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Schutzumfang eines Patents

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

PatG: § 22a

Nach § 22a PatG wird der Schutzbereich des Patents und der bekanntgemachten Anmeldung durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.

Bei der Auslegung von Patentansprüchen sind die mit dem Patent verfolgten Ziele gegeneinander abzuwägen, und zwar ausreichender Schutz für den Patentinhaber und ausreichende Rechtssicherheit für Dritte. Für den ersten Gesichtspunkt ist die objektive Bedeutung der Erfindung maßgeblich, wie sie in den Patentansprüchen ihren Niederschlag gefunden hat, und nicht die subjektive Anstrengung des Erfinders. Für den zweiten Gesichtspunkt (ausreichende Rechtssicherheit für Dritte) das, was der Fachmann bei objektiver Betrachtung den Patentansprüchen entnimmt. Der Schutzbereich des Patents muss für Außenstehende hinreichend sicher vorhersehbar sein.

Bei der Beurteilung des Schutzumfangs darf über den Inhalt des Anspruchs auch dann nicht hinausgegangen werden, wenn die Beschreibung des Patents einen weitreichenden Anspruch gerechtfertigt hätte; der Patentinhaber wird nicht in weiterem Umfang geschützt, als er es verlangt hat.

Konsequenz dieser Rechtslage ist eine erhöhte Bedeutung der Patentansprüche, während alle weiteren Teile des Patents zur Bestimmung des Schutzumfangs nur Hilfsfunktion haben. Bei klarer und unzweideutiger Fassung der Patentansprüche muss nicht unnötig auf die Beschreibung und die Zeichnungen rekurriert werden, um letztlich zu einer Auslegung zu gelangen, die ohnehin bereits unmittelbar durch den Wortlaut der Patentansprüche bestimmt ist.

OGH 17. 9. 2021, 4 Ob 82/21v

Ausgangsfall

Die Kl ist Inhaberin des Klagepatents betr einen Allergietest. Nach dem Patentanspruch werden beim Verfahren ein oder mehrere Allergene auf einem Microarray-Chip immobilisiert.

Die Bekl produziert und vertreibt ebenfalls Allergietests, bei denen die Allergene jedoch nicht direkt mit dem Träger verbunden sind, sondern an der Oberfläche von Nanopartikeln anhaften, die in einer Matrix auf dem Träger eingeführt werden, in der sie frei vorliegen und mit dieser nicht verbunden sind.

Nach Ansicht des OGH ist dem RekursG keine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen, wenn es davon ausging, dass der Bekl keine Patentverletzung vorzuwerfen ist:

Anspruch 1 des Klagspatents stellt hinreichend deutlich klar, dass die Immobilisierung der Allergene auf einem Chip zu erfolgen hat. Wenn die Vorinstanzen angesichts dieser Formulierung des Patentanspruchs den Begriff „fester Träger“ in der nachfolgenden Beschreibung synonym als „Chip“ gelesen haben, ist dies vertretbar, zumal diese Lesart mit einem Absatz der Patentschrift in Einklang zu bringen ist, dessen Auslegung ergibt, dass (nur) ein Chip und nicht die Nanopartikel als Träger angesehen werden. Abgesehen davon spricht auch ein weiterer Absatz von festen Trägern, zählt solche beispielhaft auf und fährt fort: „Solche Chips …“, und ein dritter Absatz spricht explizit von der Bindung der Allergene „an den Chip“.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31893 vom 29.12.2021