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Sonderzahlungen bei Änderung des Beschäftigungsausmaßes

Bearbeiter: Manfred Lindmayr / Bearbeiter: Barbara Tuma

KV-Metallgewerbe/Ang: § 13

Sieht ein Kollektivvertrag (hier: KV für Angestellte im Metallgewerbe) keine bestimmte Regelung für den Fall vor, dass es innerhalb des Kalenderjahres im aufrechten Angestelltenverhältnis zu einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes gekommen ist, ist die Höhe der Sonderzahlungen durch eine Mischberechnung zu ermitteln, sodass die Sonderzahlungen nur aliquot entsprechend dem Ausmaß der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung im Kalenderjahr zustehen.

OGH 27. 9. 2016, 8 ObS 12/16x

Sachverhalt

Die Klägerin war bei der späteren Insolvenzschuldnerin vom 8. 1. 2015 bis 30. 4. 2015 geringfügig mit 5 Stunden pro Woche und einem Monatsgehalt von € 405,98 brutto beschäftigt. Ab 1. 5. 2015 bis zu ihrem vorzeitigen Austritt gemäß § 25 IO am 5. 6. 2015 war sie im Rahmen einer 33-Stunden-Woche mit einem Gehalt von € 2.461,62 brutto angestellt. Auf das Dienstverhältnis kam der Kollektivvertrag für Angestellte im Metallgewerbe zur Anwendung.

Im Verfahren auf Gewährung von Insolvenz-Entgelt war die Höhe des Sonderzahlungsanspruchs der Klägerin strittig. Während die IEF-Service GmbH – und in der Folge die Vorinstanzen – angesichts der Änderung der Wochenstundenzahl eine Mischberechnung anstellten, vertritt die Klägerin den Standpunkt, die Sonderzahlungen seien nach dem KV anhand der im Monat November bzw im Monat der Auszahlung gebührenden Gehälter zu berechnen. Diese fixe Regelung lasse für Abweichungen keinen Raum.

Der OGH bestätigt nun mit folgender (zusammengefassten) Begründung die Rechtsansicht der Vorinstanzen:

Entscheidung

Rsp zur Mischberechnung

Bei einem Wechsel vom Lehr- zum Arbeitsverhältnis ist nach stRsp grds eine Aliquotierung vorzunehmen, auch wenn eine ausdrückliche, klarstellende Regelung fehlt (vgl OGH 5. 10. 2000, 8 ObA 175/00v, ARD 5190/7/2001). Dieses Ergebnis beruht auf der Überlegung, dass das Arbeitsverhältnis nach Beendigung der Lehrzeit ganz anderen Zielen, Rahmenbedingungen und Rechtsvorschriften unterliegt. Für den vorliegenden Fall (Änderung des Beschäftigungsausmaßes im ununterbrochenen Angestelltendienstverhältnis) ist diese Rsp daher nicht unmittelbar einschlägig.

Die Frage, ob das Erfordernis einer Mischberechnung der Sonderzahlungen dennoch verallgemeinerungsfähig ist, wurde bisher in der höchstgerichtlichen Judikatur noch nicht beantwortet. Die E OGH 15. 4. 2004, 8 ObA 30/04a, ARD 5512/6/2004, und OGH 30. 3. 2011, 9 ObA 85/10f, ARD 6154/1/2011, sprachen diese Konstellation grundsätzlich an, ließen die Antwort aber offen, weil der anzuwendende KV jeweils eine ausdrückliche Regelung vorsah.

Den KV-Parteien ist es grundsätzlich unbenommen, das Entstehen des Anspruchs auf Sonderzahlungen an bestimmte Bedingungen zu knüpfen, soweit deren Ausgestaltung nicht gegen die gesetzlichen Rahmenbedingungen oder gegen grundlegende Wertungen der Arbeitsrechts- und Sozialrechtsordnung verstößt. Strittige Fragen hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen, der Anspruchshöhe und der Anspruchsdauer sind durch Interpretation der jeweiligen kollektivvertraglichen Bestimmungen zu lösen. Diesem Grundsatz folgend hat der OGH in der Entscheidung 9 ObA 85/10f einen kollektivvertraglichen 13-wöchigen Durchrechnungszeitraum bei schwankender Entgelthöhe nach dem KV für Handelsangestellte als angemessen beurteilt.

Planwidrige Lücke im KV-Metallgewerbe

Der im vorliegenden Fall maßgebliche § 13 des Kollektivvertrages für Angestellte des Metallgewerbes lautet auszugsweise:

“(1)Allen Angestellten gebührt einmal in jedem Kalenderjahr ein 13. und 14. Monatsgehalt (Weihnachtsremuneration und Urlaubszuschuss). (...)
(2)Der Berechnung des 13. Monatsgehalts ist das im November gebührende Monatsgehalt (Lehrlingsentschädigung, Fixum) zugrunde zu legen. Der Berechnung des 14. Monatsgehalts ist das im Monat der Auszahlung gebührende Monatsgehalt (Lehrlingsentschädigung, Fixum) zugrunde zu legen. Bei Angestellten, die während des Kalenderjahres ihre Lehrzeit vollendet haben, setzt sich das 13. und 14. Monatsgehalt aus dem aliquoten Teil der letzten monatlichen Lehrlingsentschädigung und aus dem aliquoten Teil des Angestelltenbezugs zusammen. (...)
(4)Den während des Kalenderjahres eintretenden oder austretenden Angestellten (Lehrlingen) gebührt der aliquote Anteil des 13. und 14. Monatsgehaltes entsprechend der im Kalenderjahr zurückgelegten Dienstzeit. Angestellte, die das 13. und 14. Monatsgehalt bereits erhalten haben, aber noch vor Ablauf des Kalenderjahres ausscheiden, ist der verhältnismäßig zu viel bezahlte Anteil, der auf den restlichen Teil des Kalenderjahres entfällt, bei der Endabrechnung in Abzug zu bringen. (...)“

Die kollektivvertragliche Bezugnahme auf das Entgelt eines konkreten Monats steht nach Ansicht des OGH einer Aliquotierung nicht entgegen:

Damit wird zwar festgelegt, in welcher Höhe die Sonderzahlungen zustehen, wenn es im Bezugszeitraum zu schwankenden Entgelthöhen gekommen ist, es wird aber nicht ausgeschlossen, dass andere Umstände, insbesondere eine Änderung des Beschäftigungsausmaßes, Berücksichtigung finden können.

Die Aliquotierungsregeln für Lehrlinge und unterjährig beschäftigte Angestellte – va aber die anteilige Rückverrechnung einer erhaltenen Sonderzahlung im Fall des Ausscheidens des Angestellten vor Ablauf des Kalenderjahres – machen vielmehr deutlich, dass die KV-Parteien durchaus nicht davon ausgegangen sind, dass die Sonderzahlungen auf jeden Fall in voller Höhe des Gehalts des Bezugsmonats zustehen müssen, sofern nur das Dienstverhältnis am Stichtag aufrecht war.

Die am Regelungszusammenhang und -zweck orientierte Interpretation des KV führt vielmehr zu dem Ergebnis, dass er keine bestimmte Regelung für den Fall vorsieht, dass es innerhalb des Kalenderjahres im aufrechten Angestelltenverhältnis zu einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes gekommen ist und damit eine planwidrige Lücke vorliegt.

Aliquotierung geboten

Für bestimmte, typische Fälle des Wechsels des Beschäftigungsausmaßes hat der Gesetzgeber selbst Regelungen über die Berechnung der Sonderzahlungen angeordnet, die eine Aliquotierung in dem der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung entsprechenden Ausmaß im Kalenderjahr vorsehen (§ 16 Abs 2 AngG, § 19d Abs 5 AZG; § 15j Abs 7 MSchG, § 8b Abs 7 VKG; § 11 Abs 2 AVRAG).

In der Lit wird eine analoge Anwendung dieser Mischberechnung auf alle Fälle der unterjährigen Veränderung des Beschäftigungsausmaßes befürwortet, sofern der anzuwendende KV diesbezüglich eine Regelungslücke aufweist (vgl ua Preiss in ZellKomm² § 16 AngG Rz 30; Heilegger in Heilegger/Klein/Schwarz, Arbeitszeitgesetz4 § 19d Rz 104; Löschnigg, Arbeitsrecht12 6/176; Schrank, AZG3 § 19d Rz 101).

Dieser Auffassung pflichtet der OGH nun bei:

Die Aliquotierung der Sonderzahlungen bei Änderungen des Beschäftigungsausmaßes ist zur Herstellung eines gerechten Ausgleichs der sozialen und wirtschaftlichen Interessen geboten, weil damit die Höhe der Sonderzahlungen vom tatsächlich verdienten Entgelt abhängig gemacht wird und nicht von einer möglicherweise bloß zufälligen Bezugsgröße zum Fälligkeitszeitpunkt.

Diese Auslegung ist im Fall eines Wechsels von Teilzeit auf Vollzeit – oder, wie hier, einer Erhöhung des Beschäftigungsausmaßes – auch nur scheinbar nachteilig, weil auch in diesem Fall das tatsächlich verdiente Entgelt maßgebliche Bezugsgröße ist und keine unsachliche Behandlung dieser Dienstnehmer zu erkennen ist.

Mit einer alternativen Heranziehung des arithmetischen Mittels der Gehaltsansätze, wie sie die Kl eventualiter anstrebt, könnte kein rechnerisch sachgerechtes, mit der zeitlichen Aliquotierung auch nur annähernd gleichwertiges Ergebnis erzielt werden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22523 vom 28.10.2016