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Sektorenauftraggeber – personelle Ausstattung eines Bieters

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

BVergG 2018: § 250, § 251, § 302

Gemäß § 302 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 hat der Sektorenauftraggeber vor der Wahl des Angebots für die Zuschlagsentscheidung aufgrund des Ergebnisses der Prüfung Angebote von Bietern auszuscheiden, deren Eignung nicht gegeben ist. Die Eignung muss beim offenen Verfahren spätestens zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorliegen (§ 250 Z 1 BVergG 2018). Die Eignung umfasst ua die technische Leistungsfähigkeit eines Bieters (§ 251 Abs 1 Z 4 BVergG 2018). Die personelle Ausstattung eines Bieters betrifft dessen technische Leistungsfähigkeit.

Dass die Auftraggeberin in der Ausschreibung keine erforderliche Mindestanzahl an Arbeitnehmern genannt hat, macht es nicht von vornherein unzulässig, die von der Bieterin bekannt gegebene Anzahl von lediglich (hier) sechs Arbeitnehmern zum Zeitpunkt der Angebotseröffnung als für den Auftrag zu gering zu bewerten. Es ist vielmehr auch in solchen Fällen möglich, die personelle Ausstattung eines Bieters als - objektiv - zu gering zu bewerten und diesen Bieter daher gem § 302 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 auszuscheiden.

VwGH 9. 11. 2023, Ra 2021/04/0211

Entscheidung

Nach der Rsp des VwGH sind Ausschreibungsbestimmungen nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen. Einer in vertretbarer Weise vorgenommenen einzelfallbezogenen Auslegung von Parteierklärungen oder Ausschreibungsunterlagen kommt keine Bedeutung über den konkreten Einzelfall hinaus zu (vgl etwa VwGH 27. 2. 2019, Ra 2019/04/0019, Rn 17 und 18, mwN).

Die Vertretbarkeit der Auslegung der Ausschreibungsbestimmungen und die Bewertung der personellen Ausstattung mit lediglich sechs Arbeitnehmern als zu gering für die vollständige und zeitgerechte Erbringung der ausgeschriebenen Bauleistungen vermag die Revision im konkreten Einzelfall nicht in Zweifel zu ziehen:

Daraus, dass nach den Ausschreibungsbestimmungen betr „Mindestanforderungen an die technische Leistungsfähigkeit“ lediglich auf den Nachweis mindestens eines Bauleiters im Betrieb verwiesen wird, ist nicht darauf zu schließen, dass die technische Leistungsfähigkeit eines Bieters in Bezug auf die erforderliche personelle Ausstattung jedenfalls bereits gegeben ist, wenn die Beschäftigung mindestens eines Bauleiters im Betrieb nachgewiesen wird. Vielmehr hat das VwG die Ausschreibungsbestimmungen, insb die Baubeschreibung zu den einzelnen Bauabschnitten, in vertretbarer Weise dahin ausgelegt, dass es zur termingerechten Leistungserbringung des Einsatzes mehrerer Arbeitspartien bedarf und eine Arbeitspartie mindestens aus vier Personen zu bestehen hat, die ständig auf der Baustelle arbeiten. In der Baubeschreibung wird zwar lediglich zu Abschnitt 3 die Mindestanzahl der notwendigen gleichzeitig einzusetzenden Arbeitspartien mit 2 Arbeitspartien zahlenmäßig bestimmt, während zu den Abschnitten 1 und 2 das Erfordernis unbestimmt mit „mehreren Arbeitspartien“ angegeben ist. Aus der Baubeschreibung ergibt sich weiters die zwingende zeitliche Überschneidung der Bautätigkeiten in den einzelnen Abschnitten samt dem Erfordernis der Durchführung von Arbeiten auch während der Nacht. Im Hinblick darauf ist die Auslegung des VwG jedenfalls nicht unvertretbar, wonach ein Bieter - wenn er (wie hier) keinen Subunternehmer namhaft gemacht hat - zwecks Gewährleistung der technischen Leistungsfähigkeit zumindest über vier Arbeitspartien zu je vier Arbeitnehmern verfügen müsse.

Da von den bestandfesten Festlegungen in der Baubeschreibung der Ausschreibung zu den einzelnen Abschnitten und den darin enthaltenen zeitlichen Vorgaben auszugehen ist, steht dem auch der Hinweis der Revision nicht entgegen, dass der Zuschlagsempfängers bei der MA 46 mindestens 4 Wochen vor Baubeginn um verkehrsbehördliche Genehmigung der ausgeschriebenen Bauleistungen ansuchen müsse und sich daraus eine Änderung der Arbeitsdurchführung ergeben könne.

Ein Abgehen von der Rsp des EuGH bzw des VwGH und somit eine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG kann die Revision auch nicht mit ihrem Verweis auf die E EuGH 8. 7. 2021, Sanresa, C-295/20 (= RdW 2021/673), aufzeigen. Dieses Urteil ist hier nicht einschlägig.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35171 vom 11.03.2024