzahlen und der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über (§ 32 Abs 3 EpiG).

Dem Gesetz ist demnach unmissverständlich zu entnehmen, dass die Bemessung des zu leistenden Vergütungsbetrages nach dem regelmäßigen Entgelt iSd EFZG vorzunehmen ist. Darunter ist jenes Entgelt zu verstehen, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung eingetreten wäre. Darin kommt das sogenannte „Ausfallsprinzip“ zum Ausdruck, wonach der Arbeitnehmer während dieser Nichtarbeitszeiten einkommensmäßig so gestellt werden soll, als hätte er die ausgefallene Arbeit tatsächlich erbracht, und er daher weder einen wirtschaftlichen Nachteil erleiden noch auch einen wirtschaftlichen Vorteil erringen soll.

Es ist vom arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff auszugehen, der außer dem Grundlohn auch anteilige Sonderzahlungen beinhaltet, wenn und soweit darauf nach Kollektivvertrag oder Vereinbarung ein Anspruch besteht (vgl OGH 23. 2. 2018, 8 ObA 53/17b, ARD 6597/6/2018). Sonderzahlungen sind eine Form aperiodischen Entgelts, dh mit abweichenden Fälligkeitsterminen; sie sollen die Tag für Tag geleistete Arbeit abgelten, werden daher als Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeit geleistet. Im Übrigen ist der in diesem Zusammenhang heranzuziehende Entgeltbegriff weit auszulegen. Unter ihm ist nach herrschender Lehre und Rechtsprechung jede Art von Leistung zu verstehen, die dem Arbeitnehmer für die zur Verfügungstellung seiner Arbeitskraft gewährt wird. Es kommt auf die Funktion der jeweiligen Leistung als Abgeltung der Arbeitsleistung, nicht aber auf die Bezeichnung, die steuer- oder die sozialrechtliche Beurteilung an. Vom Entgeltbegriff sind daher auch Akkordlöhne und Prämien, Zuschläge, Zulagen (ohne Aufwandersatzcharakter), Provisionen, Sonderzahlungen, Entfernungszulagen und Gewinnbeteiligungen oder anstelle einer Ist-Gehaltserhöhung vereinbarte Mitarbeiterbeteiligungen erfasst, nicht aber echte Aufwandsentschädigungen, Trinkgelder sowie Sozialleistungen des Arbeitgebers, auch wenn sie regelmäßig geleistet werden (vgl OGH 28. 2. 2011, 9 ObA 121/10z, ARD 6132/3/2011).

Sonderzahlungen sind zu berücksichtigen

Demnach ist bei der Bemessung der für jeden Tag der Absonderung nach § 7 EpiG zu leistenden Vergütung auch jenes Entgelt zu berücksichtigen, das aus kollektiv- oder einzelvertraglich eingeräumten Sonderzahlungen resultiert; dies gilt freilich nicht für Sonderzahlungen, die der Arbeitnehmer – nach den kollektiv- oder einzelvertraglichen Bestimmungen – vom Arbeitgeber für die Zeit der Absonderung bzw des Entfalls der Pflicht zur Entgeltzahlung jedenfalls erhält und die daher bei ihm keinen Ausfall an Entgelt bewirken, der auf den Arbeitgeber übergehen könnte. Dass dies aber hier der Fall wäre, wird von der Behörde nicht behauptet.

Entgegen der (im Ergebnis) von der Behörde offenbar vertretenen Ansicht lässt sich dem EpiG eine Norm des Inhalts, dass derartige Sonderzahlungen nur dann zu vergüten seien, wenn die Absonderung in einen Monat (oder anderen Abrechnungszeitraum) fällt, in dem Sonderzahlungen ausbezahlt werden, nicht entnehmen. Eine derartige Sichtweise ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil Sonderzahlungen als aperiodisches Entgelt gerade nicht das Entgelt für die nur im Auszahlungsmonat geleistete Arbeit darstellen, sodass eine – wie offenbar von der Behörde vertretene – auf die Tage der Absonderung umgelegte Berücksichtigung des gesamten Auszahlungsbetrages an Sonderzahlungen im Auszahlungsmonat zu einer Überbemessung des Vergütungsbetrages führen würde.

Dabei ist der dem Arbeitnehmer gebührende Vergütungsbetrag gemäß § 32 Abs 3 EpiG vom Arbeitgeber an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen und geht der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über.

Frist zur Geltendmachung

Auch die in § 33 und § 49 Abs 1 EpiG genannten Fristen, die eine Geltendmachung des Anspruchs auf Vergütung des Verdienstentganges binnen 6 Wochen bzw 3 Monaten vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen vorsehen, stehen dem nicht entgegen: Entgegen der Ansicht der Behörde wird damit lediglich eine Fallfrist für die Geltendmachung eines aus behördlichen Maßnahmen resultierenden Anspruchs auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 EpiG ab Aufhebung dieser behördlichen Maßnahmen normiert. Diese Bestimmung kann nicht dahingehend verstanden werden, dass eine derartige Geltendmachung (noch) nicht möglich bzw zulässig wäre, wenn der Antrag zwar nach der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen, aber vor den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen bzw vor erfolgter Zahlung durch den Arbeitgeber gestellt wird. Diese Sichtweise kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, würde damit doch in allen Fällen, in denen die für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Termine außerhalb der sechswöchigen bzw dreimonatigen Frist ab der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen lägen, eine Geltendmachung des Anspruchs von vornherein verunmöglicht. Ein derartiger Norminhalt ist dem Gesetzgeber aber nicht zusinnbar. Vielmehr ist der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges vom Arbeitgeber binnen der genannten Fristen geltend zu machen, auch wenn der Übergang iSd § 32 Abs 3 zweiter Satz EpiG – allenfalls teilweise – erst nach diesem Zeitpunkt eintritt.

Dass die Behörde – so ihr für noch nicht übergegangene Ansprüche nicht ohnehin auch (vorsorglich gestellte) Anträge des Arbeitnehmers vorliegen – in einer derartigen Konstellation zweckmäßiger Weise über noch nicht übergegangene Ansprüche nicht vor den (vom Arbeitgeber diesbezüglich behaupteten) für diese Zahlungen „im Betrieb üblichen Terminen“ zu entscheiden haben wird, folgt aus der vom Gesetzgeber gewählten Konstruktion. Auf Näheres ist hier allerdings nicht einzugehen, lagen dem Verwaltungsgericht doch insofern bereits übergegangene Ansprüche vor.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31316 vom 11.08.2021